Gründungserklärung
I
Wir erkennen an, dass wir in einer Zeit des Wandels leben. Eine Reihe miteinander verbundener sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und ökologischer Veränderungen vollzieht sich weltweit auf einem noch nie dagewesenen Niveau. Diese Veränderungen bedrohen langfristig nicht nur eine Reihe "planetarer Grenzen", sondern rücken auch das Thema der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit in den Vordergrund: Wie können wir eine nachhaltige Entwicklung innerhalb sicherer und gerechter Grenzen gewährleisten?
Wir betonen die Tatsache, dass die Nachhaltigkeitswissenschaft eine zunehmende Fähigkeit zur Analyse und zum Verständnis der zentralen Herausforderungen und ihrer Triebkräfte aufweist. Gleichzeitig antwortet die Gesellschaft auf diese Herausforderungen, indem sie eine globale Agenda von Zielen der nachhaltigen Entwicklung aufstellt. Die Süd-Nord-Beziehungen und die Verbindungen zwischen globalen und lokalen Sphären werden neu interpretiert und neu berücksichtigt. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung bietet jedoch nicht den Weg oder eine unverwechselbare Lösung, die leicht verfolgt werden kann. Die Nachhaltigkeitswissenschaft steht daher nicht nur vor der Herausforderung, ein noch nuancierteres Verständnis von Nachhaltigkeitsproblemen zu erzeugen, sondern muss auch dazu beitragen, mögliche Lösungen zu finden und zu erproben.
Wir sehen die Notwendigkeit gesellschaftlicher Lernprozesse zur Bewältigung dieser Herausforderungen und der ihnen innewohnenden Komplexität. Verschiedene Akteure rund um den Globus werden zu einem Übergang zur Nachhaltigkeit beitragen müssen. Dabei werden die Universitäten im 21. Jahrhundert eine wichtige Rolle in und für die Bürgergesellschaft spielen. Sie werden ihre Rolle und ihre Aktivitäten überdenken müssen um dazu beizutragen, Lösungen für und mit der Gesellschaft zu finden und zu erproben.
II
Wir erkennen an, dass die Suche nach Methoden für den Übergang zur Nachhaltigkeit ein ständiges wechselseitiges Lernen und Verhandeln erfordert. Diese Prozesse finden an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft statt. Die Wissenschaft muss daher neue Kommunikations- und Untersuchungsmethoden entdecken, während die Gesellschaft aufgefordert wird, sich für solche wechselseitigen Lernprozesse zu öffnen. Diese Lernprozesse finden sowohl zwischen Wissenschaft und Gesellschaft als auch zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden statt.
Wir verstehen, dass transdisziplinäres Lernen der Schlüssel zu einer nachhaltigen Entwicklung ist. Transdisziplinäres Lernen findet auf drei eng miteinander verknüpften Ebenen statt: (1) auf der Ebene des individuellen Lernens, auf der Schlüsselkompetenzen für Nachhaltigkeit entwickelt werden; (2) auf der Ebene des organisatorischen Lernens durch erfahrungsbasierte Zusammenarbeit; und (3) auf der Ebene des gesellschaftlichen Lernens durch soziale Interaktion.
III
Wir bekräftigen unsere tiefe Verpflichtung, transdisziplinäre Lernprozesse zu ermöglichen und zu fördern. Die gemeinsame Schaffung von Wissen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden steht im Mittelpunkt unserer Aktivitäten. Wir werden zu diesem Lernen beitragen, indem wir Lernprozesse entwerfen, durchführen und evaluieren, indem wir die Kapazitäten dafür aufbauen und indem wir aktiv Agenda-Setting betreiben.
Wir handeln in drei strategischen Arbeitsbereichen, um unserer Verpflichtung gerecht zu werden. Unser Forschungsschwerpunkt liegt auf transdisziplinärem Lernen für eine nachhaltige Entwicklung, und wir wollen evidenzbasierte Erkenntnisse über transdisziplinäre Lernprozesse und ihr Potential für eine nachhaltige Entwicklung liefern. Durch die Unterstützung von Praxisgemeinschaften und Netzwerken lokaler und regionaler Experten sowohl im Globalen Süden als auch im Globalen Norden mobilisieren wir aktiv die Kapazitäten von change agents. Wir bieten Beratung und Begleitung von Akteuren aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung in Fragen des transdisziplinären Lernens für nachhaltige Entwicklung.
IV
Wir laden die wichtigsten Interessenvertreter aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu einem offenen Dialog über Wege ein, die zu einem Übergang zur Nachhaltigkeit führen. Sinnvolles gesellschaftliches Lernen kann nur als gemeinsame Anstrengung über Grenzen hinweg und durch das Denken über den Tellerrand hinaus erfolgen. Es ist unsere Absicht, das Institut für Nachhaltige Entwicklung und Lernen als Vermittler gegenseitiger Lernprozesse über Grenzen hinweg und als einen wesentlichen Beitrag zu einer sicheren und gerechten Zukunft zu etablieren.
Unterzeichnet im September 2019.
Für das Institut für Nachhaltige Entwicklung und Lernen:
Prof.Dr. Matthias Barth, Prof.Dr. Daniel J. Lang, Prof.Dr. Gerd Michelsen
Für die Leuphana Universität Lüneburg als Gastgeber der ISDL:
Prof. (HSG) Dr. Sascha Spoun, Prof.Dr. Henrik von Wehrden
Für den Beirat, der die ISDL mit seinem Fachwissen unterstützt:
Rebecca Harms, ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments; Prof.em. Helga Kromp-Kolb, Universität für Bodenkultur (BOKU), Österreich; Prof.Dr. Heila Lotz-Sisitka, Rhodes University, Südafrika; Prof.Dr. Thomas Potthast, Universität Tübingen, Deutschland; Prof.em.Tan Sri Dato Dzulkifli Abdul Razak, International Islamic University, Malaysia; Prof.Dr. Imme Scholz, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Deutschland; Prof. Mirian Vilela, Earth Charter Center for Education for Sustainable Development