HyperKult 20 »Trivialisierung«
7.-9. Juli 2011
Rechenzentrum / Institut für Kultur und Ästhetik digitaler Medien
Leuphana Universität Lüneburg
Scharnhorststr. 1 Geb. 7, Raum 215
21335 Lüneburg
veranstaltet von der Fachgruppe Computer als Medium im Fachbereich Informatik und Gesellschaft der Gesellschaft für Informatik e.V und Labor Kunst und Wissenschaft.
Computer sind so komplex, dass seit je ihr innerer Aufbau vor ihren Nutzerinnen und Nutzern hinter Interfaces versteckt werden musste, damit sie bedienbar wären. Zu diesem Zweck haben Software Engineering und Interfacedesign Strategien des Information Hiding und der funktionalen Segmentierung verfolgt. Systeme wie Doug Engelbarts NLS, Ivan Sutherlands Sketchpad, Alan Kays Dynabook, GUIs, der iTunes Store und das Cloud Computing sind Beispiele hochkomplexer Entwürfe, die große Einfachheit an ihrer Oberfläche zeigen. Ihre Nutzer müssen nicht verstehen, was sich tief im Systeminneren abspielt.
Doch über solcherart Vereinfachungen hinaus überraschen uns neuerdings mobile Geräte und ihre Berührungs-empfindlichen Monitore mit einem neuen Design-Modus: der Trivialisierung von Informationsverarbeitung. Geräte mit der Leistungsklasse von zehn Jahre alten PCs ohne Tastatur, Maus oder Kabeln, die eher wie Schokoriegel oder Schiefertafeln, der Ausstattung von Erstklässlern, aussehen, verführen uns dazu, wieder mit den Fingern zu malen und nach den Objekten unserer Begierde zu grabschen. Und wir sind's zufrieden und kaufen diese Dinger, millionenweise täglich. Es geht wieder ganz einfach zu, viel simpler, als wir es am PC je akzeptieren würden. Trivialisierte Nutzer betatschen glücklich, was sie vom Monitor zu verlangen gelernt haben. Haptik ersetzt Optik und Intellekt, als ob wir für den Verlust des Materiellen entschädigt werden müssten, den uns die Computer beschert haben. Und dies bringt uns die Wunder der Jetztzeit, etwa interaktive Medienkunst für 99 Cent das Stück im App Store. Ist noch wer überrascht? Ist das alles wirklich dermaßen trivial?
Dabei ist Trivialisierung alles andere als trivial. Programmierung bleibt eine Tätigkeit zwischen Kunst und Magie, und hier sehen wir neue Höhepunkte dieser Fertigkeiten, vor denen ein Erblassen in Ehrfurcht nicht verkehrt wäre.
Dieser Trend wirkt sogar in Informationssystemen im Großen, vor allem solchen höchster Akzeptanz: Googles Page Rank ersetzt Signifikanz; iPods wollen keine Computer sein; Facebook trivialisiert schlechterdings, was einmal Freundschaft hieß, und uns bleibt nur zu hoffen, dass alle dieses als Metapher verstehen; Cloud Computing stiehlt sich aus der Verantwortung für Daten.
Werden Computer zu trivialen Maschinen, der "love affair of the western culture", wie Heinz von Förster sie nannte? Ist nun das Feuilleton der Ort der Kritik des Digitalen, nicht mehr die Ecken der Assemblerprogrammierer? Braucht es keinen Durchblick mehr? Ist alles tatsächlich so trivial geworden?
