Bildungsforschung: Mehr Chancengleichheit durch KI?

Welche Möglichkeiten und welche Herausforderungen Lehrende beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre sehen

29.11.2024 Wie Lehre mit KI-Technologien gestaltet werden kann, haben Prof. Dr. Dana-Kristin Mah und Dr. Nele Groß erforscht. Mit einem Onlinefragebogen und ihren Analysewerkzeugen gerüstet, befragten die Bildungswissenschaftlerinnen 122 Lehrende in ganz Deutschland. Ihre Studie hält Empfehlungen für eine erfolgreiche und nachhaltige digitale Transformation der Hochschullehre bereit.

©Leuphana/Ciara Charlotte Burgess
Dr. Nele Groß, Postdoc am Arbeitsbereich für Bildungsmanagement und Qualitätsentwicklung, sowie Prof. Dr. Dana Mah, Professorin für digitales Lehren und Lernen

Wird Künstliche Intelligenz (KI) die Menschheit ersetzen oder im Alleingang die Welt zu einem besseren Ort machen? Science-Fiction wie Blade Runner, Matrix, Her oder I Am Mother thematisieren KI-bezogene Sorgen und Hoffnungen, wobei sie utopische oder dystopische Szenarien entwerfen. Denken Hochschullehrende an ähnliche Chancen und Herausforderungen? Und warum ist es wichtig, danach zu fragen? Dana-Kristin Mah und Nele Groß sehen in der Berücksichtigung der Lehrenden-Perspektive eine wichtige Stellschraube, um die Studienqualität durch den Einsatz von KI kontinuierlich zu verbessern. „Aus verschiedenen Studien wissen wir, dass Studierende diverse KI-Tools ausprobieren. Diese Perspektive ist wichtig, was bisher aber wenig erforscht wurde, ist die Einstellung von Lehrenden gegenüber KI-Technologien“, erklärt Dana-Kristin Mah, Juniorprofessorin für Digitales Lehren und Lernen.

Herausgefunden haben die Forscherinnen des Instituts für Bildungswissenschaft (IBIWI), dass die Befragten das größte Potenzial in der Erhöhung der Chancengleichheit sehen: Die Bedürfnisse und Voraussetzungen von Lernenden sind oft sehr unterschiedlich und es gibt z. B. KI-Systeme, die Lerninhalte personalisieren können. Sie passen sich an den jeweiligen Lernfortschritt an, stellen entweder Wiederholungen zur Verfügung oder schlagen neue Inhalte vor, je nach Lerntempo. Prof. Mah betont allerdings, dass KI auch zu mehr Bildungsungerechtigkeit führen kann. Der digital devide, also die Schere zwischen Personen, die z. B. Zugang zu kostenpflichtigen KI-Tools haben oder eben nicht, kann größer werden. Hierbei stellt sich die Frage, wer sich die Anwendungen leisten, wer teilhaben kann: „Ein zentrales Anliegen ist uns, beide Seiten abzuwägen. Es geht nicht um Utopie oder Dystopie, sondern darum, wie wir zu einem ausgewogenen Verhältnis kommen.“

Als eine der größten Herausforderungen zählen laut der Befragten neben ethischen Fragen die KI-Kompetenzen der Studierenden ebenso wie der Lehrenden selbst. Es gibt eine große Bandbreite an Tools, die viele Lehrende gar nicht kennen bzw. kann die Technologie auch sehr voraussetzungshaft sein. Die Ergebnisse der Studie helfen dabei, passgenaue Schulungen für Lehrende anzubieten, in denen auch Ängste ernst genommen werden. KI-basierte Tools sollen Lehrende nicht ersetzen, sondern können in Studium und Lehre unterstützen. Zentral ist der informierte, kritisch-reflektierte und verantwortungsvolle Einsatz von KI. 

In der Weiterbildung sollte es zudem nicht nur um einzelne KI-Tools gehen, sondern um die Fragen, was KI eigentlich ist, welche Anwendungsmöglichkeiten bestehen und welche Tools KI-basiert funktionieren, also nicht nur ChatGPT. Nele Groß, Postdoc am Arbeitsbereich für Bildungsmanagement und Qualitätsentwicklung, erklärt dazu: „Im Fragebogen haben wir dies präzisiert und nicht nur allgemein gefragt, wie oft KI verwendet wird, sondern die Vielfalt von KI-basierten Tools zunächst erläutert (z. B. Navigationssysteme auf dem Smartphone, Übersetzungstools). Damit wollten wir vermeiden, dass die Antwort fälschlicherweise lautet: „Ich nutze nie KI“, da vielen Menschen gar nicht bewusst ist, welche Anwendungen tatsächlich auf KI-Technologien basieren.“

Auch Datenschutz ist ein wichtiges Thema. Die Forscherinnen empfehlen, sich unabhängiger von US-amerikanischen Unternehmen zu machen und europäische Lösungen sowie Open Source-Möglichkeiten anzuschauen. Hierzu müssen Forschung und Entwicklung weiter ausgebaut werden. An der Leuphana arbeiten Wissenschaftler*innen daher interdisziplinär und fakultätsübergreifend zusammen. Wie das aussehen kann, können Studierende u. a. beim Tag der Lehre im Frühjahr 2025 erfahren. Dort wird es einen gemeinsamen Stand von Prof. Dr. Dana-Kristin Mah mit Kolleg*innen aus der Fakultät M&T geben.

Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten International Journal of Educational Technology in Higher Education veröffentlicht, das den Fokus auf Bildungstechnologien im Hochschulkontext legt. Der Artikel wurde bereits über 4.900-mal abgerufen (Stand November 2024) und macht die Arbeit der Leuphana-Forscherinnen somit auch international sichtbar.

Kontakt

  • Dr. Nele Groß
  • Prof. Dr. Dana-Kristin Mah