Das Forschungsprofil der Leuphana
Transformation — Unser übergreifender universitärer Forschungsschwerpunkt
Fragen rund um den Klimawandel, die Globalisierung, neue Arbeits- und Organisationsmodelle, Digitale Medien oder Big Data nehmen einen zentralen Stellenwert auf der Forschungsagenda der Leuphana ein. Die daraus für Mensch und Umwelt resultierenden Transformationsprozesse sind in den letzten zehn Jahren bottom-up zum universitären Fokusthema gewachsen, das die Universität mit Anspruch auf Substanz und Exzellenz erforscht: Wie lassen sich Transformationen identifizieren, beschreiben, analysieren? Was charakterisiert Transformation als Gegenpol zu disruptiven Prozessen? Welche gesellschaftlichen Konflikte, welche unterschiedlichen Wert- und Zielvorstellungen begleiten diese Prozesse oder resultieren daraus?
Transformation verstehen wir als Bedingung für die (Wieder-) Herstellung von Gesellschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit.
Die Zukunft von Gesellschaften hängt entscheidend von ihrem Vermögen ab, Transformationen zu reflektieren und zu bewältigen. Die der Handlungsorientierung im Leitbild verpflichtete Leuphana Universität Lüneburg möchte ausloten, was Transformation ist und wie sie gelingen kann. Als Universität für die Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts erforscht sie fächerübergreifend diesen großen Wandel unserer Zeit.
Unser Ziel: Die Antwortfähigkeit der Gesellschaft stärken.
Soziokulturelle Transformation
Die Lüneburger Kulturwissenschaften bedienen sich eines breiten Spektrums an Disziplinen, um ihrem Versprechen einer kritischen Gegenwartsdiagnostik gerecht zu werden. Forschende aus der Medien-, Kunst- und Literaturwissenschaft, der Philosophie, Wissenschaftsgeschichte und Soziologie sowie der Politik- und Rechtswissenschaft arbeiten daran, das Repertoire an Wahrnehmungsperspektiven, Denkarten und Handlungsweisen im Kontext der weitreichenden sozio-kulturellen Transformationsprozesse der Gegenwart konstruktiv zu erweitern.
So werden u.a. im programmatischen DFG-Graduiertenkolleg „Kulturen der Kritik“ Sinn, Rolle und Reichweite von Kritik und kritischen bzw. kritikförmigen Praktiken untersucht, mit Blick auf Themenbereiche wie Techniken und Medien, Migration, Anthropozän oder Dekolonialisierung. Die Verwerfungslinien der Gegenwart und die sozio-kulturellen, politisch-ökonomischen, rechtlichen und technisch-wissenschaftlichen Bedingungen des Zusammenlebens in einer globalisierten Welt werden in Einrichtungen wie dem Center for Critial Studies und dem Leuphana Institute for Advanced Studies in Culture and Society (LIAS-CAS) interdisziplinär erforscht: Im Verbund mit internationalen Fellows wird bislang „Ungedachtes, Unartikuliertes, Unbefragtes“ aufgebrochen und verstanden. So etwa, wenn die erste deutsche Professur für Provenienzforschung mit Projekten (Modern Migrants) die musealen Herausforderungen in Sachen Restitution, Digitalisierung und Dekolonisierung sichtbar macht und zur Transformation des Kunstbetriebs beiträgt. Die Forschungsinitiative 'Die disruptive Bedingung' widmet sich dem vorherrschenden sozio-historischen Erfahrungsmuster zeitgenössischer globalisierter Gesellschaften: der "Immanenz der Logik der Unterbrechung, der Fragmentierung, des Zerfalls und der Zerrüttung, kurz der Disruption". Im DFG-geförderten Reinhard-Koselleck-Projekt „Cool-Water-Effect werden die emanzipatorischen Effekte eines kühl-regnerischen Klimas erforscht. Geoklimatisches Wissen über die Entwicklungsdynamik von Innovation und Risikobereitschaft von Nationen wird helfen, Wandel – oder sein Fehlen – zu begreifen und mitzugestalten. Insbesondere die Demokratieforschung profitiert davon. Seit jeher stark an der Leuphana vertreten, widmet sie sich im eigenen Zentrum unter dem Leitthema „Democracy transformed – Transformations of Democracy“ Fragen nach Legitimität und Leistungsfähigkeit von Demokratie. Dies geschieht besonders effektiv dank der Verschränkung mit der transnational ausgerichteten Rechtswissenschaft; sie will insbesondere die Wechselbeziehung von Recht und gesellschaftlicher Transformation unter den Bedingungen von Globalisierung verstehen und untersucht dazu die Regulierung von Gesellschaft und Ökonomie.
