Abstract

Als interdisziplinärer Ansatz zielt die Bionik auf das »kreative Umsetzen« von Anregungen aus der Natur in Technik (www.biokon.de). Erkenntnisse, die an biologischen Vorbildern gewonnen werden, sollen dabei helfen, technische Fragestellungen und Probleme zu lösen. Diese Orientierung an natürlichen Materialien, Prozessen, Strukturen, Funktionen oder Verhaltensweisen geschieht dabei nicht unvermittelt und reibungslos, sondern muss als ein Prozess der Annäherung an die Natur verstanden werden, an dem verschiedene Medien und Praktiken beteiligt sind. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Computersimulation zu, die z.B. zur bionischen Optimierung von Maschinenbauteilen eingesetzt wird (Computer Aided Optimization). In Forschungsfeldern wie der Robotik und Künstlichen Intelligenz treten biologisch inspirierte Computersimulationen (Swarm Robotics, Artifical Evolutio, Neuronale Netze u.a.) gleichzeitig als Medium und Produkt einer approximativen Implementation biologischer Prinzipien in Erscheinung.

Der Workshop adressiert einerseits die aktuelle Konjunktur computergestützter bionischer Verfahren in Feldern wie der Materialforschung oder der Robotik und bemüht sich andererseits um eine historische Kontextualisierung der Bionik und ihrer Medien. Auf welche Art und Weise sind Computersimulationen an der Realisierung einer Annäherung zwischen biologischem Vorbild und technischem Artefakt beteiligt? Welche (neuen) Möglichkeiten bedeutet ihr Einsatz für den approximatorischen Anspruch der Bionik? Worin bestehen die spezifischen Grenzen von Computersimulationen in Bezug auf eine ›Nutzbarmachung‹ biologischer Prinzipien? Gibt es auf dem Weg einer technischen Annäherung an die Natur auch Schritte der Distanzierung und Abgrenzung? In welchem Verhältnis stehen die neuen Medien der Bionik zu deren Anspruch als ›alternativer‹ und ›interdisziplinärer‹ Ansatz?

Programm

Dienstag, 31. Januar 2017
12.00Jan Müggenburg (MECS)
»Annäherung an die Natur – Einführung und Begrüßung«
12.30

Arianna Borelli (MECS)
»Am Anfang war der Pneu: Johann Gerhard Helmcke, Frei Otto und die Suche nach Prinzipien der Formbildung in Natur und Technik«

13.30gemeinsames Mittagessen
14.15Mathias Grote (Humboldt-Universität zu Berlin)
»Zwischen Insel und Oase: Bionik in West-Berlin, ca. 1970-1990«
15.00

Iwiza Tesari (Karlsruher Institut für Technologie)
»Bionische Bauteiloptimierung – über Computersimulationen zum Geodreieck« 

15.45Kaffee und Kuchen
16.15Thomas Schmickl (Artificial Life Laboratory, Graz)
»Animal and Robot Societies Self-Organise and Integrate by Social Interaction (Bees and Fish)« 
18.00Abendessen in der Gaststätte „Zum alten Brauhaus“

Dr. Arianna Borelli

Dr. Arianna Borelli ist Historikerin sowie Philosophin und arbeitet zurzeit an der TU Berlin im DFG-Projekt „History of Early Particle Physics (1950–1965). In Rom geboren, hat sie zunächst Physik (Rom) und dann Philosophie (Braunschweig) studiert und in Wissenschaftsgeschichte promoviert. Sie hat sowohl im Bereich der Physik (Rom, CERN) als auch der Wissenschaftsgeschichte und -philosophie (Braunschweig, MPI für Wissenschaftsgeschichte) geforscht und publiziert. Ihre Interessen gelten der Beziehung zwischen der Entstehung von Wissen und den unterschiedlichen Strategien seines Ausdrucks sowie seiner Vermittlung. Sie hat sich mit mittelalterlicher mathematischer Kosmologie, mit frühneuzeitlicher Meteorologie und Mechanik, sowie mit Quantentheorien des 20. und 21. Jhds beschäftigt.

Dr. Mathias Grote

Dr. Mathias Grote ist Biologe und Wissenschaftshistoriker. Zurzeit ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte der Humboldt Universität zu Berlin. Er forscht zur Geschichte und Epistemologie der Lebenswissenschaften im 20. Jahrhundert, insbesondere zu biologischen Klassifikationen sowie molekularen Biologien jenseits der Genetik (Membranen, ›molekulare Maschinen‹). In seinem jüngst erschienen Aufsatz »Das Patchwork der Mikroben. Bio-Technologie jenseits der großen Erzählungen« beschäftigt er sich mit der bionischen Forschung von Ingo Rechenberg in den 1980er-Jahren.

Dr. Jan Müggenburg

Dr. Jan Müggenburg ist Medienhistoriker und forscht und lehrt am Institut für Kultur und Ästhetik Digitaler Medien der Leuphana Universität Lüneburg. Nach seinem Studium der Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum hat er an der Universität Wien mit einer wissenschaftshistorischen Arbeit zur Geschichte von Heinz von Foersters Biological Computer Laboratory promoviert. Er war Gastwissenschaftler am Department of Electrical and Computer Engineering der University of Illinois und am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und ist aktuell Fellow an der DFG Kolleg-Forschergruppe „Medienkulturen der Computersimulation“. Er forscht und lehrt zur Mediengeschichte des Computers, der Kybernetik und der Bionik.

 

Prof. Dr. Thomas Schmickl

Prof. Dr. Thomas Schmickl ist Gründer und Leiter des Artificial Life Laboratory am Institut für Zoologie der Karl-Franzens-Universität in Graz. Er forscht auf dem Gebiet der Schwarmintelligenz, zu evolutionären Systemen und ökologischer Modellierung. Nach seinem Studium der Biologie an der Universität Salzburg hat er im Bereich der Zoologie promoviert und wurde im Jahr 2012 mit einer Arbeit zum Thema »The Collective Physiology of the Swarm: Modelling Self-Organization, Self-Regulation and Swarm-Intelligence of Distributed Systems in Biology and Bio-Robotics« habilitiert.

Dr. Iwiza Tesari

Dr. Iwiza Tesari ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Materialien – Werkstoff und Biomechanik (IAM – WBM) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Nach einer Ausbildung zum Mechaniker und einem Maschinenbaustudium hat er im Fach Maschinenbau promoviert. Er arbeitet zu strukturmechanischen Analysen technischer und biologischer Strukturen sowie zur Methodenentwicklung und Bauteiloptimierung. Er ist Mitglied des VDI Fachbeirates Bionik und berät den VDI, DIN und ISO bei der Erstellung von Richtlinien und Standards zu Themen der Bionik.

Konzept & Organisation
Jan Müggenburg

Veranstaltungsort
Medienkulturen der Computersimulation
Wallstraße 3
21335 Lüneburg

Anmeldung
Der Workshop ist kostenlos und für die Öffentlichkeit frei zugänglich, allerdings wird eine Anmeldung benötigt. Hierfür bitte eine E-Mail senden an:
mecs@leuphana.de.