©Marietta Hülsmann
Gregor Gysi richtet einen eindringlichen Appell an das junge Publikum: „Machen Sie Druck, damit die Alten im Bundestag endlich auf die Zukunft ausrichten.“

Das Libeskind-Auditorium ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Niemand möchte die Gelegenheit verpassen, Gregor Gysi zu hören. Als die Vizepräsidentin College, Prof. Dr. Jelena Bäumler, gemeinsam mit der Studentin Anouk Boelsen die Diskussion öffnet, schnellen sofort zahlreiche Hände in die Höhe. Viele Erstsemesterstudierende nutzen die Gelegenheit, mit Gregor Gysi ins Gespräch zu kommen.

Ein Student fragt: „Wie können wir verhindern, dass Menschen die AfD wählen?“ Der Jurist und Politiker Gregor Gysi plädiert unter anderem für eine stärkere gesellschaftliche und räumliche Durchmischung von Menschen mit und ohne ausländische Wurzeln und fordert die Abschaffung des Beschäftigungsverbots. „Wir müssen den Menschen so schnell wie möglich Arbeit geben. Dann gelingt die Integration leichter“, argumentiert er.

Nicht nur bei diesem Satz brandet Applaus auf. Gysi ist einer der bekanntesten Redner der Republik und nimmt sich viel Zeit für die Fragen aus dem Auditorium. Eine Studentin thematisiert die anhaltende Ungleichheit zwischen Ost und West. Gysi antwortet: „Das Problem der Wiedervereinigung war, dass die Bundesregierung nicht aufhören konnte zu siegen. Sie haben die DDR auf Mauertote, Staatssicherheit und SED reduziert – das muss aufgearbeitet werden. Für das Leben in der DDR aber interessierte sich niemand. Vieles, was gut lief, wurde nicht anerkannt: Gleichstellung, Kinderversorgung oder Behalte- anstelle einer Wegwerfgesellschaft. Übernommen hat man Ampelmännchen, Sandmännchen und den grüne Abbiegepfeil. Damit haben sie den Ostdeutschen gesagt: Mehr habt ihr nicht geleistet.“ Die AfD dagegen sei kein reines Ost-Phänomen: „Absolut gesehen gibt es mehr Wähler im Westen.“

Auch persönlich wird es an diesem Nachmittag, der den Schlusspunkt der Startwoche setzt. Eine Studentin der Politikwissenschaften möchte wissen: „Wie verlieren Sie nicht die Hoffnung, Herr Gysi?“ Er antwortet: „Ich bin ein Zweckoptimist. Es ist wichtig, dass Sie optimistisch bleiben. Wenn man keine Hoffnung hat, dann gibt man auf.“ Zum Abschluss richtet Gysi einen eindringlichen Appell an das junge Publikum: „Machen Sie Druck, damit die Alten im Bundestag endlich auf die Zukunft ausrichten.“

Das Thema „Kooperation“, das Gysi ansprach, stand im Mittelpunkt der gesamten Startwoche. In rund 90 Arbeitsgruppen hatten sich die Erstsemesterstudierenden mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen auseinandergesetzt. „We wanted to raise big questions during the opening week. I am very curious if you have found answers to some of these questions“, sagt der hauptberufliche Vizepräsident Christian Brei und leitete damit zur Präsentation der studentischen Kurzvideos über -  kreativ umgesetzt mit Theaterszenen, Stop-Motion-Animationen oder Interviews zu Themen wie Bürgerbeteiligung, Ökologie oder Mehrwegsysteme.

Einen besonderen Moment gestaltete Studentin Johanna Schoele. Sie gehört zu den rund 100 Tutor*innen, die die neuen Studierenden durch die Startwoche begleiteten. Die Studentin steht allein auf der Bühne, trägt Jeans und Leuphana-Hoodie; in der Hand hält sie ein Blatt Papier mit Gedanken, die sie stellvertretend für alle Tutor*innen vorträgt. Die letzten Zeilen des Poetry Slams lauten:

„It’s still Friday, altogether in the auditorium, at the end of the opening week.
But we are also at a beginning.
And there is so much more good sh… to come.“