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Modellbasierte Bestimmung der aus wirtschaftlicher und logistischer Sicht geeigneten Auftragsabwicklungsstrategie (MoBAStra)

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Kurzbeschreibung

Die Wahl der Auftragsabwicklungsstrategie hat unmittelbaren und auch mittelbaren Einfluss auf wichtige wirtschaftliche und logistische Zielgrößen in Produktionsunternehmen. Exemplarisch sind Lieferzeit, Liefertermintreue bzw. -einhaltung, Rüstkosten oder Kosten für die erforderliche Kapazitätsflexibilität zu nennen. Mit dem Forschungsvorhaben MoBAStra werden Unternehmen bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich der Auftragsabwicklungsstrategie durch eine ganzheitliche Quantifizierung der Wechselwirkungen unterstützt, wobei die beiden grundlegenden Auftragsabwicklungsstrategien Make-to-Stock (MTS) und Make-to-Order (MTO) sowie Mischstrategien betrachtet werden.

 

Ausgangslage

Die Auswahl einer aus wirtschaftlicher und logistischer Sicht geeigneten Auftragsabwicklungsstrategie spielt zur Realisierung möglichst effizienter und verschwendungsfreier Produktionsprozesse eine grundlegende Rolle. In der Praxis entscheiden sich viele Unternehmen für eine Auftragsabwicklungsstrategie nach qualitativen Kriterien oder nach Erfahrungswerten zumeist pauschal für bestimmte Artikel und Auftragsarten oder fallweise für einzelne Aufträge. Die von der Wahl der Auftragsabwicklungsstrategie beeinflussten logistischen und wirtschaftlichen Zielgrößen sind jedoch entscheidend für den Unternehmenserfolg. Die Liefertermintreue bzw. -einhaltung und die Lieferzeit sind unmittelbar kaufentscheidende Kriterien für Kunden. Die Rüstkosten und die Auslastung der Produktionsbereiche (Mitarbeiter und Anlagen) wirken sich signifikant auf die Herstellkosten der Produkte und somit auf die Produktpreise aus. Die durch die Lagerhaltung von Fertigerzeugnissen sowie ggfs. Baugruppen oder sonstiger Halbfertigwaren erzeugten Bestandskosten wirken sich auf die Gemeinkosten des Unternehmens aus und sind somit direkt erfolgswirksam. Die Wahl der Auftragsabwicklungsstrategie beeinflusst folglich die Herstell- und Logistikkosten sowie die Logistikleistung und ist somit für die Wettbewerbsfähigkeit von größter Wichtigkeit. Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) existieren für die Herleitung solcher Entscheidungen jedoch meist keine eigenständigen Planungsabteilungen. Die Verantwortung liegt oftmals sogar bei Mitarbeiter/innen mit einem anderen Haupttätigkeitsfeld, denen folglich lediglich begrenzt Zeit und Erfahrung zur Verfügung stehen. In der Wissenschaft werden die Problemstellung der Auftragsabwicklungsstrategieauswahl und damit verbunden die Positionierung des Kundenauftragsentkopplungspunkts bereits seit Längerem untersucht. Zur Vereinfachung werden dabei jedoch oft Annahmen getroffen und entscheidungsrelevante Kriterien teilweise nicht berücksichtigt. Zudem finden sich in der Literatur nur vereinzelt Regeln zur Quantifizierung des Einflusses solcher Kriterien.

 

Zielsetzung

Ziel des Forschungsvorhabens MoBAStra war die Entwicklung eines umfassenden Entscheidungsunterstützungsmodells, welches dem Anwender ein nachvollziehbares, quantifiziertes Ergebnis zur Wahl der Auftragsabwicklungsstrategie liefert. Hierfür waren die Auswirkungen verschiedener Auftragsabwicklungsstrategien auf wettbewerbsrelevante Zielgrößen, wie z.B. Herstellkosten (Auslastung, Rüstkosten), Bestandskosten, Termintreue sowie die dafür erforderliche Kapazitätsflexibilität, zu quantifizieren, vorhandenen logistischen Modelle in Zusammenhang mit der Auftragsabwicklungsstrategie zu bringen und Modelllücken zu schließen.

