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Schulen in der Corona-Krise: Deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land

21.05.2021 Rund 30 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Deutschland hatten während der ersten Corona-bedingten Schulschließungen im Frühjahr 2020 keinen regelmäßigen Kontakt zu ihren Schulen. Insbesondere in ländlichen Regionen gelang es demnach nicht den Kontakt zu halten. Nur etwa 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den ländlichen Regionen Deutschlands erhielten darüber hinaus während der Schulschließung Lernmaterialien im Rahmen von Onlineunterricht – in Städten waren es etwa 60 Prozent. Dies zeigt die zweite Erhebungswelle der längsschnittlich angelegten und für Deutschland repräsentativen Schulleitungs-Studie Leadership in German Schools (LineS), die gemeinsam von Wissenschaftler*innen der Universitäten Lüneburg, Tübingen und der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführt wird.

Die Corona-Krise traf Schulen in Deutschland unvorbereitet und stellte diese vor neue und bislang unbekannte Herausforderungen. Insbesondere die wiederholten Schulschließungen und die damit verbundene Aufhebung des Präsenzunterrichts führte dazu, dass viele Schüler*innen den Kontakt zu Ihren Lehrkräften verloren und kurzfristig neue Formen des Lernens und Unterrichtens eingeführt werden mussten, die sich von den traditionellen Formen des Unterrichts unterscheiden. Bundesweit hatten demnach nur etwa drei von vier Schulkindern (71%) in Deutschland während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 regelmäßigen Kontakt –  d.h. mindestens einmal pro Woche – mit ihrer Schule; in ländlichen Regionen, an Schulstandorten mit weniger als 3.000 Einwohnern, sogar nur drei von fünf Schüler*innen (60%).

Die Kommunikation mit diesen Schüler*innen erfolgte dabei deutschlandweit meist im direkten Austausch zwischen Lehrkräften und einzelnen Schüler*innen (89%), z.B. via Telefon oder Massengerdienst oder durch das Bereitstellen von Lernmaterial auf Lernplattformen (75%). Gemeinsames Lernen in Kleingruppen (41%) oder gar im Klassenverband (33%) fand während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 hingegen selten statt. Auch diesbezüglich zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Schulen in ländlichen und städtischen Gebieten: So wurden digitale Lern- und Kontaktformen in städtischen Gebieten deutlich häufiger eingesetzt als an Schulen im ländlichen Raum. Ein gemeinsames Lernen in Kleigruppen fand in den ländlichen Gebieten Deutschlands beispielsweise nur an 19 Prozent aller Schulen, ein gemeinsames Lernen im Klassenverband nur an 16 Prozent aller Schulen statt – in urbanen Gebieten hielten hingegen rund 40 Prozent aller Schulen auf diesem Wege Kontakt zu ihren Schülerinnen und Schülern.

"Wir sehen, dass die Schulen zu Beginn der Corona-Pandemie den Kontakt zu vielen Kindern in Deutschland über mehrere Wochen verloren haben.", so Marcus Pietsch, Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaften am Institut für Bildungswissenschaft, „dabei treten deutliche Stand-Land-Unterschiede zu Tage. Besonders brisant ist, dass es insbesondere auf dem Land anscheinend kaum gelungen ist selbst diejenigen Schülerinnen und Schüler, zu denen der Kontakt gehalten werden konnte, im Onlineunterricht zu beschulen.“

 „Die bundesweiten Schulschließungen stellen eine enorme Herausforderung für alle Schulbeteiligten dar und lassen deutliche Unterschiede zwischen Schulstandorten sichtbar werden. Onlineunterricht gehörte zu Beginn der Pandemie nicht zum Standard an Schulen in Deutschland und die nicht-digitale bzw. analoge Versorgung von Schülerinnen und Schülern mit Lernmaterialen zum Alltag vieler Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern. Dass es anscheinend insbesondere im ländlichen Raum Deutschlands nicht gelungen ist regelmäßigen Kontakt zu gewährleisten und Onlineunterricht zu ermöglichen, gibt zu denken. Es scheint wichtig, diese Schulen genauer in den Blick zu nehmen und zu klären, warum es hierzu gekommen ist und in wie weit dieses Problem ein Strukturelles ist, das durch zielgerichtete Investitionen, z.B. in die digitale Infrastruktur, behoben werden kann.“

Zum Hintergrund der Studie

Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil einer Ergänzung zur Studie Leadership in German Schools (LineS), die von den Universitäten Lüneburg (PD Dr. Marcus Pietsch) und Tübingen (Prof. Dr. Colin Cramer und Dr. Jana Groß Ophoff) sowie von der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (Prof. Dr. Pierre Tulowitzki) durchgeführt wird. Von April bis Juni 2020 wurden die hier ausgewerteten Daten während der ersten bundesweiten Schulschließungen im Kontext der Corona-Pandemie unter N = 306 zufällig ausgewählten Schulleitungen allgemeinbildender Schulen durch die forsa GmbH mittels Online-Fragebogen erhoben. Die Daten und Auswertungen sind Teil einer größeren repräsentativen Studie, die im Jahr 2019 unter Schulleitungen in Deutschland begonnen wurde. Von 405 der bereits im Jahr 2019 befragten Schulleitungen konnten 218 Schulleiterinnen und Schulleiter erneut erreicht werden. Diese Daten wurden um weitere 88 Datensätze von zusätzlich für die Erhebung gewonnenen Schulleitungen (Refreshment Sample) ergänzt.

Bericht zum Download

Hier finden Sie einen Kurzbericht zur Studie.