Alex Demirović

Senior Fellow 2024-2025
Alex Demirović ist außerplanmäßiger Professor am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main und forscht zu kritischer Gesellschaftstheorie, Staats- und Demokratietheorie sowie Krisen- und Katastrophendynamiken
Nach dem Studium der Philosophie, Soziologie und Germanistik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt a. M. promovierte er mit einer epistemologischen Studie zur marxistischen Ästhetik. Die Habilitation folgte 1992 in Politikwissenschaft und politischer Soziologie.
Seine wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen zur Bedeutung der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule in Wissenschaft, Politik und Kultur der Nachkriegszeit Deutschlands, seine empirischen Studien zu Rassismus und Rechtsextremismus und seine demokratietheoretischen Studien zu Wirtschaftsdemokratie leiten seine Forschung bis heute. Ausgehend von der klassischen Kritischen Theorie Theodor W. Adornos und Max Horkheimers und an Karl Marx anschließende heterodoxe Traditionen arbeitet Demirović auf der Basis neuerer ökonomiekritischer Diskussionen, staatstheoretischer Ansätze, poststrukturalistischer Macht- und Diskursanalysen sowie zur kritischen Kulturforschung.
Demirović erhielt Gastprofessuren für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt politische Theorie an der Technischen Universität Berlin, für Kritische Gesellschaftsforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie für Kritische Gesellschaftstheorie an der Goethe-Universität Frankfurt. Er war Senior Fellow am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ist Permanent Fellow am Center for Humanities and Social Change. Er war Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac Deutschland und ist Mitglied des Vorstands der Rosa Luxemburg Stiftung sowie im Beirat der Zeitschrift LuXemburg, der Zeitschrift Prokla und im Beirat des Bundes demokratischer Wissenschaftler*innen.
Projektskizze
Gesellschaftliche Arbeitsteilung und Demokratie
Über lange Jahrhunderte war die gesellschaftliche Arbeitsteilung, vor allem die Trennung von Hand- und Kopfarbeit eine Begründung dafür, warum Menschen nicht an kollektiv verbindlichen Entscheidungen teilhaben können und sollten. Erst seit dem 19. Jahrhundert wurde diese Einschätzung zögernd aufgegeben. Mit ihrem fachlichen Wissen entwickelten die Arbeiter Klassenbewusstsein und verfolgten schließlich eine Politik der Interessen, die vor allem seit den Revolutionen von 1789, 1848 und 1918 eine Beteiligung der Lohnabhängigen an der politischen Demokratie ermöglichte. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich diese Partizipation endgültig durchgesetzt, so dass in vielen Staaten das direkte, gleiche, allgemeine Wahlrecht gilt.
In den Studien, die ich am LIAS durchführe, möchte ich Muster der gesellschaftlichen Arbeitsteilung herausarbeiten, die eine demokratische Gestaltung der sozialen Kooperation verhindern. Darin soll es um die Argumentation für eine Neuanordnung des sozial-ökologischen Raums gehen, der die Verhältnisse von Natur, Ökonomie, Politik und Kultur neu gliedert und die Trennung von Hand- und Kopfarbeit überwindet. Für die Arbeitsteilung gibt es zunächst, philosophische, kulturelle und sozialwissenschaftliche Begründungen. Drei Phasen möchte ich unterscheiden: Eine Phase, in der Menschen als intellektuell unterlegen betrachtet wurden und daher keine vollwertigen Mitglieder des Gemeinwesens sind (Platon, Adam Ferguson). Zweitens eine Phase seit der französischen Revolution, in der die Menschen zwar als biologisch gleich verstanden werden und gleiche politische Rechte genießen, aber dennoch Gründe für eine dauerhafte Unterordnung in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung entwickelt werden (Emile Durkheim, Niklas Luhmann, Jürgen Habermas). In einer dritten Phase wird aus kritischer demokratietheoretischer Perspektive auf die Arbeitsteilung an einem neuen Demokratiebegriff gearbeitet (Pierre Bourdieu, Jacques Rancière, Nancy Fraser, Silvia Federici, Maria Mies). Obwohl es zu enormen Einsichten in die Logik der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der Unterordnung der Hand- unter die Kopfarbeit und zu einer Kritik an den Intellektuellen und der Expertokratie kommt, gelingt es nicht, umfassende Konzepte gesellschaftlicher Demokratisierung der Arbeitsteilung zu entwickeln, die über Ansätze zu einer temporären oder einer Versammlungsdemokratie hinausgehen.
Ausbildung
1979 Promotion Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
1992 Habilitation Politikwissenschaft und politische Soziologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
Professur
Außerplanmäßiger Professor Politikwissenschaft und Soziologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M.
Jüngste Veröffentlichungen
Demirović, Alex: Marx als Demokrat. Berlin: Dietz Verlag (erscheint November 2024).
Demirović, Alex: Der nonkonformistische Intellektuelle. Von der kritischen Theorie zur Frankfurter Schule. Wien: Mandelbaum Verlag, 2023.
Demirović, Alex, Fisahn, Andreas (Hrsg.): Das Chaos verstehen. Welche Zukunft in Zeiten von Zivilisationskrise und Corona? Hamburg: VSA: Verlag, 2021.
Demirović, Alex: „Politische Bildung und Demokratie“. In: Meike Sophia Baader, Tatjana Freytag, Karolina Kempa (Hrsg.): Politische Bildung in Transformation – Transdisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden: Springer-Verlag, 2023, S. 25–42.
Demirović, Alex: Thomas Sablowski, Judith Dellheim, Katharina Pühl, Ingar Solty (Hrsg.): Auf den Schultern von Karl Marx. Münster: Westfälisches Dampfboot, 2021.