Fußball: Mitleid oder Schadenfreude bei Turnier-Aus?

29.06.2021 Psychologin untersuchte Reaktionen auf das Ausscheiden von Fußball-Nationalmannschaften bei der WM 2018

Lüneburg. Wenn eine Fußball-Nationalmannschaft aus einem großen Turnier ausscheidet, löst das bei Fans des gegnerischen Teams Schadenfreude aus, während die Unterstützer für ihr eigenes Team eher Mitleid empfinden. Die Psychologin Dr. Lea Boecker von der Leuphana Universität Lüneburg untersuchte die Motive für diese nicht sonderlich überraschenden emotionalen Reaktionen zum Ausscheiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach der Vorrunde der Weltmeisterschaft 2018. Die Wissenschaftlerin hat dazu mehr als 200 Probanden nach dem deutschen Ausscheiden und mehr als 200 Probanden nach dem Aus für die englische Mannschaft im Halbfinale der WM 2018 befragt.

Der 27. Juni 2018 war ein einschneidendes Ereignis in der deutschen Fußballgeschichte, denn das deutsche Team verpasste zum ersten Mal die Hauptrunde einer Fußball-Weltmeisterschaft. Die Sozialpsychologin Lea Boecker untersuchte in einer Studie die emotionalen Reaktionen auf dieses Ereignis. Während ausländische Befragte (vorwiegend Engländer) vor allem Schadenfreude empfanden, löste das Ausscheiden bei den deutschen Studienteilnehmern Mitleid aus.

Die Schadenfreude war umso stärker, je weniger die Befragten Sympathie für die deutsche Nationalmannschaft empfanden, je dominanter sie die Mannschaft eingeschätzt hatten und je mehr sie den Misserfolg für verdient hielten. Die Studie belegt auch, dass die deutschen Kicker nach dem Ausscheiden aus dem Turnier an Ansehen und Dominanz verloren haben, das Ausscheiden nach Meinung der Befragten verdient war. Das Ansehen der Mannschaft sank bei den deutschen Fans stärker als bei den ausländischen Befragten.

Die Studie untersuchte auch die emotionalen Reaktionen auf das Ausscheiden des englischen Teams im Halbfinale. Zwar verlor die Mannschaft durch die Niederlage nicht an Ansehen, aber Schadenfreude gab es auch – jetzt aber auf Seiten der deutschen Befragten.

Das Phänomen der Schadenfreude lässt sich bei Mannschaftswettbewerben im Sport besonders gut beobachten. Vor allem Antipathie gegenüber einem Team sagt Schadenfreude vorher. Die Studie lässt außerdem Rückschlüsse auf die Funktion von Schadenfreude zu. „Der öffentliche Ausdruck von Schadenfreude, wie er vor allem in der internationalen Presse zu beobachten war, tritt vor allem bei Fehlschlägen von Personen oder Gruppen mit einem hohen Status auf, die zuvor als dominant wahrgenommen wurden. Der Ausdruck von Schadenfreude kann dazu dienen, diese Dominanz zu verringern, und dazu führen, dass sich Unterlegene trauen, den Überlegenen entgegenzutreten“, so Lea Boecker.

Originalpublikation in Psychology of Sport and Exercise:

www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1469029221001102