Nachhaltige Transformation
Nachhaltigkeitswissenschaftler*innen und ihre Stakeholder in Forschung und Praxis arbeiten an Entwürfen denk- und umsetzbarer Transformationen einer nachhaltigen Entwicklung. Vornehmlich gebündelt an der Fakultät Nachhaltigkeit der Leuphana – einer Pionierin ihres Fachs – nehmen sich Forschende sozial-ökologischer Transformationsprozesse an. Mit System- und Zielwissen wird nachhaltigen Systemen auf den Grund gegangen und auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene mit diversen Stakeholdern an realen Nachhaltigkeitsproblemen gearbeitet.
Wissenschaftler*innen der Leuphana erforschen u.a.:
- die „leverage points“ für nachhaltigen Wandel, die effektivsten systemischen Veränderungen im institutionellen Bereich, im Bereich der Mensch-Umwelt-Interaktion und der Wissensproduktion. Der empirisch fundierten Identifizierung dieser Hebel- und Interventionspunkte in den letzten Jahren folgt das Aufzeigen von Handlungsoptionen für Akteure und Entscheidungsträger*innen (Leverage Points for Sustainability Transformation: Institutions, People and Knowledge).
- Schutzgebiete als Eckpfeiler biologischer Vielfalt. Sie fragen in welchem Verhältnis die oft unzureichende Governance von Schutzgebieten zur Nachhaltigkeit dieser Gebiete steht. Soziale und ökologische Systembedingungen stehen gleichermaßen im Fokus des Interesses. Das Projekt zur Wirksamkeit von Schutzgebieten in Sambia und Tansania ist darüber hinaus eine globale Pilotstudie für Wildtierzählungen (Wildlife, Values, Justice: Reconciling Sustainability in African Proteced Areas).
- Verlust und Erhaltung biokultureller Diversität. Dabei legen sie ihr Augenmerk sowohl auf die Tier- und Pflanzenwelt, als auch auf bedrohte Wissensformen und Praktiken. Der Beitrag der biokulturellen Diversität zur Nachhaltigkeit wird anhand einer Fallstudie in Bolivien erstmals systematisch untersucht. Für spürbaren Impact sorgen lokale Workshops, in denen der Beitrag der biokulturellen Diversität für mehr Gerechtigkeit und Umweltfreundlichkeit ausgearbeitet wird (BioKultDiv: Biokulturelle Diversität in Agrarlandschaften des Globalen Südens).
- in Ruanda partizipativ und ortsbezogen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Wiederherstellung von Ökosystemen. Die ökologischen, sozialen und sozial-ökologischen Folgen von Wiederherstellungsmaßnahmen werden untersucht, darunter die Mechanismen, die zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Wiederherstellung dieser Systeme führen. Der daraus hervorgehende interdisziplinäre Systemansatz zur Wiederherstellung von Ökosystemen soll schließlich die Restaurierungswissenschaft und -praxis weltweit voranbringen und dem Biodiversitätsverlust, der Degradation und dem Klimawandel entgegenwirken. (DFG FOR5501: Ein sozial-ökologischer Systemansatz zur Wiederherstellung von Ökosystemen in ländlichen Regionen Afrikas)
Bildungstransformation
Wie lässt sich die Lehrkräfte(aus)bildung angesichts des gesellschaftlichen Wandels stetig verbessern? Unter den Bedingungen zunehmender gesellschaftlicher Komplexität und angesichts des fortlaufenden Strukturwandels der Schulen sind v.a. ein versierter Umgang mit Heterogenität und die Ermöglichung von Inklusion entscheidend: Hierbei ist die Vielfalt mit Blick auf Lehrende, Lernende, aber auch Lerninhalte und die Systemebene der Schulen selbst gemeint. Forschende der Leuphana widmen sich der Kompetenz- und Unterrichtsforschung mit stark fachdidaktischer Perspektive, um als Enabler kompetenter Lehrkräfte und Facilitator der Theorie-Praxis-Verzahnung zu wirken. Bestehende und neue Lehrmodelle werden analysiert und weiterentwickelt. Zwei Zentren der Bildungsforschung fungieren als Treiber der Bildungstransformation:
- Am »Zukunftszentrum Lehrkräftebildung« (ZZL) arbeiten Forschende praxisorientiert an Ansätzen zur Integration von Theorie und Schulpraxis. Ihr etabliertes Netzwerk aus sechs Campusschulen wird stetig um Kooperationen mit Schulen, Studienseminaren und außerschulischen Einrichtungen erweitert, um größtmögliche transformative Wirkung zu erzeugen. Erst eine gesteigerte Theorie-Praxis-Verzahnung wird wirkungsvollen Wandel hin zu kompetenteren Lehrkräften ermöglichen, z.B. mit Blick auf deren diagnostische Fähigkeiten bezogen auf die Kompetenzentwicklung der Schüler*innen in spezifischen Domänen und Fächern; oder hinsichtlich des Wissens über Möglichkeiten und Techniken zur Förderung, Differenzierung und Individualisierung im Unterricht.
