Leuphana-Forschende untersuchen Potenziale für nachhaltige Transformationen am Kilimandscharo
25.02.2025 Prof. Dr. Berta Martín-López und ihr Team begannen 2021 ihre Arbeit in einer DFG-Forschungsgruppe, die am Kilimandscharo in Tansania untersucht, wie die Natur zum menschlichen Wohlbefinden beiträgt. Die internationale und interdisziplinäre Kooperation wird ab Februar 2025 weiter gefördert – Zeit, Prof. Martín-López und die Doktorand*innen Milena Groß und John Sanya Julius zu ihren bisherigen Erkenntnissen und den nächsten Schritten zu befragen.

Was ist das Hauptziel eurer Forschung in der neuen Förderphase?
Berta Martín-López: Wir untersuchen das Potenzial von Organisationen, Projekten und Initiativen im sozial-ökologischen System des Kilimandscharo für einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Dazu schauen wir uns an, wie sie sich organisieren, welche Ziele sie verfolgen, welche Wertesysteme ihren Entscheidungen zugrunde liegen und welches Wissen sie nutzen. Dies hilft uns, sozioökologische Dynamiken zu verstehen und „Seeds for Good Anthropocenes“ – also Initiativen mit Potenzial, Zukunft zu gestalten – zu identifizieren. Mit anderen Worten: Wir untersuchen die Beziehung zwischen Menschen und der Natur, gehen aber noch einen Schritt weiter, indem wir Faktoren ermitteln, die ein größeres Transformationspotenzial für eine nachhaltige und gerechte Zukunft haben.
Und was wurde in der ersten Phase erforscht?
Milena Groß: Um zu verstehen, was die Natur zur Lebensqualität von Menschen beiträgt und welche Bedeutung sie für Menschen hat, haben wir vier verschiedene Gruppen befragt: Landwirte, Naturschützer, Reiseleitungen und Touristen. Der Kilimandscharo bietet vielfältige Möglichkeiten, einen Lebensunterhalt zu verdienen und die Natur zu erleben. Das Klima und die nährstoffreichen Böden begünstigen landwirtschaftliche Aktivitäten. An den Hängen des Berges gibt es Naturschutzprojekte, die von gemeindebasierten oder nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt werden. Auch der Tourismus ist aufgrund des Nationalparks, in dem professionelle Guides benötigt werden, von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund gibt es eine Vielzahl von Akteuren, die sich in ihren Beziehungen zur Natur und ihrem Engagement für die Natur unterscheiden. Wir haben mehr als 620 kontextbezogene Befragungen durchgeführt. Dies war eine gemeinschaftliche Leistung, an der sechs Teilprojekte der Forschungsgruppe beteiligt waren. Wir hatten ein großartiges Team mit Unterstützung vor Ort und anderen Doktorand*innen sowie Postdocs.
Mit welchen Methoden habt ihr gearbeitet und was habt ihr herausgefunden?
John Sanya Julius: Eine Methode, die wir für die Interviews verwendet haben, heißt „Photovoice“: Die Teilnehmenden konnten Fotos machen, um ihre Beziehung zu ihrer natürlichen Umgebung auszudrücken. Anstatt ihnen spezifische Fragen zu stellen, dienten die Fotos als Ausgangspunkt, um über ihren Alltag zu sprechen. Dies zeigte, dass für sie verschiedene Beiträge der Natur für die Menschen („nature’s contributions to people“, NCP) wichtig sind. Wir haben festgestellt, dass Menschen innerhalb eines bestimmten Gebiets unterschiedliche Beziehungen zur Natur haben können, selbst innerhalb derselben sozialen Gruppe. Beispielsweise verbinden die Bauern, die in der Nähe des Nationalparks leben, nicht unbedingt die gleichen Emotionen mit der Natur wie die Menschen, die im Flachland leben. Die Methode half uns zu verstehen, wie Menschen von der Natur profitieren.
Habt ihr eure Ergebnisse außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft kommuniziert?
Milena Groß: Ja, unser Team hat eine Wissensaustausch-Tour umgesetzt. Dabei haben wir vorläufige Ergebnisse in Vorträgen und auf Postern mit Zitaten, visuellen Darstellungen, Fotos und einer für Laien verständlichen Sprache präsentiert. Jelke Meyer, die zu dieser Zeit Bachelor-Studentin war, erstellte vier verschiedene Poster, und wir hatten eine Ausstellung, in der auch Fotos zu sehen waren, die von den Forschungsteilnehmer*innen und unserem Team aufgenommen wurden. Wir haben sieben Events veranstaltet, sowohl auf Swahili als auch auf Englisch. Insgesamt waren 160 Personen daran interessiert, mehr über unsere Forschung zu erfahren und darüber zu diskutieren.
John Sanya Julius: Die Poster und ein Video, das Jelke für ihre Abschlussarbeit erstellt hat und in dem sie die Bedeutung von Forschungskommunikation für das Projekt erklärt, sind online verfügbar.
Und was sind eure nächsten Schritte?
John Sanya Julius: Nach Abschluss meiner Promotion werde ich nach Hause zurückkehren, um meine Arbeit am College of African Wildlife Management in Mweka, Tansania, fortzusetzen, wo ich bereits vor meiner Tätigkeit an der Leuphana war. Ich werde mit der Forschungsgruppe aber weiterhin vor Ort zusammenarbeiten und sie unterstützen, wann immer sie kommen.
Milena Groß: Ich trete eine Stelle als Postdoc an und, wie Berta sagte, wird ein Teil der Forschung darin bestehen, die „Seeds“ zu charakterisieren. D.h., ich werde untersuchen, wie die Initiativen und Organisationen interagieren und welches Transformationspotenzial sie für eine gerechte und nachhaltige Zukunft entfachen und verstärken können.
Berta Martín-López: Durch unsere Feldarbeit haben wir begonnen, Netzwerke zwischen vielen Menschen und sozialen Akteursgruppen aufzubauen. Unsere Forschung betrifft „Seeds“ an den Südhängen des Berges, die Transformationen begünstigen. Die gesamte Forschungsgruppe sammelt Daten über das Gebiet, das vom Savannen-Ökosystem an den Ausläufern bis zu den Gletschern auf dem Gipfel des Berges und vom Osten der Südhanglagen bis zum äußersten Westen reicht. Die Ergebnisse aller sechs Teilprojekte werden in einem siebten Teilprojekt zusammengefasst, das von mir und drei weiteren Kollegen gemeinsam geleitet wird: Katrin Böhning-Gaese, Markus Fischer und Dirk Zeuss.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das von Berta Martín-López geleitete Projekt „Understanding social-ecological transformations: the role of initiatives’ values, rules and knowledge“ ist Teil der DFG-Forschungsgruppe Die Rolle der Natur für das menschliche Wohlbefinden im sozial-ökologischen System des Kilimandscharo (Kili-SES). Mit dem Format der Forschungsgruppe unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die enge Zusammenarbeit zwischen herausragenden Wissenschaftler*innen. DFG-Forschungsgruppen zielen darauf ab, neue Wege in der Forschung zu beschreiten, oft in interdisziplinärer und internationaler Zusammenarbeit, wie dieses Beispiel verdeutlicht.
Kontakt
- Prof. Dr. Berta Martín-López
- Milena Groß
- John Sanya Julius