Melanie Ptatscheck forscht mit DAAD-Projekt in New York zu mentaler Gesundheit von Musiker*innen

„Die Leuphana hat mir von Anfang an Türen aufgemacht“

03.12.2024 Von außen betrachtet haben es Musiker*innen gut: Sie können sich den ganzen Tag mit dem beschäftigen, was sie lieben. Einige von ihnen aber leben in prekären Lebenssituationen und leiden unter mentalen Belastungen. Hier setzt Dr. Melanie Ptatscheck mit ihrer Forschung an der Leuphana an. Aktuell ist sie mithilfe des PRIME-Programms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in New York. Also da, wo die Kunst- und Kulturszenen besonders ausgeprägt sind.

©Melanie Ptatscheck
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Ob Musik, Theater oder Literatur, für all dies gilt laut dem Komiker Karl Valentin: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Melanie Ptatscheck weiß das aus eigener Erfahrung. Sie ist ausgebildet als klassische Konzertgitarristin, war später als Jazz-Bassistin unterwegs und arbeitet neben ihrer Forschung inzwischen als Singer-Songwriterin. Diese Erfahrungen fließen in ihre Forschungsarbeit ein. 

„Ich forsche auch autoethnografisch“, erläutert die Popularmusikwissenschaftlerin. Dies bedeutet, dass auch Erlebnisse und Erfahrungen aus der eigenen Biografie in der Forschung berücksichtigt werden – was die Wissenschaftler*innen, die mit dieser Methode arbeiten, transparent kommunizieren. „Ich werde im Zusammenhang mit meiner Forschung auch selbst als Straßenmusikerin performen“, ergänzt Ptatscheck, die nach ihrem Studium in Paderborn und Wien an der Leuphana Universität Lüneburg ihren Doktor gemacht hat. 

Während Arbeitsaufenthalten im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum in Berlin zum Ende ihrer Promotion verbrachte sie ihre Pause gerne am Vorplatz des Bodemuseums, einem beliebten Ort für Straßenmusiker*innen. Hier kam der Popular- und Gesundheitswissenschaftlerin die Idee zu ihrem Forschungsprojekt: „Ich genoss die Auftritte der Straßenmusiker*innen und fragte mich, wie sie selbst diese Situation wohl empfanden, vor welchem Hintergrund sie arbeiteten“, erinnert sie sich. Sie selbst hatte wegen der Belastungen, die mit dem Künstler*innenberuf in Verbindung stehen, von einer professionellen Musik-Karriere zunächst abgesehen. Auch diese Erfahrung brachte sie zu ihrem wissenschaftlichen Thema. 

In New York erforscht Melanie Ptatscheck die Lebensumstände von Straßenmusiker*innen und die Auswirkungen der Pandemie auf die Szene: Vor allem die persönlichen Herausforderungen der Künstler*innen stehen hier im Vordergrund, aber auch der strukturelle Bedarf der Szene nach Unterstützungsangeboten. Die Stadt an der Ostküste der USA gilt als ein Mekka der Straßenmusik, denn neben den vielen Auftrittsmöglichkeiten, die die berühmten Parks bieten, organisieren und fördern die städtischen Verkehrsbetriebe die Auftritte im System der U-Bahn. Die Musiker*innen erhalten beispielsweise nach einer Bewerbung die Erlaubnis in bestimmten Stationen zu spielen. 

„Die Leuphana hat mir von Anfang an Türen aufgemacht“, betont die Post-Doktorandin und spricht von der Unterstützung durch den Qualifizierungsfonds der Graduate School, dem Pro-Science-Mentoringprogramm und dem Leuphana Promotionsstipendium. Neben ihrer eigenen Forschung konnte sie bereits auf vielen Ebenen aktiv zum Universitätsleben der Leuphana beitragen: Sie hat das Festival „EXP(ear)IENCE“ federführend konzipiert und organisiert, eine Summerschool ausgerichtet und mehrere Seminare zu ihren Forschungsthemen angeboten. Diese stellt sie regelmäßig auf internationalen Konferenzen vor. Und als während der Pandemie vieles lahmgelegt war, hat sie das berufsbegleitende Masterstudium „Public health – Prävention – Gesundheitsförderung“ an der Leuphana begonnen und 2023 abgeschlossen. „Dadurch habe ich zu meiner musikwissenschaftlichen Expertise fundiertes Wissen im Bereich Gesundheit erhalten“, erläutert Melanie Ptatscheck. 

