Data Literacy Education am College: Mehr als Programmieren lernen

23.01.2023 Seit 2018 lernen alle Erstsemesterstudierenden am College mit Python zu programmieren. Mit dem von der „Stiftung Innovation in der Hochschullehre“ (StIL) geförderten Projekt „Umfassende Data Literacy Education am College“ (UDLE) sollen die bisherigen Ansätze ausgebaut werden, das technische Lehrangebot in die philosophischen, gesellschaftlichen und politischen Kontexte einer kritischen Auseinandersetzung mit Daten einzubetten.

„Im Rahmen von DATAx durchlaufen alle Erstsemesterstudierenden einen Basiskurs im Programmieren, Mathematik und Statistik“, erläutert Dr. Juliane Reichel, Projektkoordinatorin von UDLE. „Zu verstehen, was Daten sind und den Umgang mit Daten zu lernen, gelten als zentrale Future Skills.“ So ist auch die zunehmende Bedeutung von Daten der Hintergrund für die curriculare Besonderheit am College und wurde mit dem fachübergreifenden Format „Data driven X, kurz: DATAx“ seit einigen Jahren etabliert. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind durchdrungen von Daten – weder der Finanzmarkt, noch globale Lieferketten oder politische Stimmungsbilder funktionieren heute noch ohne das Internet und den Austausch von Daten. Doch wissen die wenigsten, was eigentlich technisch gesehen passiert, wenn im Internet Filme oder Games gestreamt, Informationen über Social-Media-Kanäle gepostet oder Online-Überweisungen getätigt werden. Sich Grundfunktionen des Programmierens, der Mathematik und Statistik anzueignen, ist ein wichtiger Baustein, um ein tiefergehendes Verständnis von den technischen Zusammenhängen in Bezug auf Daten zu erlangen. „Wir haben seitdem der Programmierkurs läuft, allerdings feststellen müssen, dass es nicht reicht, die Studierenden nur mit der technischen Perspektive vertraut zu machen“, hält Juliane Reichel fest. „Gerade für diejenigen Studierenden, die keine Affinität zur Informatik haben, ist das Programmieren oft herausfordernd.“ Aber nicht nur die mangelnde technische Affinität hat das College bewogen, das Programmierenlernen in einen größeren Kontext zu setzen.Schließlich sind Daten alles andere als neutral. „In der Technikphilosophie gibt es die Idee, dass Technik als solche erstmal neutral ist. Um ein drastisches Beispiel zu nennen – Kernspaltung kann ich zur Stromerzeugung nutzen oder damit eine Atombombe bauen – je nach Nutzung kann das positiv oder negativ sein. Mal davon abgesehen, dass man das mit der Neutralität von Technologien grundsätzlich in Frage stellen sollte. Daten sind es aber auf keinen Fall“, meint Juliane Reichel. „Daten tragen immer schon Informationsgehalte in sich, die aus bestimmten kulturellen Zusammenhängen kommen.“ Die Erhebung oder das Sammeln von Daten erfolgen grundsätzlich in Kontexten, in die bewusst oder unbewusst Annahmen, Vorurteile oder Meinungen einfließen. In einer immer noch von männlichen Softwareentwicklern geprägten Arbeitswelt, sind beispielsweise viele Programme auf männliche „Kontexte“ ausgelegt. Das kann die Spracherkennung von digitalen Audiosystemen sein, welche die tieferen männlichen besser als die höheren weiblichen Tonlagen wiedergeben. Oder über Algorithmen gesteuerte sogenannte „selbstlernende“ künstliche Intelligenz, die in manchen Ländern zur Kriminalitätsbekämpfung von der Polizei eingesetzt wird und die aufgrund der Ausgangsdatenlage überproportional People of Colour als potentielle Straftäter identifiziert. Dieser strukturellen Diskriminierung durch Daten auf den Grund zu gehen, ist das Ziel der „Critical Data Studies“. „Wir wollen unseren Programmierkurs um diese Critical Data Studies curricular erweitern, weil das für eine kritische Bildung im Umgang mit Daten wichtig ist“, so Juliane Reichel.Dazu soll innerhalb der einjährigen Projektlaufzeit herausgearbeitet werden, was genau am Leuphana College unter einer umfassenden Data Literacy Education verstanden werden soll und mit welchen Lehr-Lerninnovationen diese fachübergreifend curricular verankert werden kann. In Workshops mit Kolleg*innen, Studierenden und Studienprogrammverantwortlichen wird diesen Fragen gemeinsam nachgegangen werden. „Ich denke, dass wir am Projektende ein solides Konzept haben, um gerade diejenigen Studierenden abzuholen, die sich mit dem Programmieren schwertun. Aber natürlich auch den technik-affinen Studierenden zeigen können, welche gesellschaftliche Folgen nachlässiges Programmieren haben kann. Ich würde mir sehr wünschen, dass alle unsere Erstsemesterstudierenden Lust auf eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit Daten bekommen,“ resümiert Juliane Reichel.

Zum Projekt

Das Projekt „Umfassende Data Literacy Education am College“ wird aus Mitteln der Förderlinie „Freiraum 2022“ der Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“ (StIL) im Zeitraum von September 2022 bis August 2023 gefördert.