Studentische Forschungsprojekte

COLLECTive

Das Forschungskollektiv COLLECTive, bestehend aus Coco Rufer, Friederike Spiecker, Hannah Koerner, Jana Faßbender und Luca Marie Tüshaus, haben wir Anfang 2021 als Reaktion auf eine Ausschreibung des bei der documenta fifteen involvierten Künstlers reinaart vanhoe begründet. Als Forschungsgegenstand gelten uns die Organisationsstrukturen und Arbeitsmethoden der documenta fifteen.

Diese nächste Edition der documenta, die 2022 für 100 Tage in Kassel stattfinden wird, wird derzeit in Kollaboration der documenta gGmbH mit der künstlerischen Leitung ruangrupa organisiert. Erstmals wird mit dem indonesischen Künstler*innenkollektiv eine Edition der documenta kollektiv kuratiert. 

Da jede documenta in ihrer kuratorischen und organisatorischen Aufstellung für sich steht, wollen wir die ihr eigenen Dynamiken erforschen, dokumentieren und praktizieren. Erkenntnisse erlangen wir durch ein experimentelles und exploratives Forschungsvorgehen und bewegen uns dabei zwischen Theorie, Ethnographie und künstlerischem Arbeiten. Unser Forschungsvorhaben realisieren wir derzeit vorrangig durch Interviews mit Beteiligten der documenta, die wir bisher sowohl digital als auch in Persona in Kassel durchführen. 

Wir fühlen uns der Vorstellung verpflichtet, dass Wissen vor allem in seiner Anwendung fruchtbar wird. Der Erkenntnisgewinn findet für uns somit nicht lediglich durch das Sammeln von inhaltlichen Informationen statt, sondern auch durch unsere eigene Praxis der Selbstorganisation als Kollektiv. ruangrupas Konzept des lumbung, das ein entscheidendes Element im Gesamtkonzept der documenta fifteen bildet, steht für einen kollektiven Impetus, der sich auch in unserer eigenen Entscheidungsfindung und Ressourcennutzung manifestiert. Folgenden Charakteristika von lumbung fühlen wir uns dabei besonders verpflichtet: “providing space and exploring ideas”, “collective decision making”, “practicing assembly and meeting points”, “melting pot for and from everyone’s thoughts energies and ideas”.

Unsere Tätigkeit ist durch eine starke Prozesshaftigkeit gekennzeichnet, die mit einem “will to unlearn‘‘ einhergeht, also das Verlernen bestehender Wissens- und Handlungsmuster entschieden mitdenkt. Dazu zählt für uns auch, Wahrheit nicht als absolut zu verstehen, sondern vielmehr multiperspektivisch, und so zu einer Demokratisierung von Wissen beizutragen. Unsere reflektierte Selbstverortung ist hierfür ebenso zentral wie eine Sensibilität für Machtstrukturen im Innen und Außen. Das bedeutet konkret: Wir zeigen in unseren Prozessen transparent, wo wir stehen, so wie wir uns wünschen, Transparenz von unserem Gegenüber zu erfahren.

Die Relevanz unseres Projektes lässt sich auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene erkennen. Zum einen wird unser Vorhaben durch eine hohe intrinsische Motivation getragen. Diese wird durch eine Vision gespeist, unsere persönliche Perspektive als Studentinnen des Masters Culture & Organization auf kollektive Organisationsprozesse nachhaltig zu verändern. Auch das Schaffen eines Netzwerkes und das Sammeln persönlicher Erfahrungen spielen dabei eine Rolle. Auf gesellschaftlicher Ebene ist unser Projekt in vielfacher Hinsicht relevant. Die Signifikanz ergibt sich zum einen aus dem Stellenwert der documenta als einflussreiche Instanz in der Sphäre zeitgenössischer Kunst und als mitgestaltende Akteurin der Stadt Kassel im Allgemeinen. Zum anderen kann die documenta fifteen im Spezifischen als mögliche Wegbereiterin für neue Organisationsformen an der Schnittstelle zwischen etablierter Institution und neuen Formen kollektiver Zusammenarbeit in den Blick genommen werden.