- Am »Centre for Empirical Research on Language and Education« (ERLE) wiederum wird Grundlagenforschung im Bereich der empirischen Bildungsforschung betrieben. Wissenschaftler*innen untersuchen wie Lernprozesse im Unterricht durch sprachliche Faktoren determiniert und erklärt werden können und weisen damit auf die Bedeutung hin, die sprachliche Kompetenzen für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen haben. Sie wollen Lehr-Lernprozesse in Zukunft so gestalten, dass sie sowohl dem Aufbau fachlicher als auch sprachlicher Kompetenzfacetten dienlich sind und diesbezüglich eine Professionalisierung (angehender) Lehrkräfte stattfinden kann.
Digitale Transformation
Digitale Medientechnologien durchdringen die Welt. Das Digitale transformiert und erschafft Kultur. Im Bereich digitaler Medientechnologien wird die gegenwärtige Dauertransformation besonders eindrücklich. Die Wissenschaftler*innen der Leuphana fokussieren in ihrer Forschung diese kulturerzeugende Kraft digitaler Technologien in Abgrenzung zu traditionellen anwendungs- oder innovationsgetriebenen Fragestellungen der „Digitalisierung“. Medientheorie, Kulturtheorie, Organisationsforschung, Soziologie: Nur ein interdisziplinär und international aufgestelltes Forschendenteam ist diesem Gegenstandsbereich gewachsen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Leuphana die Heimat eines solchen renommierten Teams, das mit kulturhistorischen, ethnografischen und experimentell-performativen Ansätzen die Transformationspotentiale des Digitalen analysiert und aufbereitet.
Das institutionelle Gefäß des Forschungsschwerpunktes ist das „Centre for Digital Cultures (CDC)“. Mit dem Ziel, die Entstehung neuer und komplexer Qualitäten des sozio-technischen Zusammenlebens zu verstehen, hat sich das CDC als ein international sichtbares kulturwissenschaftliches Forschungszentrum zum digitalen Wandel etabliert. In unmittelbarer thematischer Nähe fragt die DFG-Kollegforschungsgruppe „Medienkulturen der Computersimulation (MECS)“ z.B., welche neuen Arten des Wissens durch Computersimulationen entstehen und wie ihr Einsatz das Verständnis von Wissenschaft beeinflussen kann. Im Kontext des MECS und des „Digital Cultures Research Lab (DCRL)“ waren seit 2013 internationale und nationale Fellows in Lüneburg zu Gast, um den grundlegenden und epochalen Wandel zu erforschen. Gemeinsam untersuchen sie die damit einhergehenden grundlegend neuen Formen der Wahrnehmung, des Ausdrucks und der Organisation des Sozialen, des Politischen und des Ökonomischen.
