Aktuelle Projekte

Wir arbeiten derzeit an mehreren Forschungsprojekten mit dem Ziel, ein besseres Verständnis der individuellen und kollektiven Urteils- und Entscheidungsfindung im Energie- und Klimabereich und der Wirksamkeit von Interventionen zu schaffen sowie psychologische Entscheidungsdaten in Energie- und Klimamodelle zu integrieren.

Nachhaltige Entscheidungsfindung auf der ganzen Welt

Die schädlichen Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels sind eindeutig belegt. Aktuelle Verhaltensänderungen in Richtung eines weniger kohlenstoffintensiven Lebensstils sind jedoch weitgehend unzureichend. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von der Polarisierung und Politisierung des Themas - angeheizt durch systematische Fehlinformationen zum Thema Klima - bis hin zu etablierten Gewohnheiten, falschen Vorstellungen und kontextuellen Barrieren.

Wir arbeiten daran die psychologischen Mechanismen nachhaltigen Verhaltens in verschiedenen Umgebungen und gesellschaftlichen Gruppen besser zu verstehen, indem wir ein breites methodisches Spektrum nutzen. Dazu gehören experimentelle Entscheidungsparadigmen mit realen Konsequenzen, Methoden zur Prozessverfolgung, Social Media Tracking und Systemmodellierung. In Anbetracht des globalen und dynamischen Charakters des Klimawandels sammeln wir Daten aus verschiedenen Ländern und über bedeutende gesellschaftliche Ereignisse wie öffentliche Wahlen und gesellschaftliche Krisen hinweg. In einem vorab registrierten Bericht liefern wir beispielsweise Beweise für die schädlichen Auswirkungen von Fehlinformationen über den Klimawandel auf die Überzeugungen und Handlungen der Öffentlichkeit in Bezug auf den Klimawandel in 12 westlichen und nicht-westlichen Ländern. In Erweiterung dieser Forschung untersuchen wir derzeit die Faktoren, die den aktiven Erwerb und die Integration von Klimafehlinformationen auf drei Kontinenten vorantreiben.

In einer Längsschnittuntersuchung haben wir untersucht, wie sich die Unterstützung politischer Maßnahmen, die Energiekompetenz und die Präferenzen für Energieeffizienz während des Winters der Energiekrise 2022/2023 in Europa verändert haben. Die Studie zeigt, dass die öffentliche Unterstützung für klimapolitische Maßnahmen auch in Zeiten geringer öffentlicher Aufmerksamkeit für das Thema stabil bleibt. Im Gegensatz dazu nahmen die Präferenzen für energieeffiziente Produkte ab, als die öffentliche Aufmerksamkeit für die Energiekrise abnahm. Die Verknüpfung von experimentellen Daten mit realen Energiepreisdaten zeigte, dass dieser Effekt bei Personen, die großen realen Energiepreissteigerungen ausgesetzt waren, abgeschwächt war.

Durch die Verknüpfung von robuster psychologischer Forschung mit realen Kontexten und Ereignissen können unsere Forschungsergebnisse direkt in die Entwicklung zielgerichteter und kontextspezifischer Maßnahmen einfließen.

Evidenzbasierte Interventionen zur Verhaltensänderung

Klassische politische Instrumente wie Steuern, Subventionen und Verbote reichen oft nicht aus, um eine systematische Verhaltensänderung zu motivieren, oder es fehlt die notwendige Unterstützung in der Öffentlichkeit. Wir entwickeln und validieren theoriebasierte Verhaltensinterventionen zur Förderung nachhaltigerer Verhaltensweisen und testen, wie ihre Wirksamkeit in verschiedenen Kontexten variiert. Außerdem arbeiten wir daran die kognitiven und affektiven Mechanismen zu entschlüsseln, die eine Verhaltensänderung bewirken.

