Promotionsvorhaben

Sabine Stumpf, (Dipl.-Soz.)

 

Deliberative Bürgerbeteiligung in der deutschen Debatte um Priorisierung in der medizinischen Versorgung

Eine explorative Analyse von Potentialen und Grenzen einer regionalen Bürgerkonferenz

Abstract:

Am Beispiel einer Bürgerkonferenz (nach dem Vorbild der dänischen Konsensus-Konferenzen) zur Priorisierung in der medizinischen Versorgung sollen Potentiale und Grenzen deliberativer Bürgerbeteiligung für die Bearbeitung komplexer ethischer Fragestellungen exploriert werden. Hierzu wurde im Jahr 2010 in der Hansestadt Lübeck eine regionale Bürgerkonferenz mit 19 Teilnehmern durchgeführt. An vier Wochenenden haben die Teilnehmer über die aus ihrer Sicht wünschenswerten Grundwerte und Kriterien zur Priorisierung beraten und Empfehlungen zu möglichen Verfahren der Priorisierung im deutschen Gesundheitssystem erarbeitet. Dabei wurden sie von einem professionellen Moderator unterstützt. Die Teilnemer befragten insgesamt 9 Experten. Darunter waren ein deutsch-schwedischer Kardiologe, der an der Priorisierung in Schweden beteiligt war, ein Allgemeinmediziner, ein Transplantationschirurg, eine Politikwissenschaftlerin, ein Ethiker, ein Gesundheitsökonom und ein Sozialrechtler. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Teilnehmer in einem „Bürgervotum“ zusammengefasst und im Anschluss der Öffentlichkeit präsentiert.

Zur Analyse dieses modellhaften Diskurses werden Interviews mit den Teilnehmern vor und nach der Konferenz, sowie die Transkripte von Tonbandmitschnitten aller Plenumsdiskussionen während der Konferenz inhaltsanalytisch ausgewertet. Zudem sollen Informationen über die Außenwirkung der Konferenz durch einen Pressespiegel und eine postalische Befragung von etwa 300 Akteuren aus Politik, Gesundheitswesen und Wissenschaft, denen das Bürgervotum im Herbst 2010 zugesandt worden war, gewonnen werden.

Die Ergebnisse der Analysen sollen zum einen in die laufenden internationalen Diskurse zur Priorisierung in der Medizin eingeordnet werden, um einen möglichen inhaltlichen Beitrag der Lübecker Bürgerkonferenz zu identifizieren. Zum anderen kann die wissenschaftliche Diskussion über deliberative Demokratie in ihrer fortdauernden Entwicklung zur anwendungsorientierten, kontextsensiblen Theorie von den Ergebnissen der Evaluation profitieren. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach den Auswirkungen der behandelten Fragestellung auf den Verlauf sowie die Ergebnisse der deliberativen Prozesse im Rahmen der Bürgerkonferenz. Schließlich sollen Praxisempfehlungen für zukünftige deliberative Verfahren in ähnlichen Kontexten abgeleitet werden.

Publikationen:

Stumpf, S., Raspe, H. (2012) Deliberative Bürgerbeteiligung in der Priorisierungsdebatte: Welchen Beitrag können Bürger leisten? Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen; 106(6): 418-425

Raspe H., Stumpf S. (2012) Priorisierung im Gesundheitswesen 2012 – zum aktuellen Stand der Diskussion. Editorial.Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen; 106(6): 380-382

Friedrich, D.R., Stumpf, S., Alber, K. (2012) Stakeholderpartizipation und Priorisierung – eine Betrachtung des normativen Status quantitativer und qualitativer Methoden. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen; 106(6): 412-417.

Stumpf, S., Raspe, H. (2011) Über Priorisierung sprechen - insbesondere mit den Betroffenen. Deutsches Ärzteblatt; 108(7): 316-318.