Nachbericht: Wisrah C. V. da R. Celestino – From Language

06.05.2025 Im Rahmen einer Lecture-Performance am 23. April stellte Wisrah C. V. da R. Celestino zentrale Fragestellungen their künstlerischen Praxis zur Diskussion, die sich durch eine interdisziplinäre Verflechtung von Performance, Institutionskritik und poetischer Materialität auszeichnet. Der performative Charakter der Präsentation selbst war dabei nicht lediglich Mittel zum Zweck, sondern konstitutives Element eines künstlerischen Denkens, das die institutionellen, sprachlichen und räumlichen Bedingungen von Kunstproduktion und -rezeption befragt.

©Jascha Batzies
©Jascha Batzies
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Im Fokus stand die Auseinandersetzung mit Institutionen als strukturierende Kräfte, die nicht nur materielle, sondern auch epistemische Ordnungen reproduzieren. Wisrah adressierte in their Arbeiten – darunter Keys (2021), Belonging (2022), RENTAL/FATHER (2023) sowie Peso (2024) – die inhärente Kolonialität solcher Strukturen, wobei nicht das singuläre Kunstobjekt, sondern dessen relationale Verfasstheit im Vordergrund steht. Wisrahs Ansatz besteht häufig in der Kontextualisierung von Alltagsobjekten, deren Bedeutungsüberschüsse erst durch ihre institutionelle Rahmung sichtbar werden. So wird etwa das Schlüsselbündel in Keys zur Metapher einer kritischen Infragestellung institutioneller Zugänge, während in Belonging oder Privacy familiäre Objekte wie Vorhänge oder Kanister in neue semantische Gefüge überführt werden.

Wisrah operiert offenbar auch mit dem Konzept der Kontingenz, um their Widerstand gegen essentialistische, ortsspezifische Zuschreibungen auszudrücken. Die Werke sind als offene Anordnungen zu verstehen, die auf spezifische räumliche, soziale und affektive Konstellationen reagieren. Der Raum wird dabei zu einem aktiven Mitproduzenten künstlerischer Bedeutung, der in seiner Differenz stets auch koloniale Gewaltverhältnisse mitträgt. 

In der anschließenden Diskussion wurde die Praxis als bewusste Geste der Verweigerung im Sinne einer kritischen Absage an die Forderung nach ständiger Innovation innerhalb des Kunstbetriebs gelesen. Die performative Verschiebung zwischen familiären, institutionellen und künstlerischen Räumen wirft grundlegende Fragen nach Autor*innenschaft, Fürsorge und ökonomischen Bedingungen von Kunstproduktion auf. Besonders hervorgehoben wurde dabei die Notwendigkeit, Formen von Arbeit in der Kunst neu zu denken – als relational, affektiv und nicht vollständig ökonomisierbar.

Insgesamt formuliert Wisrah C. V. da R. Celestino mit their Praxis ein präzises Plädoyer für eine institutionell bewusste, poetisch-politische Kunstproduktion. Durch die Einbindung von Familienbiografie, Alltagsobjekten und performativer Raumgestaltung entstehen komplexe ästhetische Anordnungen, die Grenzziehungen zwischen privat und öffentlich, künstlerisch und ökonomisch, symbolisch und materiell in Frage stellen. Ihre Arbeiten sind daher nicht zuletzt Interventionen in das epistemische Gefüge institutioneller Kunstproduktion.

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  • Dr. Christine Kramer