Die Station in New York ist nicht ihr erster Forschungsaufenthalt in den USA. Bereits für ihr Promotionsprojekt hat sie zwischen 2014 und 2018 mehrere Forschungsaufenthalte in Kalifornien verbracht, wo sie dem „Sex, Drugs, und Rock’n’Roll“-Mythos innerhalb der Popmusikgeschichte nachgegangen ist. Ihre biographische Forschung zu Selbstkonzepten und Suchentwicklung von heroinabhängigen Musiker*innen in Los Angeles wurde u.a. von der University of California Los Angeles (UCLA) und dem Goethe Institut LA unterstützt. Ihr Thema: Biografieforschung hinsichtlich Suchtentwicklung und Selbstwahrnehmung bei heroinabhängigen Musiker*innen in Los Angeles.

In dieser Zeit war sie auch in New York und erlebte einen Aha-Moment, als sie die dortige Straßenmusik-Szene näher kennenlernte. „Ab dem Zeitpunkt wollte ich mich unbedingt in meiner Forschung auch mit dieser Stadt befassen“, sagt Melanie Ptatscheck und ergänzt: „Diese Stadt klingt an allen Ecken und Enden.“ Und so entwickelte sie eine wissenschaftliche Fragestellung, mit der sie nun die urbane Musikszene in New York erforscht. 

Angegliedert ist dieses Vorhaben sowohl an der Leuphana Universität Lüneburg als auch an der New York University. Finanziell unterstützt wird es vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) innerhalb des Förderprogramms „Postdoctoral Researchers International Mobility Experience“ (PRIME). Das Programm ermöglicht einen zwölfmonatigen Aufenthalt im Ausland und eine sechsmonatige Re-Integrationsphase an einer deutschen Hochschule. Damit möchte der DAAD die internationale Mobilität in der Postdoktorandenphase fördern. Mittelgeber ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

In den kommenden Monaten führt Melanie Ptatscheck Interviews mit Straßenmusiker*innen. Die Erhebung allerdings sei nicht von Fragen und Antworten geprägt, sondern lasse sich eher als Gespräch beschreiben. So könne sie intensiver in die Lebenssituation der Musiker*innen hineinblicken und erhalte tiefere Erkenntnisse zu ihrem Wohlbefinden, erläutert Ptatscheck. 

Um Lebenssituationen geht es auch in dem Netzwerk für Early Career Women in den Popular Music Studies, das Melanie Ptatscheck gemeinsam mit Dr. Monika Schoop, Professorin für Musikwissenschaft an der Leuphana, gegründet hat. „Wir begleiten damit Frauen auf dem Weg in ihre wissenschaftliche Karriere und unterstützen sie“, erläutert Ptatscheck. 

Nicht nur international, auch im deutschsprachigen Raum ist Melanie Ptatscheck viel unterwegs. Vor und nach ihrer Promotion war sie Gastdozentin an zahlreichen Hochschulen tätig, wie der Universität Siegen, der Popakademie Baden-Württemberg, der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, der Universität Paderborn und der Hochschule Osnabrück, und erhielt 2020 eine Gastprofessur an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. 

Im Herbst kommenden Jahres wird Melanie Ptatscheck zurück sein an der Leuphana. Dann wird ihre sechsmonatige Re-Integrationsphase innerhalb der PRIME-Förderung starten. Aber – wie bisher auch – sie wird sicher ebenfalls an anderen Hochschulen aktiv sein, um ihr Thema weiter zu verfolgen und die Ergebnisse in die Breite zu tragen.