Alexa Seewald

Titel (Dissertationsprojekt)

Die Potenziale einer lesbischen Heterotopie für eine genderlose Zukunft

Abstrakt (Dissertationsprojekt)

Im Rahmen meiner Doktorarbeit erforsche ich auf der griechischen Insel Lesbos die lesbische(n) Frauengemeinschaft(en) im und um das griechische Doppel-Dorf herum, bestehend aus einem Sommer- und einem Winterdorf gleichen Namens: Eressos. Mein Fokus liegt hierbei auf der 40-jährigen Geschichte der homosexuellen „Community“. Die Interdependenz dieses internationalen Netzwerkes von Frauen mit lesbischer Identität und dessen geografisches und ideelles Epizentrum Eressos definiere ich als Heterotopie und beschreibe seine Funktionsweisen, Mechanismen und Strukturen.

Weitere Gruppen und Nebenheterotopien mit relevanten Verwebungen mit der von mir beschriebenen lesbischen Heterotopie sind folgende: ein Afroz-Meditationszentrum mit internationalen spirituellen Anhängern vom indischen Guru Osho, ein Sportferiendorf namens Aeolian Village Beachclub mit britisches Pauschalreisenden des Anbieters Neilson, das griechische Doppeldorf mit seinen Bewohner_innen, diverse nationale und internationale Strandtourist_innen, wilde Camper_innen, Studierende und Flüchtlingshelfer_innen die für ein Wochenende aus der Hauptstadt zur Erholung kommen, um die hundert europäische Expats und Aussteiger und Naturanhänger die im umliegenden Tal namens Kámpos zwischen dem Sommer und dem Winterdorf leben.

Die „lesbische Community“ ist per se keine „Community“ im Sinne einer Gemeinschaft oder einer homogenen Gruppe mit dauerhaftem Aufenthaltsort. Die Untersuchung und Beschreibung der Allianzen zwischen den (lesbischen) Frauen*, die aus allen Kontinenten der Welt für unterschiedliche Aufenthaltszeiträume und mit unterschiedlicher Regelmäßigkeit nach Eressos kommen, macht einen Hauptteil meiner Arbeit aus. Ich analysiere hierbei fünf Untergruppen und ihre Beziehungen zwischen den Gruppen und zeige damit auf, wie gerade die Existenz und Interdependenz dieser fünf Gruppen wesentlich zum Funktionieren der Heterotopie beitragen.

In der Tradition der Queer-Theory/(-ien) arbeite ich von den Rändern der Gesellschaft nach innen. Statt eine stigmatisierte Minderheit pathologisierend zu beschreiben, rücke ich sie in den Fokus meiner Forschung und untersuche deren Potenziale.

Der theoretische Rahmen meines Dissertationsprojektes bilden die bereits erwähnten Gender-/Queer-Theorien und der soziale Konstruktivismus nach Berger/Luckmann.

Die gewählte Methode zur empirischen Datenerhebung ist eine ethnografisch-soziologische Feldforschung, deren Säulen die folgenden drei Methoden sind: Quellenanalyse, die teilnehmende Beobachtung und Befragung.

Die teilnehmende Beobachtung über einen mehrmonatigen Zeitraum ist hierbei das Schlüsselwerkzeug, um die Mechanismen der Verflechtungen und der Ausgrenzungen dieser unterschiedlichen Netzwerke herauszuarbeiten. Diese bilden die Grundlage für die Analyse der Struktur der lesbischen Heterotopie und deren wichtigsten Funktionsweisen.

Neben der teilnehmenden Beobachtung bildet die Befragung von Informand_innen aus den unterschiedlichen Netzwerken rund um die Heterotopie den methodischen Schwerpunkt zur Datenerhebung. Die hierbei von mir verwendete Interviewmethode ist eine explorativ-qualitative semi-strukturierte Befragung mit Leitfragen und einem darauffolgenden offenen Hauptteil mit Gesprächscharakter. Eine quantitative online Umfrage wird zur Verifizierung der Repräsentativität der gewonnen Erkenntnisse die Feldforschung abschließen.

Mich interessieren bei meiner Forschung vor allem die soziale Konstruktion von Geschlecht und Geschlechterrollen und deren gesellschaftlichen Folgen, sowie mögliche Alternativen zu einem binär-heteronormativen Denken.

Das Ziel meiner Forschung ist es über die Analyse dieser lesbischen Heterotopie ihre Mechanismen herauszukristallisieren, die einer nicht-lesbischen Mehrheitsgesellschaft Lösungsvorschläge und Auswege aus gesellschaftlich tief internalisierten, patriarchal-heteronormativen Strukturen anbieten können. Kurz: Was kann die Welt von lesbischen Frauen lernen?