Eröffnung der Startwoche 2024: „Networks of trust“
02.10.2024 Das einzigartige Studienmodell der Leuphana sieht vor, dass alle 1400 Erstsemesterstudierenden sich zu ihrem Studienbeginn intensiv mit einem gesellschaftlich relevanten Thema auseinandersetzen. In diesem Jahr sind die Studierenden eingeladen, der Intelligenz auf die Spur zu kommen – als Potenzial des Menschen, die Gesellschaft und seine Umwelten zu verstehen und zu gestalten. Psychologin Marina Weisband und der Neurologe Dr. Nils Schweingruber gaben bei der Eröffnung im Zentralgebäude Impulse.
Präsident Sascha Spoun griff in seiner Begrüßung der Studierenden die aktuelle Frage der künstlichen Intelligenz auf: „Vor künstlicher Intelligenz braucht man sich nicht zu fürchten. Auch wenn sich Lernmodelle schnell verbessern, fehlt der KI noch etwas, etwas, das Ihren Intellekt einzigartig macht.” KI kann lediglich bestehende Muster und Methoden auf Informationen anwenden. Der menschliche Geist ist dagegen zu sehr viel mehr imstande: Er vermag Neues zu erfinden. „Wenn Wissen und Methode die Wurzeln sind, dann ist die Vorstellungskraft der Flügel. Ohne diese Flügel fehlt so viel. Ihre Vorstellungskraft eröffnet eine neue Welt, sie gibt Ihnen die Fähigkeit, das Mögliche in Betracht zu ziehen, und dadurch gehen Sie über die Realität hinaus. Ohne in den Bereich des Möglichen zu fliegen, gibt es keinen Traum, keine Vorstellung, keine Fantasie, keine Kreativität, keine Zukunft, keine Hoffnung, kein Streben, keinen Zweck und keine Bedeutung. All dies beruht auf der Vorstellungskraft.“ Der Präsident ermutigte die Erstsemester, Neuland zu betreten: „Sie sind nicht hier, um einfach nur zu lernen, was andere bereits wissen. Vielmehr sollten Sie das Unbekannte entdecken, Ihr Unbekanntes.“ Diese Vorstellungskraft gilt es zu nutzen: „Zusammenfassend bitte ich Sie, intelligent zu sein und Ihre Vorstellungskraft zu nutzen. Ich bitte Sie, Ihre Hochschulbildung zu einem großen Teil darauf auszurichten, was möglich ist und was erreicht werden könnte. Konzentrieren Sie sich auf Träume, Optionen, Möglichkeiten, kurz gesagt, auf die Zukunft! Darüber hinaus sollten Sie Ihre Hochschulbildung zu einem großen Teil darauf ausrichten, Zweifel zu äußern, begründete Vermutungen anzustellen und sich eine Meinung zu bilden, kurz gesagt, kritisch zu sein!“
Doch was ist Intelligenz? „IQ ist what an IQ test measures“, so eine geläufige Antwort. Die Psychologin Marina Weisband ordnete die Definition als zu beschränkend ein: Auch emotionale Intelligenz, kritisches Denken oder Kreativität zählen für die Publizistin zur Intelligenz. Gerade in Zeiten hoher Komplexität brauche es kluge Entscheidungen: „Our problems are interconnected. We need a society that is organized intelligently.“ Die ehemalige Politikerin der Piratenpartei plädierte für eine liquide Demokratie, eine Mischung aus direkter und repräsentativer Demokratie: Wähler*innen können ihre Stimme einem Experten geben: „This is an intelligent system because it builds networks of trust where the most trusted experts on a given topic have the most power“.
Ein weiterer Gast bei der Semestereröffnung im Zentralgebäude war der Hamburger Neurologe Dr. Nils Schweingruber. Sein Startup „Innovative Digitale Medizin“ nutzt KI, um die Bürokratie im Krankenhaus zu reduzieren und Arztbriefe automatisiert zu verfassen: „We have harsh personal ressources. Physicians need almost ten hours per week for documentation and writing discharge letters“, erklärt der Mediziner. Die Zeit könne besser für Patientengespräche oder Weiterbildungen genutzt werden. IDM ist eine gemeinnützige UKE-Tochtergesellschaft.
Der hauptamtliche Vize-Präsident der Leuphana, Christian Brei, kam während der Eröffnung mit den neuen Studierenden ins Gespräch: „We trust you that you have courage to grow and to change something. Learning starts with the willing to open up and when we take eachother seriously in our differences.“ Einige Erstsemester-Studierende berichteten, warum sie sich für die Leuphana entschieden haben: wegen dem Thema Nachhaltigkeit, der Möglichkeit, interdisziplinär studieren zu können und des besonderen Studienmodells. Teil davon ist die Startwoche, die sich von einer Orientierungswoche unterscheidet: „Opening weeks means we want to encourage you from the very beginning to deal with academic methods and also with relevant academic topics“, sagte Christian Brei.
Claudia Kalisch rief zu mehr emotionaler Intelligenz auf: „AI will never replace a conversation“, sagte die Oberbürgermeisterin der Stadt Lüneburg. Sie erinnerte daran, wie prägend die Leuphana für die Stadt Lüneburg ist und ermutigte die Studierenden, sich zu engagieren: „Never let anyone think for you“.
Auch die AStA-Sprecher*innen Emil Jüchter und Denise Granzow begrüßten die Erstsemester-Studierenden an der Leuphana: „Studying is about going to know yourself better, connecting with others and being engaged in the students community.“
Zu den weiteren Gastredner*innen der Startwoche gehören der KI-Experte Tristan Post, der Anthropologe und Verhaltensforscher Michael Tomasello, die Philosophin und Neurowissenschaftlerin Kristina Musholt vom Leipziger Forschungszentrum für frühkindliche Entwicklung, die Politikwissenschaftlerin und Künstlerin Liya Yu sowie die Biologin Aletta Bonn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.
Rückfragen und Kontakt
- Sven Prien-Ribcke, M.A.