Blockchains. Medien der Souveränität

Das Projekt unternimmt empirische Untersuchungen, theoretische Reflexionen und medienwissenschaftliche Bestimmungen von Blockchains mit dem Schwerpunkt einer Machtanalytik.

Die kritisch zu überprüfende Ausgangsthese des Projektes lautet, dass uns durch offene, dezentrale Blockchains eine neuartige medientechnologische Konfiguration begegnet, deren innovativstes Merkmal die Fähigkeit der maschinellen Validierung von Ereignissen durch Konsensprotokolle ist, und dies in einem überwiegend hierachiefreien Netzwerk, das auch in feindlichen (offenen) Umgebungen verlässlich funktioniert. Mit der transaktionalen konsensualen Validierung von Daten, Identitäten, Ereignissen, Tokens, etc. ergibt sich ein Anwendungsfeld für all jene Aspekte des modernen Lebens, die auf der Notwendigkeit von (kryptographisch) gesicherten, validierten Daten beruhen. Dies reicht bis hinein in die massenhafte Erstellung von digitalen Unikaten, die somit erstmals als ein digitales Gegenüber einzelner physischer Objekte deren Verwaltung, Steuerung und Zugang maschinell begleiten oder übernehmen können. Blockchains sind somit Kontrollsysteme.

Blockchains können als ein abstraktes Basismedium jeweils spezifischer Medienoperationen verstanden werden, da sie im Kern maschinell beglaubigte Koppelungen heterogener Register bereitstellen. Diese Koppelungen verschiedener Register (symbolisch, syntaktisch, physisch) werden als die eigentlich mächtige Operation von Blockchains verstanden und untersucht.

Als herausragendes mathematisch-technisches Element der Mächtigkeit dieser Systeme werden im Projekt auch die vielfältige Nutzungen von Hashing-Operationen identifiziert, die als Grundpfeiler digitaler Kulturen erscheinen, da sie es sind, die forensisch sichere digitale Identitäten und Validierungen für Objekte und Benutzer:innen bereitstellen.

Blockchains sind aber auch Medientechnologien künstlicher Verknappung, da sie die Kontrolle auch über digitale Objekte als Unikate übernehmen können, und damit deren Anwendbarkeit steuern können. Verschiedene Eigenschaften und Operationen zusammengenommen ergeben summarisch ein System, das transaktionale digitale Objekte autonom verwaltet – ein digitales Regime der Souveränität durch maschinellen Netzwerk-Konsens.

Ziel des Projekts ist folglich der Versuch der Beantwortung der Frage, was solch ein verteiltes Regime der selbst-souveränen Kontrolle jenseits rein technischer Begriffe medienwissenschaftlich bedeutet. Hierzu gehört auch eine Bestimmung von dessen Grenzen: Dabei geht es u.a. um die Frage, wohin denn der steuernde Eingriff und allgemeiner die Kontrolle gewandert ist, wenn sie automatisiert abläuft. Dass es sich um einen technischen Ersatz eines schwindenden Vertrauens in die administrativen, kommerziellen und politischen Instanzen zeitgenössischer Gesellschaften handelt, ist eine These, die erste Anhaltspunkte für den historischen Zeitpunkt des Erscheinens von Blockchains bereithält.

Im Projekt wird eine multiperspektivische Fallstudie zum Cardano-Projekt entwickelt und betrieben, die durch Analysen von Software (-Commits), Protokollen, Smart Contracts u.a. Rückschlüsse auf Governance-Strukturen, spieltheoretische Annahmen und Implementierungen von Konfliktlösungsmechanismen zulässt, die zu einer Machtanalytik hinführen können, ergänzt durch Interviews mit unterschiedlichen Akteur:innen, sowie Diskursanalysen von Foren und Community-Channels. Im Projekt werden ferner neue Methoden der Erforschung digitaler Kulturen erprobt, z.B. eine digitale teilnehmende Beobachtung durch das Betreiben eines Staking-Pools im Cardano-Netz.

Schließlich wird das Phänomen Blockchains in den größeren Rahmen der machtanalytischen These gestellt und getestet: Der Begriff der technologischen Objektivierung wird entwickelt, um als Korrelat einer gouvernementalen Subjektivierung im Rahmen von Environmentalität Geltung zu beanspruchen.

Das Forschungsprojekt „Blockchains. Medien der Souveränität“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und ist am Institut für Kultur und Ästhetik digitaler Medien der Leuphana Universität Lüneburg angesiedelt.

Team

Teamleitung

Kooperationspartner:innen

Prof. Dr. Gerd Beuster, Dozent für
IT-Sicherheit der FH Wedel.

Dr. Balazs Bodó, Senior Research Scientist am Blockchain & Society Policy Research Lab des Institute for Information Law an der Universität Amsterdam.

Dr. Lina Dencik, Co-Director Data Justice Lab und Reader an der Cardiff University.

Prof. Dr. Erich Hörl vom Institut für Kultur und Ästhetik Digitaler Medien (ICAM) der Leuhana Universität Lüneburg.

Prof. Dr. Geert Lovink, Gründer des Institute of Network Cultures, Amsterdam.

Dr. Theo Röhle, Senior Lecturer am Department of Journalism, Media and Communication der Universität Gothenburg.

Studentische Hilfskraft

Eduardo Delfin Alcaraz Bracho 
Universitätsallee 1
21335 Lüneburg
lg068909@stud.leuphana.de