Humboldt-Forschungsstipendiat: Dr. Ayo Osisanwo

Macht und Medien

13.03.2023 Der erfahrene Wissenschaftler beschäftigt sich mit der Darstellung von Gewalt und Terror in nigerianischen Medien. Als Gastwissenschaftler forscht er am Institut für Anglistik. Seine Arbeit soll den Aspekt der menschlichen Sicherheit und die Komplikationen der Sicherheit in Zeitungsberichten aufdecken und dazu beitragen, dass sich die Menschen in Nigeria sicherer fühlen.

Humboldt-Forschungsstipendiat: Dr. Ayo Osisanwo ©Leuphana/Marie Meyer
Humboldt-Forschungsstipendiat: Dr. Ayo Osisanwo ©Leuphana/Marie Meyer
Humboldt-Forschungsstipendiat: Dr. Ayo Osisanwo ©Leuphana/Marie Meyer

Es vergeht kaum ein Tag in Nigeria, an dem die Presse nicht über Terror, Anschläge oder bewaffnete Auseinandersetzungen berichtet. Zu den gewalttätigen Gruppen gehört unter anderen die islamistische Terrormiliz Boko Haram. Seit Jahren kämpfen auch sesshafte Bauern im sogenannten Hirtenkrieg gegen nomadische Bauern, die ihre Herden auf fremdem Land weiden lassen. Hinzu kommen Entführungen und Anschläge: „Die Regierung hat es nicht geschafft, die Situation unter Kontrolle zu bringen", sagt Dr. Ayo Osisanwo

Der nigerianische Linguist forscht am Institute of English Studies über die Darstellung von Gewalt und Sicherheitsbedrohung in nigerianischen Zeitungen. „Die Wahl der Sprache kann Konflikte entschärfen, aber auch anheizen", sagt Ayo Osisanwo. Der Wissenschaftler wird von Oktober 2022 bis März 2024 durch das George Forster-Stipendium für erfahrene Forschende der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert. Das Stipendium richtet sich an erfahrene Wissenschaftler*innen, insbesondere aus dem globalen Süden. Mit dem Stipendium erhält er finanzielle und ideelle Unterstützung: „Zum einen profitiere ich von dem großen Netzwerk der Stipendiat*innen. Zum anderen habe ich Zugang zu allen deutschen Bibliotheken und kann meine Forschungskompetenzen durch den internationalen Austausch in der Arbeitsgruppe von Professorin Anna Barron erweitern." Am Institut für Anglistik hat er außerdem Zugang zu einer Software, mit der er bestimmte Wörter in Texten identifizieren kann: „Oft verrät die Häufigkeit eines Wortes etwas über die ideologische Ausrichtung eines Textes", sagt Ayo Osisanwo.

Methodische Grundlage seiner Arbeit ist die kritische Diskursanalyse. Der Forscher vergleicht Berichte, Kommentare und Leitartikel: „Letztere ermöglichen es uns, die Haltung der jeweiligen Zeitungen zu verstehen und einzuordnen", erklärt Ayo Osisanwo. Der Fokus liegt dabei vor allem auf dem Verhältnis von Sprache und Dominanz: „Es gibt ein Machtspiel zwischen dem Nachrichtenproduzenten und dem Leser. Mit der kritischen Diskursanalyse können wir feststellen, wer die Erzählung und das Denken bestimmt", erklärt der Linguist.

Allein um Zeitungen zu verkaufen, werden Schlagzeilen geschärft, erklärt der Forscher: „Die Medien wollen, dass wir sie lesen." Dann heißt es zum Beispiel "Mord" statt "töten", obwohl der juristische Sachverhalt noch nicht geklärt ist. Oder es wird "gejammert", statt etwas nur zu "behaupten". Auch Bilder sind Teil des Narrativs, wie zum Beispiel bei der Berichterstattung über Boko Haram: Es werden maskierte und bewaffnete Kämpfer, zerstörte Dörfer und verzweifelte Menschen gezeigt: „Die visuellen Darstellungen in den Zeitungen beeinflussen kognitiv und imaginativ die Erfahrungen der Leser*innen mit den Aktivitäten der Terroristen. Die Bilder implizieren, dass die Regierung nicht ausreichend in der Lage ist, das Problem allein zu bewältigen".

Der Wissenschaftler untersucht, ob die Behauptungen in den Artikeln in ihrer sprachlichen Darstellung wahr sind: „Zeitungen sind nicht neutral. Daher spielen die Medien eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung oder Beendigung der Sicherheitsherausforderungen in Nigeria", schließt Ayo Osisanwo.

Dr. Ayo Osisanwo studierte Englisch an der Obafemi Awolowo University, Ile-Ife (Ondo Chapter), Nigeria, und schloss sein Studium 2002 mit einem Bachelor-Abschluss in englischer Pädagogik ab. Im Jahr 2006 erwarb er einen Master-Abschluss in Diskursanalyse und Stilistik an der Universität von Ibadan, Nigeria. Im Jahr 2011 wurde er im Bereich Diskursanalyse promoviert. Er begann seine Laufbahn am Adeyemi College of Education in Ondo, bevor er 2013 als Junior Lecturer an die University of Ibadan in Ibadan berufen wurde, wo er 2019 zum Senior Lecturer ernannt wurde. Von 2015 bis 2016 war er als Linguist Postdoctoral Fellow des African Humanities Programme/American Council of Learned Societies an der School of Journalism der Rhodes University in Südafrika tätig. Im Frühjahr 2022 unterrichtete Ayo Osisanwo außerdem als Senior Lecturer und Leiter der Abteilung für Englisch an der Chrisland University, Abeokuta, Nigeria (im Rahmen eines Sabbaticals). Ayo Osisanwo veröffentlicht u. a. über die mediale Darstellung von Themen wie Wahlen, Terrorismus, Gewalt (gegen Frauen) und Covid-19.