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Die Bedeutung von Bodenmikroorganismen für eine nachhaltige Landwirtschaft

29.09.2019 Die in­ten­si­ve Land­wirt­schaft hat zu ei­ner übermäßigen Ver­wen­dung von Mi­ne­raldüngern zur Stei­ge­rung der Pflan­zen­pro­duk­ti­vität geführt. Sie hat zu­dem enor­me wirt­schaft­li­che und öko­lo­gi­sche Fol­ge­kos­ten so­wie den Ver­lust der bio­lo­gi­schen Viel­falt ver­ur­sacht. Das Ver­ste­hen und Nutz­bar­ma­chen von Pflan­zen-Mi­kro­ben-In­ter­ak­tio­nen kann zu ei­nem viel ef­fek­ti­ve­ren Dünge­mit­tel­ein­satz in der Land­wirt­schaft führen.

Nach Be­rech­nun­gen der Ver­ein­ten Na­tio­nen wer­den im Jahr 2050 fast zehn Mil­li­ar­den Men­schen auf der Erde le­ben. Um die Welt­bevölke­rung zu ernähren, braucht die Land­wirt­schaft neue Ziel­set­zun­gen. Mi­ne­raldünger, die in mo­der­nen Agraröko­sys­te­men ein­ge­setzt wer­den, sind we­der ef­fi­zi­ent noch nach­hal­tig: „Die meis­ten Pflan­zen neh­men nur ei­nen Teil des aus­ge­ge­be­nen Düngers auf. Der Rest ge­langt ins Grund­was­ser; die Böden ver­sau­ern und Treib­haus­ga­se wer­den frei­ge­setzt", erklärt Dr. Amit Ku­mar. Der Öko­lo­ge aus der For­schungs­grup­pe von Prof. Vicky Tem­per­ton forscht da­her im Rah­men des For­schungs­pro­jekts „IN­PLA­MINT" in­ner­halb des BMBF-Pro­gramms ‚Bo­den als nach­hal­ti­ge Res­sour­ce’ (Bo­Na­Res) nach natürli­chen Bo­den­pro­zes­sen. Er fin­det sie in der Viel­falt der Kul­tur­pflan­zen und in den Böden selbst: „Wir wol­len die Wech­sel­wir­kun­gen des Pflan­zen-Bo­den Mi­kro­or­ga­nis­mus in Be­zug auf Düngung und Pflan­zen­leis­tung bes­ser ver­ste­hen. Bo­den­mi­kro­or­ga­nis­men ha­ben das Po­ten­zi­al, die Pflan­zen­leis­tung zu stei­gern. Wir wis­sen, dass be­stimm­te Bak­te­ri­en und Pil­ze das Wachs­tum von Pflan­zen fördern oder hem­men, aber wir ver­ste­hen nicht aus­rei­chend war­um. Im Mo­ment ist es noch oft als ob wir in ei­ner Black­box et­was mes­sen, doch wir wol­len viel wei­ter ge­hen", sagt Dr. Ku­mar. 

Die Er­geb­nis­se des IN­PLA­MINT-Kon­sor­ti­ums, zu dem auch Part­ner gehören, die sich mit Agro­no­mie, Mi­kro­bio­lo­gie, gasförmi­gen Emis­sio­nen und Öko­sys­tem­dienst­leis­tun­gen be­fas­sen, zie­len dar­auf ab, neue land­wirt­schaft­li­che Kon­zep­te zur Re­du­zie­rung des Dünge­mit­tel­ein­sat­zes bei gleich­zei­tig ho­hen land­wirt­schaft­li­chen Erträgen zu ent­wi­ckeln. So ist bei­spiels­wei­se aus der Agrar­pra­xis be­kannt, dass der An­bau im­mer wie­der glei­cher Kul­tu­ren den Er­trag deut­lich re­du­ziert. Der Grund dafür ist, dass sich be­stimm­te Bo­den­pa­tho­ge­ne an­sam­meln, wenn man die glei­che (Wirts-)Kul­tur kon­ti­nu­ier­lich an ei­nem Stand­ort an­baut. Ist ein sol­cher Pflan­zen-Bo­den-Feed­back Ef­fekt (PSF) stärker, wenn mehr My­kor­r­hi­za Pilz­ar­ten be­tei­ligt sind? Um dies zu be­ant­wor­ten, ha­ben Ku­mar und Tem­per­ton ein Gewächs­haus-Ex­pe­ri­ment mit Böden aus der In­den-Mine in Nord­rhein-West­fa­len ein­ge­rich­tet, die eine aus­ge­prägte my­kor­r­hi­zie­ren­de Pilz-Di­ver­sität be­her­ber­gen, und tes­ten, ob die mi­kro­bi­el­le Bo­den­sub­stanz oder die Wir­kung der ak­tu­el­len Pflan­ze die zukünf­ti­ge Pflan­zen­leis­tung auf dem­sel­ben Bo­den stärker be­ein­flusst. „Wir ha­ben dort Böden ge­sam­melt, da sie eine un­ter­schied­li­che mi­kro­bi­el­le Viel­falt auf­wei­sen, und wir wol­len die Aus­wir­kun­gen die­ser mi­kro­bi­el­len Viel­falt auf die pflanz­li­che Leis­tung er­fas­sen", erklärt Ku­mar.

