Gastprofessor an der Leuphana: Motivationspsychologe Peter Gollwitzer
16.12.2019 An Silvester, Jahr für Jahr: Mit dem Rauchen aufhören. Mehr Sport machen. Mal die Eltern anrufen. Abnehmen. Selbstbewusster sein. Sich mehr um seine Freunde kümmern. Spätestens Ende Januar kauft man sich eine neue Schachtel Zigaretten, weiß, dass man die Jahreskarte für die Mucki-Bude höchstens zwei-, dreimal nutzen wird und merkt erst als die Chips-/Süßzeug-Tüte schon leer ist, dass man schon wieder gescheitert ist. Warum ist es so schwer, seine Ziele zu verwirklichen? Motivationspsychologe Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Gollwitzer gibt eine Antwort.
„Man geht häufig davon aus, dass man sich nur gute Ziele setzen muss und schon wird sich das Leben zum Besseren verändern“, erklärt Gollwitzer, „aber die Forschung hat gezeigt, dass der Einfluss von Zielen auf Verhalten überraschend klein ist. Leute, die sich Ziele setzen, verhalten sich nicht viel anders als Leute, die sich keine Ziele setzen.“ Nachdem er dieses Ergebnis in zahlreichen Studien beobachten konnte, fragte er sich: „Wie kann ich Ziele wirksamer machen?“ Er entdeckte, dass es das Planen ist, was Menschen, die ihre Ziele erreichen von denen unterscheidet, denen das nicht gelingt. „Wenn man plant wann, wo und wie man sein Ziel umsetzten will, dann ist man besser vorbereitet für das Nutzen günstiger Gelegenheit und das Überwinden von Hindernissen.“ „Am wirkungsvollsten sind ‚Wenn…, Dann‘-Pläne“, sagt Gollwitzer: „Wenn die kritische Situation (sei es eine Gelegenheit oder ein Hindernis) auftritt, dann werde ich eine Handlung ausführen, die die Zielrealisierung fördert!“ Ein Wenn-Dann Plan für das Ziel weniger zu rauchen könnte bspw. lauten: „Wenn ich am Bahnhof auf den Zug warte und ich rauchen will, dann werde ich mir einen Kaffee kaufen und ihn genießen!“ Oder: „Wenn ich, nachdem ich abends die Kinder ins Bett gebracht habe, das Bedürfnis habe mit Süßzeug zu entspannen, dann werde ich stattdessen einen Spaziergang machen!“ Wie seine Experimente zeigen, führt das gedankliche Ausarbeiten solcher Wenn-Dann Pläne dazu, dass die Zielrealisierungsrate signifikant steigt. Bedingung ist allerdings, dass das Nachdenken in „Wenn… dann …“-Verknüpfungen stattfindet. Der Wissenschaftler führt aus: „Normalerweise liegt die Realisierungsrate von Zielen bei 20 bis 30 Prozent, das heißt nur eine von drei Personen erreicht das gesetzte Ziel. Wenn man aber plant, wie man das gesetzte Ziel realisieren möchte, geht die Rate auf 60-70% hoch. Das ist ein drastischer Effekt.“ Dieser Effekt tritt unabhängig davon auf, in welchem Lebensbereich das Ziel gesetzt wurde; es gibt also keinen Unterschied zwischen zum Beispiel beruflichen Zielen und familiären Zielen.
Tendenziell introvertierte Menschen bekommen häufig die Aufforderung „Sei mal geselliger!“ zu hören. Dazu sagt Gollwitzer: „‘Sei geselliger!‘ ist nur ein Ziel. Das ist noch kein Plan. Wenn man sich vornimmt, geselliger zu sein, muss man sich auch noch überlegen, wie man das machen will.“ Also zum Beispiel einzuplanen, dass wenn man eine*n Kolleg*in im Aufzug trifft, dann sofort eine Konversation anfängt. „Solche Wenn-Dann-Verknüpfungen automatisieren unsere Handlungskontrolle. Es ist dann nicht mehr das drückende ‚Du musst endlich geselliger werden!‘ das unser Handeln bestimmt, sondern die Person, die wir im Aufzug treffen, löst direkt unsere Handlung sie anzusprechen aus.“
Selbstmanagementratgeber und die Populärpsychologie setzen fast immer auf Willensstärke (zum Beispiel „Du musst es nur wirklich wollen, dann klappt es!“). Gollwitzer zeigt aber empirisch ganz eindeutig, dass Willensstärke mit dem Erreichen des Zieles nur sehr schwach korreliert – stattdessen kommt es darauf an, ob man sich die Umsetzung in Wenn-Dann Plänen ausgedacht hat. Danach gefragt, ob denn nicht die Willensstärke einer Person das Entscheidende sei, sagt der amerikanische Psychologe: „Nein, denn gerade für Personen mit geringer Willensstärke, Selbstdisziplin und Gewissenhaftigkeit ist es wichtig ihre Ziele mit Wenn-Dann Plänen auszustatten um ihre Chancen der Zielrealisierung zu erhöhen.“
Nach seiner Promotion an der University of Texas (USA) habilitierte sich Peter Gollwitzer 1988 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er war Leiter der Gruppe „Intention und Handeln“ am Max-Planck-Institut für psychologische Forschung in München. 1993 wurde Gollwitzer auf eine Professur an der Universität Konstanz berufen und 1999 an die New York University. 2017 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt und 2018 erhielt er den Ehrendoktor der Leuphana, wo er seit 2019 Gastprofessor am Institut für Psychologie ist. Seine wegweisende Forschung wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Max Planck Research Award der Max-Planck-Gesellschaft, dem TRANSCOOP Award for International Research Cooperations der Alexander von Humboldt Stiftung und dem Wilhelm Wundt-William James Award 2019 der European Federation of Psychologists’ Associations (EFPA), der American Psychological Association (APA) und der American Psychological Foundation (APF).