Unternehmerisch-technische Transformation
Die Schnittstelle von Wirtschaft und Technik ist ein Brennglas des Wandels und ein Kernbereich der Transformation. Mit Themen wie „Entrepreneurship“, „Digitale Transformation“ und „nachhaltiges Management“ beforscht die Leuphana diesen Wandel. Dabei wird z.B. Entrepreneurship als Schlüsselkompetenz verstanden, die nachhaltigere (digitale) Praktiken in Wirtschaft und Gesellschaft etablieren und wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Mehrwert befördert. Die wirtschaftlich-technologisch informierte Digitalisierung wird an der Leuphana beispielsweise in den Bereichen BigData, Internet of Things und Soziale Medien untersucht, mit dem Ziel Nutzungsgewohnheiten zu verändern und die Transformation zur Ressourcenschonung und Effizienzsteigerung zu verstehen. Auch widmet sich der Bereich der wirtschafts- und kulturwissenschaftlich sowie psychologisch orientierten Organisationsforschung und untersucht Erfolgsfaktoren für nachhaltiges Verhalten.
Das Portfolio der Forschung zum Thema beinhaltet u.a. Projekte:
- zum digitalen Unternehmertum, konkret z.B. dem regionalen mittelständischen Unternehmertum in der digitalen Ökonomie (DigEN); das Verbundprojekt DigEn hat in den letzten Jahren KMUs bei der unternehmerischen Transformation unterstützt, ihnen Interventionswerkzeuge an die Hand gegeben und sie langfristig nachhaltig innovationsfähig gemacht. Dabei wurden konkrete Problemstellungen der digitalen Transformation und Geschäftsmodellentwicklung in Start-ups, wachsenden und etablierten Unternehmen bearbeitet und gelöst.
- zum Aufbau von „Communities“, als „think and action tanks“ zur Bewältigung der anstehenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse. Konkret wird im Rahmen des Projekts „TrICo – Transformation durch Innovation und Kooperation in Communities“ (gefördert im Bund-Länderprogramm "Innovative Hochschule") das Innovations- und Transfergeschehen in der Metropolregion Hamburg und in Niedersachsen ins Auge genommen. In den nächsten Jahren entstehen vier Communities („Nachhaltige Produktion”, „Schulentwicklung und Leadership“, „Social Innovation und Entrepreneurship“, „Kunst und Kultur“) als inter- sowie transdisziplinär zusammengesetzte Gruppen von Unternehmer*innen, Entscheider*innen, Fachexpert*innen und Wissenschaftler*innen. Aus ihnen ergeben sich Potentiale für langfristig angelegte technologische und soziale Innovationsprozesse, die schließlich in ein richtungsweisendes und übertragbares Kooperationsmodell für Community Building und Open Innovation an Forschungseinrichtungen münden werden.
- zur ingenieurwissenschaftlichen Untersuchung neuer Materialien und Produktions- sowie Prozessinnovationen, konkret z.B. das ERC-Consolidator-Projekt MA.D.AM (Modelling Assisted Solid State Materials Development and Additive Manufacturing, angesiedelt beim Kooperationspartner HEREON). Das Projekt trägt dem wachsenden Interesse an der Luft- und Raumfahrt Rechnung und dem steigenden Bedarf nach hochwertigen Materialien für die additive Fertigung. Ziel ist es diese Nachfrage zu befriedigen, indem die gesamte Prozesskette von der Materialentwicklung bis zur Schichtabscheidung mittels Festkörperverfahren für den ausgewählten Anwendungsfall neuartiger Al-Cu-Li-Legierungen abgedeckt wird.
- zu neuartigen Fertigungstechniken für innovative und nachhaltigere Produkte. Zu diesem Zweck entsteht eine moderne Laborhalle, die die Entwicklung energieeffizienter Fertigungsprozesse und Werkstoffsysteme ermöglichen wird. Das hybride Bearbeitungszentrum dient Fortschritten in der fertigungstechnischen Weiterverarbeitung neuartiger Leichtbaumaterialien und dem industriellen Wandel zur CO2-emissionsarmen Industrie (FerNaPro - Fertigungstechnik für innovative und nachhaltige Produkte).
Forschungsinformationen
Das Forschungsinformationssystem (FIS) der Leuphana bietet als Forschungsdatenbank einen schnellen Zugang zu den Projekten, Profilen und Publikationen der an der Leuphana tätigen Wissenschaftler*innen. Mehr
► Auf direktem Wege zur herausragenden Forschung
Vizepräsident für Forschung
- Prof. Dr. Erich Hörl