Hamburger Hafen: Digitale Zwillinge und was sie versprechen (Armin Beverungen)
16.07.2025 Ein Sprachbefehl ins Smartphone und kurze Zeit später trifft die gewünschte Ware ein – das verspricht Bequemlichkeit. Bei der Arbeit sehen können, was zu Hause vor sich geht – das verspricht Sicherheit. Die Prozesse am Hamburger Hafen aus Entfernung steuern können – das verspricht Effizienz. Inwiefern smarte Technologien mit Wohlstandsversprechen verknüpft sind, untersuchen Prof. Dr. Armin Beverungen, Randi Heinrichs und ihre internationalen Projektpartner*innen im Forschungsverbund „Smartness as Wealth“.

„Unsere Grundannahme ist, dass Reichtum heute nicht mehr nur Vermögen meint. Wir haben ein komplizierteres Verständnis von Reichtum: Es geht auch um andere Dimensionen von Wohlstand, wie z. B. Convenience (Bequemlichkeit) und Nachhaltigkeit,“ erklärt Prof. Beverungen. Sein Teilprojekt am Centre for Digital Cultures (CDC) zum Hamburger Hafen widmet sich insbesondere digitalen Zwillingen: „Wir fragen, warum diese Technologien angewandt, mit welchen Versprechen sie verkauft und dann gebaut werden. In Hamburg überwiegt das Versprechen der Effizienz. Konkret ist es das Versprechen, den Hamburger Hafen durch smarte Technologien wie digitale Zwillinge im globalen Wettstreit wettbewerbsfähig zu halten.“ Digitale Zwillinge sind virtuelle Abbilder von realen Objekten oder Systemen. Sie werden z. B. mithilfe von Sensoren erstellt, die Wasserstands-Messungen oder Bewegungen von Containern erfassen, und dienen der Optimierung von Prozessen und der Wartung von Anlagen.
Die digitalen Zwillinge sind vor Ort selbst nicht zu sehen, sondern funktionieren im Hintergrund. Um ein besseres Verständnis dafür zu erhalten, arbeitet das Team mit ethnographischen Methoden, wie mit Interviews, Feldbesuchen und Beobachtungen. Dazu zählen auch Hafenrundfahrten, wie Armin Beverungen berichtet: „In der letzten Woche (26.7.25) haben wir u. a. die Logistiktour „Tour der Giganten“ gemacht. Mit dieser Tour fährt man in die Terminals, in die man sonst nicht reinkommt, und kann alles beobachten. Das ist ein Hilfsinstrument für die Feldforschung, durch das man über den Hafen nicht nur abstrakt reden oder ihn auf Karten anschauen kann. Z. B. ist gerade das Thema Automatisierung an den Terminals aktuell: Es wird gezeigt, wie alte Kräne durch neue ersetzt werden. Diese sind mit HD-Kameras ausgestattet und können so aus einem Büro ferngesteuert werden.“
Aber nicht nur die technische Funktionsweise spielt eine wichtige Rolle für das Projekt, sondern auch die historische Dimension, betont Beverungen: „Wenn wir in Hamburg von Reichtum sprechen und den Hafen anschauen, sollten wir als erstes über dessen koloniales Erbe nachdenken. Der Hamburger Reichtum hängt stark davon ab, was schon vor 150 Jahren im Welthandel betrieben wurde. Es gibt Logistikunternehmen von Familien, deren Reichtum aus der Kolonialzeit kommt, die noch immer großen Einfluss im Hafen haben. Diese Geschichten verschwinden teilweise. Daher stellen wir die Frage: Kann es auch andere Arten von Technologieentwicklung geben, die die Geschichte sichtbar machen?“
Das Projekt plant, durch Transfer-Workshops mit Akteuren im Hafen, wie der Hamburg Port Authority, in Kontakt zu treten. „Wir können dabei unsere Forschungsergebnisse vorstellen und anregen, wie mit smarten Systemen anders umgegangen werden kann – also z. B., dass Nachhaltigkeitsfragen sichtbar und verhandelbar gemacht werden. Insgesamt wollen wir einen Beitrag zur Debatte um digitale Zwillinge in der Technikforschung und in den Kulturwissenschaften leisten. Vor allem dazu, die Technologie zu verstehen und, wie sich mit ihr unser Weltverhältnis verändert.“
Der Forschungsverbund „Smartness as Wealth“ untersucht den Zusammenhang von smarten Städten und Reichtum in fünf Teilprojekten. Sie befassen sich jeweils mit verschiedenen smarten Systemen an unterschiedlichen Standorten: Energy Islands, Hamburg, Kalkota, Nairobi und Tokio. Die VolkswagenStiftung fördert das Projekt von 2023 bis 2027 in der Förderlinie „Perspektiven auf Reichtum“.
Kontakt
- Prof. Dr. Armin Beverungen
- Randi Heinrichs