Programm
Donnerstag, 7.7.2011
11:00 | Trivialität und Freiheit. Eine Menschenfassung der 1960er. Claus Pias und Jan Müggenburg Download |
11:45 | Gamification – Zur funktionalen Ausdifferenzierung von Spielformen und deren Rückwirkung auf das Spiel. Stefan Werning Download |
13:30 | Essenz, Vereinfachung, Trivialisierung? Minimalisierung als Methode. Michael Straeubig Download |
14:15 | Zur Zwangsläufigkeit eines Produktes Norbert Nowotsch Download |
15:30 | Faceshop – Ökonomische Erschließung der Freundschaft durch Facebook. Luca di Blasi Download |
16:15 | Online-Dating – Trivialisierung der Liebe oder kontemporäre Variante der Partnersuche? Julia Dombrowski Download |
18:00 | The Art of Engineering and the Engineering of Art Ivan Sutherland Download |
Freitag, 8.7.2011
10:00 | Triviale Instrumente – Mapping als Differenz? Arne Till Bense Download |
11:15 | Interface für Streichquartett ohne Menschen. Yasuhiro Sakamoto Download |
12:00 | Triviale Samples – Von der elektronischen Avantgarde in die Charts. Rolf Großmann Download |
13:45 | Taste und Finger. Anmerkungen zum Begriff des Digitalen. Till A. Heilmann Download |
14:30 | Zurück in die Kindheit – Infantilisierung im UI Design. Matthias Müller-Prove Download |
15:45 | »It's Just Common Sense«: Die Trivialisierung des Menschenverstands durch die Künstliche Intelligenz. Heinz-Günter Kuper Download |
16:30 | Möglich ist alles. Jörg Pflüger Download |
17:30 | Controller Jam Jörg Klußmann und Studierende Download |
Samstag, 9.7.2011
10:00 | Die »billige Pracht« der Sichtbarmachung – Die Geschichte grafischer Benutzeroberflächen zwischen Sehen und Verbergen – …oder: über Konjunkturen der (Bild)Kritik des Trivialen. Margarete Pratschke Download |
10:45 | »Lob der Oberflächlichkeit« – Für eine Philosophie der Benutzeroberfläche. Claudia Becker Download |
11:45 | Das Triviale ist komplex: wie viel »Realität« braucht die Realitätsbasierte Interaktion? Tanja Döring Download |
12:30 | concrete | conceptual | computational in art & trivialization in computing Susan Grabowski und Frieder Nake Download |
Abschlussrede Ivan Sutherland Download |
Präsentationen
»Es gibt Reis!« – Untersuchung der bildhaften Mischung von Substanzen aus dem Alltag für die Interfacegestaltung
Marius Brade, Rainer Groh, Dietrich Kammer, Mandy Keck
iSwagga
Lukas Grundmann, Marie Kemper, Tilman Kollin, Nora Unger
Interface Art vs. Interface Trivialization
Johannes P. Osterhoff
»http://e43517.net/«
Stefan Riebel
Alles nur Wörter
Hartmut Sörgel
Anreise, Informationen und Gebühren
Informationen zur Anreise finden Sie hier:
<link campus anfahrt.html external-link-new-window>Wege zur Universität
Für die Pausengetränke, gedruckte Materialien und das Rahmenprogramm bitten wir um einen Kostenbeitrag von 25 Euro, der bei der Anmeldung zu entrichten ist.
Für Studierende ist die Teilnahme kostenlos.
Bitte melden Sie sich unter hyperkult@uni-lueneburg.de zur Teilnahme an.
Informationen zur Unterbringung bietet www.lueneburg.de.
Organisation
- Rolf Großmann
- Claus Pias
- Martin Schreiber
- Mirko Thießen
- Martin Warnke
Programmkomitee
- Lena Bonsiepen (Berlin)
- Wolfgang Coy (Berlin)
- Rolf Großmann (Lüneburg)
- Wolfgang Hagen (Berlin)
- Jochen Koubek (Bayreuth)
- Andreas Möller (Lüneburg)
- Claus Pias (Lüneburg)
- Martin Schreiber (Lüneburg)
- Georg Christoph Tholen (Basel)
- Georg Trogemann (Köln)
- Anna Tuschling (Bochum)
- Martin Warnke (Lüneburg)