Ku­mar hat bis­her fest­ge­stellt, dass so­wohl die Bo­den­sub­stanz als auch die ak­tu­el­le Kul­tur (Faba-Boh­ne oder Ha­fer) star­ke, aber un­ter­schied­li­che Aus­wir­kun­gen auf die spätere Pflan­zen­leis­tung ha­ben. Die­se Er­geb­nis­se so­wie wei­te­re Ex­pe­ri­men­te soll­ten es ermögli­chen, neue Ver­fah­ren des Frucht­fol­gen­ma­nage­ments vor­zu­schla­gen, die dann für ihre je­wei­li­ge Öko­sys­tem­dienst­leis­tung wei­ter ge­tes­tet wer­den.

Die For­schung auf die­sem Ge­biet ist kom­plex, da die pflanz­lich-mi­kro­bi­el­len Wech­sel­wir­kun­gen un­ter rea­len land­wirt­schaft­li­chen Be­din­gun­gen oft von der Um­welt be­ein­flusst wer­den. Dr. Ku­mar ar­bei­tet da­her auch auf ei­nem re­gulären land­wirt­schaft­li­chen Feld, auf dem er ver­schie­de­ne Kul­tu­ren in Mo­no­kul­tu­ren und in ei­nem "Zwei­er­team" an­baut. Die Aus­wahl der Pflan­zen für die­ses Misch­kul­tur-Ex­pe­ri­ment ba­siert auf den mu­tua­lis­ti­schen Wech­sel­wir­kun­gen der Pflan­zen mit be­stimm­ten Bo­den­mi­kro­or­ga­nis­men. Die­se neu­ar­ti­ge Idee wird uns Er­kennt­nis­se über die bes­ten Kom­bi­na­tio­nen von Nutz­pflan­zen für Misch­kul­tu­ren brin­gen, die den ma­xi­ma­len Nut­zen aus der Mo­bi­li­sie­rung von Res­sour­cen durch Mu­tua­lis­mus mit nütz­li­chen Bo­den­mi­kro­or­ga­nis­men zie­hen.  

Darüber hin­aus un­ter­sucht Ku­mar die Aus­wir­kun­gen von Bo­dennähr­stof­fen auf die ver­bor­ge­ne Hälfte der Pflan­ze, die Wur­zeln. Länge­re, dünne­re Wur­zeln eig­nen sich bes­ser zur Auf­nah­me von Nähr­stof­fen als kur­ze, di­cke Wur­zeln. Ku­mar un­ter­sucht, wie das Wur­zel­wachs­tum durch be­stimm­te Bo­dennähr­stof­fe be­ein­flusst wird, so dass später spe­zi­fi­sche Merk­ma­le von Züchtern ge­ne­tisch veränder­ter Pflan­zen aus­gewählt wer­den können, um neue Pflan­zen­sor­ten zu ent­wi­ckeln. 

Die­se zwei­te Pha­se des IN­PLA­MINT-Pro­jekts - die Stei­ge­rung der Ef­fi­zi­enz der land­wirt­schaft­li­chen Nähr­stoff­nut­zung durch Op­ti­mie­rung der pflan­zen- und bo­den­mi­kro­bi­el­len Wech­sel­wir­kun­gen - wird vom BMBF mit rund 317.000 Euro gefördert.

Amit Kumar ©Leuphana/Patrizia Jäger
Dr. Amit Ku­mar