Bericht zur Luhmann Lecture mit Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Grimm
„Boden des Grundgesetzes – oder: was man sagen darf und was nicht“
25.06.2025 Im Rahmen der Luhmann Lecture am 17. Juni 2025 hielt der Staatsrechtler und ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dieter Grimm einen Vortrag zu dem Thema „Boden des Grundgesetzes – oder: was man sagen darf und was nicht“. Mit seinem Vortrag rückte er einen Begriff in den Fokus, der in politischen und gesellschaftlichen Debatten zwar immer wieder aufgegriffen, aber selten näher erklärt wird: den „Boden des Grundgesetzes“.

Im Rahmen der Luhmann Lecture am 17. Juni 2025 hielt der Staatsrechtler und ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dieter Grimm einen Vortrag zu dem Thema „Boden des Grundgesetzes – oder: was man sagen darf und was nicht“. Mit seinem Vortrag rückte er einen Begriff in den Fokus, der in politischen und gesellschaftlichen Debatten zwar immer wieder aufgegriffen, aber selten näher erklärt wird: den „Boden des Grundgesetzes“. Was bedeutet es eigentlich, auf diesem Boden zu stehen – oder ihn zu verlassen? Und woran lässt sich erkennen, ob eine Äußerung sich innerhalb dieses Rahmens bewegt – oder ihn überschreitet?

Um diese Fragen zu beantworten, verwies Prof. Grimm auf folgende Punkte: Da das Grundgesetz änderbar sei, könnten Forderungen, die auf verfassungsmäßige Weise durchsetzbar seien, den „Boden des Grundgesetzes“ nicht verlassen. Aber selbst Forderungen, die mit dem Grundgesetz unvereinbar seien, verstießen nicht gegen das Grundgesetz, denn es richte sich an den Staat, nicht an Private. Diesen garantiere es Freiheiten. Die Meinungsfreiheit gestatte daher auch Äußerungen, die sich gegen das Grundgesetz und die von ihm errichtete Ordnung wendeten. Die Instrumente der wehrhaften Demokratie, wie zum Beispiel Parteiverbote, griffen erst ein, wenn die Forderungen in die Tat umgesetzt werden sollen.

Ausgehend von Niklas Luhmanns Beobachtung, dass moderne Gesellschaften auf Institutionen zur Generalisierung von Information angewiesen seien, stellte Prof. Grimm weiter fest, dass gerade diese Institutionen mit dem Aufkommen des Internets an Bedeutung verlören. Ihre generalisierende Funktion könne aber von den Plattformen, die die Informationsströme steuern, nicht ersetzt werden. Infolgedessen käme es zu einem Auseinandertreten des rechtlich Sagbaren und des sozial Sagbaren.
Das „Sagbare“ verschiebe sich dabei simultan in zwei Richtungen: Während eine Tendenz zur Liberalisierung für vielfältigere Ausdrucksformen sorge, führe eine soziale Moralisierung zur Entstehung neuer Tabuzonen. Dieses Auseinanderfallen fordere Gesellschaft, Recht und Politik im analogen wie im digitalen Raum heraus, tragfähige Mechanismen für einen konstruktiven demokratischen Austausch zu entwickeln. Dabei sei ein differenziertes Verständnis von Recht, Öffentlichkeit und politischer Kultur unabdingbar.

Im Anschluss an den Vortrag ergab sich eine lebhafte Diskussion unter den Teilnehmenden – über die Reichweite der Meinungsfreiheit, die Rolle von sozialen Medien in der öffentlichen Debatte und die Grenzen des „Sagbaren“ in einer demokratisch organisierten Gesellschaft.