 

Vorgehensweise

Dem Forschungsvorhaben lag folgende Arbeitshypothese zugrunde:

„Durch die Kombination verschiedener logistischer Modelle ist es möglich, die Auswirkung der Auftragsabwicklungsstrategie auf wirtschaftliche und logistische Zielgrößen allgemeingültig mathematisch zu modellieren. Unternehmen werden so befähigt, aufwandsarm eine ganzheitliche, transparente und wirtschaftliche Entscheidung bei der Wahl der Auftragsabwicklungsstrategie zu treffen.“

Um das beschriebene Forschungsziel zu erreichen, wurden im ersten Schritt einzelne bestehende mathematische Modelle erweitert und neue Modelle zur Beschreibung spezifischer Wirkzusammenhänge entwickelt. Hierfür wurden bestehende, in Wissenschaft und Praxis etablierte Modelle (bspw. Termineinhaltungskennlinien, Lagerkennlinien oder multikriterielle Losgrößenbestimmung) genutzt. Im zweiten Schritt erfolgte durch die gezielte Kombination verschiedener einzelner logistischer und betriebswirtschaftlicher Modelle die Entwicklung eines umfassenden und allgemeingültigen Gesamtmodells. Dieses Gesamtmodell ermöglicht die Quantifizierung der Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Auftragsabwicklungsstrategien und den resultierenden wirtschaftlichen und logistischen Zielgrößen. Die Umsetzung des Gesamtmodells in einen anwenderfreundlichen Software-Demonstrator ermöglicht Unternehmen, eigenständig ihre innerbetrieblichen Lieferketten zu analysieren und eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung hinsichtlich der Auswahl der Auftragsabwicklungsstrategie zu treffen.

 

Ergebnis

Im Ergebnis liegt ein theoretisches Gesamtmodell zur Entscheidungsunterstützung bei der Wahl der Auftragsabwicklungsstrategie sowie ein Software-Demonstrator vor, in dem das Gesamtmodell umgesetzt wurde. Durch die regelmäßige Einbindung des projektbegleitenden Ausschusses konnte dabei die Erfüllung KMU-spezifischer Anforderungen sowie die Benutzerfreundlichkeit sichergestellt werden. Unternehmen können den Software-Demonstrator anwenden, um unter Nutzung flächendeckend vorhandener Produkt-, Produktions- und Marktdaten, aus logistischer und wirtschaftlicher Sicht optimalen Auftragsabwicklungsstrategien zu bestimmen. Ausgangspunkt der Berechnung sind dabei Zielwerte der logistischen Leistungsfähigkeit. Bei MTO wird eine Ziel-Liefertermineinhaltung und bei MTS ein Ziel-Servicegrad für das Fertigwarenlager angenommen. Bei MTS kann dieser Ziel-Servicegrad über eine Bestandsdimensionierung erreicht werden. Bei MTO ist entsprechend der Prozessstabilität die Sicherheitszeit dermaßen zu dimensionieren, dass die gewünschte Liefertermineinhaltung erzielt wird. Über die Modellierungen der jeweils anfallenden Bestandskosten auf den verschiedenen Lagerstufen, der Rüstkosten entsprechend der produzierbaren Losgrößen in den entsprechenden kundenauftragsanonymen oder kundenauftragsspezifischen Teilen des Produktionsdurchlaufs sowie der etwaigen Verzugskosten bei Lieferverspätungen können die Kosten je Auftragsabwicklungsstrategie quantifiziert werden. Unter Prüfung verschiedener Anforderungen wie marktüblicher Lieferzeiten und maximaler Lagerverweildauern können die Auftragsabwicklungsstrategien eingegrenzt werden, unter denen die kostengünstigste Auftragsabwicklungsstrategie, mit der die Zielwerte der logistischen Leistungsfähigkeit erreicht werden können, gewählt werden kann.

Der Software-Demonstrator wird durch einen über den Projektumfang hinausgehenden Leitfaden ergänzt. Er unterstützt Unternehmen bei der Anwendung und erklärt die zugrundliegenden logistischen Modelle, um die Transparenz über das Zustandekommen der Ergebnisse sicherzustellen. Der Software-Demonstrator, der Leitfaden sowie Beispieldatensätze sind frei zugänglich. Hinweise zur Anwendung der Beispieldatensätze sind dem fünften Kapitel des Leitfadens zu entnehmen.

