Interview mit Prof. Holterhus im Verfassungsblog
11.06.2025 Im Interview mit dem Verfassungsblog äußert sich Prof. Dr. Till Patrik Holterhus zu den jüngsten Entscheidungen des VG Berlin zur Zurückweisungspraxis an der Grenze – und ordnet deren rechtsstaatliche Tragweite ein.

„Der Rechtsstaat ist auf eine redliche Verwaltung angewiesen“ — Interview mit Prof. Holterhus im Verfassungsblog
Im Lichte dreier vielbeachteter Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin, die die Zurückweisung somalischer Asylsuchender an der deutsch-polnischen Grenze für rechtswidrig erklärten (Beschl. v. 02.06.2025, Az. 6 L 191/25 u.a.), hat der Verfassungsblog am 6. Juni 2025 ein Interview mit Professor Dr. Till Patrik Holterhus, Inhaber der Professur für Internationales Öffentliches Recht an der Leuphana Law School, veröffentlicht.
Unter dem Titel „Der Rechtsstaat ist auf eine redliche Verwaltung angewiesen“ analysiert Professor Holterhus darin die rechtliche Tragweite der Entscheidungen sowie die Reaktionen der Bundesregierung auf die verwaltungsgerichtliche Kritik. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Frage, ob das Verhalten des Bundesinnenministers — der trotz der Beschlüsse an der bisherigen Zurückweisungspraxis festhält — als „exekutiver Ungehorsam“ einzustufen sei.
Holterhus differenziert: Zwar binde die materielle Rechtskraft verwaltungsgerichtlicher Eilentscheidungen nur den konkret entschiedenen Fall. Dennoch sei eine Missachtung einschlägiger Rechtsprechungslinien durch Exekutivorgane aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich. Ein funktionierender Rechtsstaat sei darauf angewiesen, dass die Verwaltung gerichtliche Maßstäbe auch über den Einzelfall hinaus „redlich zur Kenntnis nimmt“ und in künftiges Verwaltungshandeln integriert. Andernfalls drohe langfristig eine strukturelle Verletzung des Rechtsstaatsprinzips.
Über mögliche Sanktionierungsmechanismen hinaus verweist Holterhus auf die politische Verantwortung von Amtsträgern: Rechtswidriges Verwaltungshandeln sei in demokratischen Systemen auch durch öffentliche Kontrolle und Wählerverhalten zu sanktionieren.