ENERGIEFORUM: „DER WIND SCHREIBT KEINE RECHNUNGEN“
28.08.2017 Der Klimawandel gibt es vor: „Bis 2050 müssen wir von den Treibhausgasen weg sein“, sagt Professor Dr. Thomas Schomerus. Zusammen mit der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen lädt er zum Energieforum am 27. September. Dabei geht es auch um die Frage, wie Unternehmen und Privatleute die Energiewende vorantreiben können.
Herr Professor Schomerus, Sie sind Experte für Energierecht und zusammen mit Professor Heinrich Degenhart einer der Organisatoren des Energieforums. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erscheint für Laien hochkomplex. Schreckt das Hausbesitzende nicht ab, sich beispielsweise Solarpanels aufs Dach zu setzen, selbst wenn es eine Förderung gibt?
Man kann an den Gesetzestexten verzweifeln. Es fing einmal mit zwei Paragraphen an. Jetzt sind es weit über 1000. Die Komplexität zu erfassen, ist fast unmöglich. Ich arbeite gerade am Kommentar zum EEG mit 2500 Seiten. Er wiegt etliche Kilo. Mit dem Energieforum wollen wir helfen, die Rechtslage auch für Nicht-Experten verstehbar zu machen. Die gute Nachricht ist aber, dass wir das EEG nicht mehr brauchen werden, wenn die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig sind und Gewinn abwerfen. Dieser Tag ist nicht fern. Die Investitionskosten bei erneuerbaren Energien sind hoch, aber die Betriebskosten klein. Der Wind schreibt keine Rechnungen. Er bewegt einfach das Windrad.
Viele stören sich aber gerade an den Windrädern. Die Natur werde verschandelt, heißt es oft, und die Schlagschatten nervten.
Ganz anders ist es, wenn die Menschen selbst am Windrad beteiligt sind. Dann macht sich jeder Schattenwurf nämlich auch mit einem Plus auf dem Konto bemerkbar. Bürgerenergie ist deshalb ein weiteres großes Thema beim Energieforum. Wir haben mit Studierenden der Leuphana gerade den Aufbau eines Bürgerwindparks in Amelinghausen begleitet. Wie komme ich an Förderungen? Wie funktioniert eine Genossenschaft und wie kommuniziere ich nach außen? Die Resonanz war groß. Es ist viel besser die Menschen in der Region einzubinden, als wenn ein anonymer Energiekonzern die Windräder betreibt.
Das hört sich nach einer Demokratisierung der Energiewirtschaft an. Aber ist das EEG wirklich immer gerecht?
Nein, das ist es nicht. Ca. ein Fünftel des Strompreises gehen über die EEG-Umlage in die Förderung von erneuerbaren Energien. Es zahlen also alle: der Schönheitschirurg am Teegernsee genauso wie die Putzfrau aus Berlin-Marzahn. Der Schönheitschirurg hat aber auf seinem Haus eine Solaranlage. Sein günstiger Strom wird also gefördert – auch mit dem Geld der Putzfrau, die sich wohl nie ein Haus kaufen kann, um auf dem Dach eine Solaranlage zu bauen, um damit günstigen Solarstrom zu gewinnen.
Etwas provokant formuliert: Profitieren von der Energiewende nur Reiche?
So einfach ist es nicht. Mit dem gerade verabschiedeten Gesetz zum Mieterstrommodell wird es beispielsweise gerechter. Seit August können nicht nur Hausbesitzer, sondern auch Mieter profitieren. Der Strom aus einer Solaranlage oder einem Blockkraftwerk wird dabei nämlich nicht mehr ins allgemeine Stromnetz eingespeist, sondern gleich günstig an die Mieter verkauft. So sparen beide.
Bei Ökostrom denken viele an finanzielle Förderungen. Aber der Hintergrund ist eigentlich ein sehr ernster…
Die Energiewende ist eines der größten Projekte der Gegenwart. Aber noch ist sie nicht ganz in der Gesellschaft angekommen. Sie wird zu einer Transformation unseres Lebens führen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Fast immer entstehen Treibhausgase in unserem täglichen Leben: beim Autofahren, Busfahren und Heizen. Wir brauchen deshalb eine neue, effizientere Technik. Wir werden auch verzichten müssen, aber möglicherweise wird unser Leben dadurch besser. Denken Sie ans Radfahren! Es ist emissionsfrei und viel gesünder als Autofahren.
Vielen Dank für das Gespräch!
- Prof. Dr. Thomas Schomerus