Der Software-Demonstrator sowie ergänzende Dateien können entweder in einem Gesamtpaket oder einzeln heruntergeladen werden:

-Download aller Dateien-

Download einzelner Dateien:

 

Veröffentlichungen

Heuer, T.; Maier, J.T.; Schmidt, M.; Nyhuis, P. (2020): Auslegung der Auftragsabwicklungsstrategie - Modellbasierte Entscheidungsunterstützung zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen, Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 115 (6), S. 399-404. DOI: doi.org/10.3139/104.112367

Maier, J. T.; Heuer, T.; Nyhuis, P.; Schmidt, M. (2020): Supporting the Decision of the Order Processing Strategy by using Logistic Models: A Case Study,  Lalic B., Majstorovic V., Marjanovic U., von Cieminski G., Romero D. (eds) Advances in Production Management Systems. The Path to Digital Transformation and Innovation of Production Management Systems. APMS 2020. IFIP Advances in Information and Communication Technology, vol 591. Springer, S. 343-350. DOI: doi.org/10.1007/978-3-030-57993-7_39

Maier, J.T.; Heuer, T.; Nyhuis, P.; Schmidt, M. (2021): The effects of hybrid order processing strategies on economic and logistic objectives. Procedia CIRP 96, pp. 266-271. DOI: doi.org/10.1016/j.procir.2021.01.085  

Heuer, T.; Maier, J.T.; Schmidt, M.; Nyhuis, P.  (2021): Eilaufträge logistisch beherrschen. Wt werkstattstechnik online 11(4), S. 185-189. DOI: doi.org/10.37544/1436-4980-2021-04-7

Maier, J.T.; Berger, S.; Heuer, T.; Nyhuis, P.; Schmidt, M. (2021): Decisions And Characteristics During The Development Process Of A Software Demonstrator. In: Herberger, D.; Hübner, M. (eds): Proceedings of the 2nd Conference on Production Systems and Logistics (CPSL 2021). Hannover: Institutionelles Repositorium der Leibniz Universität Hannover, pp. 514-523. DOI: doi.org/10.15488/11277   

Wolff, K.; Maier, J.T.; Heuer, T.; Nyhuis, P.; Schmidt, M.: Effects Of Different Order Processing Strategies On Operating Curves Of Logistic Models: A Comparison Of Make-to-Order And Make-to-Stock. In: Journal of Production Systems and Logistics 1 (2021), 18. DOI: doi.org/10.15488/11532    

Heuer, T.; Maier, J. T.; Busse, T. D.; Schmidt, M.; Nyhuis, P. (2021): Logistical Potentials of Load Balancing via the Build-up and Reduction of Stock, 2021 IEEE International Conference on Industrial Engineering and Engineering Management (IEEM), 2021, S. 264-269. DOI: doi.org/10.1109/IEEM50564.2021.9673063

Heuer, T.; Maier, J. T.; Schmidt, M.; Nyhuis, P. (2022): Fulfillment of Heterogeneous Customer Delivery Times through Decoupling the Production and Accelerating Production Orders, In: Herberger, D.; Hübner, M. (eds): Proceedings of the 3rd Conference on Production Systems and Logistics (CPSL 2022). Hannover: Institutionelles Repositorium der Leibniz Universität Hannover, pp. 564-573. DOI: https://doi.org/10.15488/12188

Maier, J.T.; Heuer, T.; Stoffersen, H.; Nyhuis, P.; Schmidt, M. (2022): Data based analysis of order processing strategies to support the positioning between conflicting economic and logistic objectivesThe effects of hybrid order processing strategies on economic and logistic objectives. Procedia CIRP 107, pp. 332-337. https://doi.org/10.1016/j.procir.2022.04.054

 

Sonstige Quellen

Könighofer, D. (2020): Make-to-Order oder Make-to-Stock?, In: Factory (10), S. 44-47. factorynet.at/artikel/make-to-order-oder-make-to-stock/

Bottler, S. (2022): Aufbruch für die optimale Auftragsabwicklung. In: BVL Magazin Eins 2022 (1), S. 32-33. www.bvl.de/magazin (nur für BVL-Mitglieder)

 

Kooperationspartner

Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Leibniz Universität Hannover

www.ifa.uni-hannover.de

 

Förderung

Das IGF-Vorhaben 20906 N der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Team

  • Prof. Dr.-Ing. Matthias Schmidt