Christoph Borbach

Christoph Borbach studierte zwischen 2009 und 2015 Musik-, Medien- und Geschichtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er mehrjährig am Lehrstuhl für Medientheorien und am Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte tätig war. Zuletzt war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg. Zwischen 2016 und 2019 war er Kollegiat am Graduiertenkolleg „Locating Media“ an der Universität Siegen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen: Wissensgeschichte der Verzögerung, Medientheorie und -geschichte laufzeitbasierter Ortungstechnik und die Mediengeschichte des digitalen Screens. Ausgewählte Publikation: „Navigating (through) Sound. Auditory Interfaces in Maritime Navigation Practice, 1900–1930“. Interface Critique (2019), S. 17-33. [auch als open access: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/ic/article/view/66977/60265]

Forschungsprojekt

Die Geburt der Computergrafik aus dem Geist des Radars

Die aktuelle Omnipräsenz digitaler und das heißt adressierbarer Bildschirme ist (buchstäblich) evident. Diskutiert wird für diese (in der deutschsprachigen Medienwissenschaft) die Frage, ob digitale Bildschirme überhaupt Bilder statt vielmehr Datengebilde visualisieren und es folglich das digitale Bild schlichtweg nicht gäbe. Demgegenüber bleibt zunächst festzustellen, dass der Digitalbildschirm klassische Medien wie das Buch (als eBook), aber auch Formate wie den physischen (Bahn-)Fahrplan aus Papier zu verdrängen scheint. Auch ist ein bidirektionales Agieren mit mobilen Medien ohne digitale (Touch-)Screens für viele MediennutzerInnen unvorstellbar (exemplarisch verwiesen sei auf das ubiquitäre Smartphone oder Laptops, deren grafisches Interface quasi zum Inbegriff intuitiver Mensch-Maschine-Kommunikation avancierte). Eine medienkulturwissenschaftliche Erforschung digitaler Bildschirme scheint darum nicht nur angebracht, sondern umso dringlicher. Bei aller praxeologischer bzw. medienanthropologischer Untersuchungen der situierten Nutzungs-, Interaktions- und Rezeptionsweisen digitaler Bildschirme harrt ein Aspekt dabei meist in der Latenz: Ihre Mediengeschichte und konkret der historische Ursprung der Genese der Computergrafik. Blieben das analoge Fernsehen und die klassische Fotografie die längste Zeit ihrer Geschichte auf physikalische/indexikalische Abbildung von Realität (was auch immer „Realität“ sein oder meinen mag) beschränkt, eröffnet die Computergrafik einen symbolischen Raum der gezielten und konsequenten Manipulationen am und im Bild, welches keine Ab-Bildungfunktion mehr erfüllen muss, sondern Ergebnis von Berechnung ist. Und diese dem digitalen Bildschirm inhärente Logik verdankt sich nicht etwa der Fernsehtechnik, sondern geht originär auf Strategien der Luftraumüberwachung des nordamerikanischen SAGE-Systems in den 1950er Jahren und damit auf Radarbildschirme zurück. Diese Radarbildschirme in Verbundschaltung mit Computertechnologie – die ihrer Zeit noch über keine grafische Mensch-Maschine-Schnittstelle verfügte – verwiesen zwar noch auf den Luftraum, brauchten aber auf diesen nicht notwendigerweise mehr beschränkt bleiben: „Halluzinatorische Zeichen, die auf nichts mehr verweisen außer auf Engel, weil am Himmel kein Feind mehr in Sicht war, verwandelten sich in Symbole von Nichts, reine Zeichen, die beliebigen Sinn annehmen konnten“ (David Link) – Und damit das Prinzip Computergrafik begründen, wie es für unsere Medienkultur normativ geworden ist. Denn Computergrafiken folgen nicht der Logik der Abbildung, sondern der Berechnung von Pixelgebilden, die beliebig vorgeben können, etwas darzustellen und damit die „Fälschbarkeit schlechthin“ sind und vielmehr die „Struktur eines Textes“ (Friedrich Kittler) aufweisen. Das Forschungsprojekt setzt hier an und spürt den historischen Wurzeln der Computergrafik ausgehend vom SAGE-Radarsystem epistemologisch nach.