Bachelor Kulturwissenschaften Vertiefung Kultur- und Sozialtheorie

Nicht nur Kunst, Musik, Literatur oder Wissenschaft, sondern auch jede Form der Alltagspraxis ist als „Kultur“ historisch geworden und wird stets neu hergestellt. Kurz: Kultur beginnt mit der Art und Weise sich zu bewegen, zu denken, wahrzunehmen, aber auch wie sich komplexe Beziehungen zwischen Dingen, Menschen und der Umwelt (z.B. von Handy, User, und Minen zur Metallgewinnung) entspannen. Gerade Alltagskultur (von der Esskultur bis zum Mobilitätsverhalten), Populärkultur (von Pop bis zu Serien) und Medien (vom Buchdruck bis zur App), aber auch konkrete Aspekte wie Organisation, Interkulturalität, Urbanität, Arbeit, Migration, Formen der Gemeinschaft oder Geschlechterverhältnisse gehören daher zum Gegenstandsbereich der kulturwissenschaftlichen Forschung.

Das Vertiefungsfach Kultur- und Sozialtheorie zielt auf die Kompetenz, implizite Annahmen und Interessen zu erkennen – sowie aktiv selbst unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Dies gelingt durch die Verbindung soziologischer und philosophischer Konzepte der Kulturanalyse, der Untersuchung empirischer Gegenstände sowie Ansätzen der Kritik und Rhetorik.

Die Erarbeitung und Anwendung kulturtheoretischer Ansätze befähigt zur konkreten und kritischen Analyse kultureller Zusammenhänge. Sowohl das Verstehen wie ein versierter Umgang mit komplexen kulturellen Sachverhalten bildet eine der Schlüsselkompetenzen des Vertiefungsfachs und sie lassen sich in vielfältigen Arbeits- und Produktionszusammenhängen einbringen. Knapp gesagt: man lernt kritisch zu denken, komplexe Verhältnisse zu erkennen, zu lesen und zu hinterfragen sowie mit Sprache und Text, Bild und Ton versiert und pointiert umgehen zu können. Die Kultur- und Sozialtheorie eignet sich als eigenständiger inhaltlicher Schwerpunkt ebenso wie als Meta-Kompetenz zur Kombination mit anderen Gegenständen wie Medien, Management, Kunstorganisation oder Bildung.

Themen

Aus kultursoziologischer Perspektive steht dabei das gesellschaftliche Zusammenleben im Mittelpunkt. Wie können soziale Akteure soziale Strukturen, deuten, beeinflussen oder verändern – und wie bringen soziale Strukturen gerade bestimmte Subjekte und Rollen hervor (den „Unternehmer seines Selbst“?, die „Mutter und Hausfrau“? den „underdog“?). Welche Entwicklungslinien ermöglichen erst bestimmte gesellschaftliche Rahmenbedingungen (die Ökonomisierung, Urbanisierung, Verrechtlichung, Vergesellschaftung, Kulturalisierung, Verwissenschaftlichung, aber auch Demokratisierung der Gesellschaft)? Wie entstehen quasi-objektive gesellschaftliche Sinnstrukturen (die über Sprachregelungen, Rituale und Symbole soziale Verhältnisse reproduzieren) und in welchem Verhältnis stehen sie zur Materialität der Gesellschaft (zum Beispiel zu Eigentumsverhältnissen und kulturellen Artefakten, zu Infrastrukturen und Technologien, zu Mobilitäten und Zirkulationen, oder zur Stadtentwicklung und zur Natur)?

Aus kulturphilosophischer Perspektive ist das Verhältnis von kritischem Denken und kultureller Praxis der Ausgangspunkt. Die Kulturphilosophie fragt nach den Entstehungsbedingungen der kulturellen Formen und entwickelt einen reflektierenden Zugang zu kulturellen Phänomene. In diesem Sinne ist Kulturphilosophie immer in Verbindung mit den kulturellen Gegenständen, die sie untersucht zu verstehen, sprich einer aktiven Arbeit an und mit Begriffen. Im Fokus steht die historische, sowie auf aktuelle Debatten der Philosophie eingehende Hinterfragung des Menschen im Verhältnis zu Natur und Kultur, die Kritik des Naturalismus, die Ausprägungen und Kritik von Macht als Teil von Kultur und die sich hier anschließende Unterwerfung unter kulturelle Imperative (z.B. der Begriff Leitkultur). Kulturphilosophie erfasst auf begrifflicher Ebene Phänomene wie die Entwicklung von Gesellschaftsformen und deren Strukturen, mediale Dimensionen von Kommunikation und Wahrnehmung, die Kultur- und Kreativitätsindustire, Ästhetik und die Produktion von Subjektivität.

Die Lektüre klassischer Texte und Positionen ist dabei hilfreich, um Argumentationsfiguren kennen- und identifizieren zu lernen, das historische Gewordensein aktueller Positionen zu verstehen und eigenes Wissen zu reflektieren.

Die Perspektiven der Kultur- und Sozialtheorie sind eingebettet in eine Reflexion und Anwendung von Zugängen der Kritik und Rhetorik. Das Erfassen von kulturellen Verhältnissen ist Ausgangspunkt von Gestaltung. Praktisch orientierte Textanalyse und Textkritik, Begriffsarbeit sowie Analyse und Praxis freier Rede sind mithin ein wichtiges ergänzendes Element des Vertiefungsfachs. Damit fördert Kultur- und Sozialtheorie komplexe Sachverhalte zu verstehen, zu kommunizieren und diese Kenntnis von Denkweisen  aktiv in unterschiedliche kulturelle Felder einzubringen. Analytische und sprachliche Kompetenzen, interkulturelles Verstehen, Kritik und Handlungsfähigkeit werden gestärkt.