Zu diesem Zweck koppeln wir experimentelle Paradigmen mit Instrumenten zur Prozessverfolgung, um zu untersuchen, wie Verhaltensänderungen durch Veränderungen bei der Informationssuche während des Entscheidungsprozesses ausgelöst werden. In jüngsten Studien haben wir beispielsweise gezeigt, dass maßgeschneiderte Informationen über die Kompatibilität von Elektrofahrzeugen (EV) mit den individuellen Mobilitätsbedürfnissen Kaufentscheidungen und nachhaltige Nutzungsentscheidungen erhöhen können. Die Ergebnisse zeigten, dass maßgeschneiderte Informationen die Priorisierung von Informationen zur Reichweite von Elektrofahrzeugen im Entscheidungsprozess veränderten, insbesondere bei Teilnehmer:innen mit geringem Mobilitätsbedarf. Das bedeutet, dass die Intervention gezielt auf das Verhalten derjenigen abzielte, die am meisten von einer Verhaltensänderung profitieren würden, und Personen mit hohem Mobilitätsbedarf nicht zu einem suboptimalen Verhalten „anstachelte“. Diese Forschungsarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zu unserem Verständnis der Heterogenität von Interventionseffekten und ethischen Überlegungen bei der Anwendung von Verhaltensinterventionen.

In der aktuellen Forschung untersuchen wir, wie verhaltensorientierte Interventionen optimal mit klassischen Instrumenten (z. B. Steuern) kombiniert werden können und wann solche Kombinationen zu „Verdrängungseffekten“ («Crowding-out») einer Interventionskomponente führen. Zusammengenommen kann diese Forschung Aufschluss darüber geben, wann, wo und wie Verhaltensmaßnahmen wirken.

Menschenzentrierte Systemmodellierung

Verhalten tritt nicht isoliert auf, sondern wird von unserer sozialen und physischen Umgebung beeinflusst. In der psychologischen Forschung werden solche Einflüsse und Dynamiken bei der Untersuchung des menschlichen Verhaltens jedoch häufig vernachlässigt. Darüber hinaus interessiert sich die Politik in erster Linie für die akkumulierten Auswirkungen von Verhalten auf der Ebene größerer gesellschaftlicher Systeme und nicht für individuelles Verhalten, ein Umstand, der die begrenzte Berücksichtigung der psychologischen Forschung bei der Gestaltung der (Klima-)Politik erklären könnte. Technisch-ökonomische Forschung füllt diese Lücke durch den Einsatz dynamischer Systemmodelle. Allerdings betrachten diese Modelle den Menschen größtenteils als rein rationalen Akteur und vernachlässigen somit grundlegende Prinzipien menschlicher Entscheidungsfindung.

Wir gehen dieses Problem an, indem wir Modelle und Modellierungsrahmen entwickeln, die auf dem neuesten Stand der psychologischen Forschung beruhen, wobei wir besonderes Augenmerk auf die Integration experimenteller menschlicher Entscheidungsdaten in die Systemmodellierung legen. In einer kürzlich durchgeführten Studie haben wir ein auf experimentellen Daten basierendes Agentenmodell («Agent-based Model») für die Koadoption von emissionsarmen Energietechnologien entwickelt. Diese Studie hat gezeigt, dass die Beschleunigung der Verbreitung dieser Technologien selbst bei sinkenden Investitionskosten weitgehend vom „richtigen“ (d. h. spezifischen) Policy-Mix abhängt.

Im Rahmen des Horizon Europe-Projekts DIAMOND arbeiten wir mit weltweit führenden Modellierungsteams zusammen, um experimentelle Daten in Integrated Assessment Modelle zu integrieren. Diese Modelle dienen als wissenschaftliches Instrument zur Information politischer Entscheidungsträger über die Entwicklung von Klima, Wirtschaft und Gesellschaft und spielen eine Schlüsselrolle bei den Bewertungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Das Projekt birgt das Potenzial, die Darstellung des menschlichen Verhaltens in wichtigen Energie- und Klimamodellen zu verbessern, was bessere Modellvorhersagen zur Unterstützung einer soliden Politikgestaltung verspricht.