Wenn nicht nur Kaffee die Zukunft ist
03.02.2020 Gemeinsam mit Stakeholdern im Südwesten Äthiopiens haben Ökolog*innen der Leuphana vier landwirtschaftliche Zukunftsszenarien für die Region entwickelt. Nun soll getestet werden, wer davon profitiert und welche Konsequenzen die Visionen für Artenvielfalt und Menschen haben. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit fast einer Millionen Euro gefördert.
Immer häufiger wird der monetäre Wert von Ökosystemdienstleitungen berechnet. Allein die Pflanzenbestäubung durch Bienen ist Milliarden wert. Seltener wird aber gefragt, wer von dem profitiert, was Menschen aus Ökosystemen bekommen und entnehmen. Die Landschaftsökologen Jörn Fischer, Dave Abson und Jannik Schultner adressieren diese Thematik nun in einer dörflichen Region im Südwesten Äthiopiens. Durch Ernteausfälle, unter anderem verursacht durch den Klimawandel, ist die Nahrungsversorgung der lokalen Bevölkerung nicht dauerhaft gesichert. Gemeinsam mit Stakeholdern am Ort, also Kleinbauern, NGOs oder Regierungsvertreter*innen haben die Wissenschaftler in einem Vorgängerprojekt bereits vier mögliche Zukunftsszenarien für die Region entwickelt, die bei denen Ökosystemdienstleistungen eine zentrale Rolle spielen. Sie sollen nun getestet werden. Das Projekt „ETH-Coffee – Towards a Sustainable Bioeconomy: A Scenario Analysis for the Jimma Coffee Landscape in Ethiopia“ wird für drei Jahre von Bundesamt für Bildung und Forschung mit rund 990 000 Euro gefördert.
Kaffee, Eukalyptus und Khat
Kaffee ist das wichtigste Exportprodukt der Region und gilt deshalb als wertvolle Ökosystemdienstleistung. Aber auch die dort legale Kaudroge Khat spielt für das wirtschaftliche Überleben der bäuerlichen Betriebe eine zentrale Rolle. Im ersten Szenario werden so genannte Cashcrops angebaut: Kaffee, Eukalyptus und Khat. Beim zweiten Szenario gibt es einen großen Kaffee-Investor, möglicherweise mit globalem Hintergrund. Das dritte Zukunftsbild kombiniert die Landwirtschaft mit einem Biosphären-Reservat. Bei der vierten Vision steht die Nahrungsmittelproduktion im Vordergrund. „Keines der Szenarien ist ideal, jedes hat Vor- und Nachteile. Ein Bild von der Zukunft zu haben, kann aber helfen, sie besser zu planen“, erklärt Jörn Fischer, Professor für nachhaltige Landnutzung.
Die Forscher stellen drei zentrale Fragen: Wer profitiert von der Natur? Wer beeinflusst sie? Und wo sitzen diese Menschen? „Es ist durchaus möglich, dass etwa der Kaffee-Export floriert, die lokalen Kleinbauern aber kaum etwas davon haben“, sagt Jörn Fischer. Die Szenarien sind im Vorgängerprojekt „SESyP – Identifying social ecological system properties benefiting biodiversity and food security“ gefördert vom European Research Council (ERC)“ gemeinsam mit den Menschen in Äthiopien entwickelt worden. Im aktuellen Projekt soll es nun darum gehen, die Vision zu konkretisieren. „Wir werden räumlich analysieren, welche Ökosystemdienstleistungen in der Landschaft generiert werden“, erklärt Dr. Jannik Schultner vom Institut für Ökologie. Dazu kartieren die Wissenschaftler die Landschaft und ihre natürlichen Ressourcen wie Wälder oder Kaffeepflanzen. Mithilfe der erhobenen Daten und Computermodellen können die Forscher die Konsequenzen der Zukunftsszenarien einschätzen etwa für die Artenvielfalt. Noch gilt die Region als Biodiversität-Hotspot. Bisher ist nicht klar, wie ein veränderte Landnutzung die Artenvielfalt beeinflussen könnte. „Unsere Ergebnisse möchten wir den lokalen Stakeholdern als Entscheidungshilfe an die Hand geben“, erklärt Dave Abson, Juniorprofessor für Nachhaltigkeitsökonomie.
Das fast zehnköpfige Forscher*innen-Team setzt sich aus deutschen und äthiopischen Wissenschaftler*innen zusammen. Außerdem wird in der gesamten Projektlaufzeit eng mit lokalen Akteuren zusammengearbeitet, so dass die Ergebnisse auch von direktem praktischen Nutzen in Äthiopien sein werden.