Julian Winter in einem weißen T-Shirt. ©© Wertvoll Fotografie, Petra Reger
Julian D. Winter beforschte für seine Bachelorarbeit einen Co-Working-Space mit ethnografischen Methoden: „Ich wurde Mitglied, um die Dynamik zu erfassen und die Motivation der Menschen zu verstehen."

Als Julian D. Winter seine Bachelorarbeit schrieb, war dies Teil seiner Datenerhebung für ein späteres Buchkapitel. Vier Wochen lang arbeitete er in einem neu gegründeten Co-Working-Space. Der Student wollte wissen, was die Entwicklung dieses kleinen Familienunternehmens beeinflusst. Eine Mutter und ihre Tochter hatten eine ehemalige Schreinerei zu Arbeitsräumen umgebaut. Julian D. Winter verwendete ethnografische Methoden, deren Ursprünge in der Anthropologie liegen. Die Idee der Ethnografie ist, dass Forschende bei sozialen Gruppen leben, um deren Lebensweise kennenzulernen. Deshalb wurde Julian D. Winter Teil des Co-Working-Spaces. „Ich wurde Mitglied, um die Dynamik zu erfassen und die Motivation der Menschen zu verstehen", sagt er. Während dieser vier Wochen notierte er seine Beobachtungen, Empfindungen und Gespräche. Außerdem führte er wissenschaftliche Interviews, zeichnete zeitliche Rhythmen auf und ordnete seine Eindrücke literarisch ein. „Für mich ist die teilnehmende Beobachtung eine spannende Methode. Ich arbeite gern mit Menschen zusammen und mich interessieren ihre Motive. Die theoretischen Hintergründe sind für mich aber genauso spannend. Gerade eigene Empfindungen müssen in der Sozialwissenschaft kontextualisiert werden.“

Julian D. Winter hat in seiner Bachelorarbeit Theorie, Methodik und Datenanalyse so gut kombiniert, dass seine Betreuerin Boukje Cnossen, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Cultural Entrepreneurship, ihm vorschlug, die Arbeit zu veröffentlichen. „Sie hat mich bei der Vorbereitung zur Veröffentlichung sehr unterstützt", sagt Julian D. Winter. Nun erscheinen seine Ergebnisse als Kapitel im „Research Handbook on Entrepreneurship as Practice“. In seinem Abschnitt diskutieren der Student und seine Betreuerin die Dichotomie zwischen Familiendynamik und Unternehmenszielen. Einerseits haben Familienunternehmen große Vorteile, weil die Gründer*innen oft über reine Geschäftsziele hinausblicken und sogar altruistisch handeln können. Auf der anderen Seite ist es für Familien aufgrund ihrer persönlichen Bindungen schwieriger, eine professionelle Rolle einzunehmen. 
Die Untersuchungen von Julian Winter haben gezeigt, dass nicht nur Menschen für den Erfolg verantwortlich sind. In dem neu gegründeten Co-Working-Space spielte die Katze der Gründerinnen eine integrierende Rolle. Die beiden Frauen konnten das Tier nicht allein zu Hause lassen und nahmen es mit ins Büro. Die Menschen kamen über die Katze miteinander ins Gespräch und schnell entwickelte sich das Tier zum Firmenmaskottchen. 

Auch Julian Winter konnte seine Beobachtungen und Ergebnisse mit den Gründern teilen. Es war nicht das erste Mal, dass der Bachelor-Kandidat ethnografische Methoden einsetzte. Er hatte bereits die Rollen von Ehrenamtlichen in einem Gottesdienst untersucht. Julian Winter engagiert sich selbst in einer Kirchengemeinde in Hamburg, wo er Musik macht und biblisch inspirierten Hip-Hop spielt. „Mich interessierte die Motivation der Ehrenamtlichen und wie das Gruppenerlebnis während des Gottesdienstes gestaltet wird. Professor Cnossen hat mir damals ein gutes und hilfreiches Feedback zu meiner Arbeit gegeben“, sagt Julian D. Winter. Der 23-Jährige hat bereits ein Musiknetzwerk gegründet und sieht sich beruflich im Bereich der Kulturorganisationen: „Die Forschung hat meine Denkweise verändert und meinen Blickwinkel erweitert.“