Dr. Inge Hinterwaldner

Dr. Inge Hinterwaldner

Inge Hinterwaldner ist wissenschaftliche Assistentin für neuere und neueste Kunstgeschichte an der Universität Basel. Von 2009-2013 leitete sie mit anderen die Forschungsgruppe "Bild und Modell" innerhalb des Nationalen Forschungsschwerpunktes "Bildkritik. Macht und Bedeutung der Bilder" an der Universität Basel. 2013 nahm sie eine Verwaltungsprofessur am Institut für Philosophie und Kunstwissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg wahr. Zu ihren Forschungsfeldern gehören Interaktivität und Temporalität in den Künsten, computerbasierte Kunst und Architektur, Verflechtungen von Künsten und Wissenschaften seit dem 19. Jahrhundert. Ihre kürzlich erschienenen Publikationen umfassen "Das systemische Bild. Ikonizität im Rahmen computerbasierter Echtzeitsimulationen" (Fink 2010); "Programmierte Operativität und operative Bildlichkeit", in: Roman Mikuláš/Sibylle Moser/Karin S. Wozonig (Hg.): "Die Kunst der Systemik", S. 77-108 (Lit 2013).

 

Forschungsprojekt

Vom 7½ten zum 13ten Stockwerk. Simulationskonzepte und deren Relation zur Visualität

Sensibilisiert durch einen Arbeitsort (Kunsthistorisches Seminar Basel), der vom Parterre auf halber Strecke zum ersten Geschoss noch einen später erschlossenen und etwas gedrungenen Zwischenstock aufweist, sind gleich zwei 1999 erschienene Filme auffällig: Sie spannen mit selten vorkommenden Stockwerken eine Welt des Dazwischen auf. Bei "Being John Malkovich" ist der 7½te Stock im Lift gar nicht anwählbar, sondern muss per Notbremse und Brecheisen mehr – und jedes Mal aufs Neue – erschlossen denn nur betreten werden. Hingegen handelt "The Thirteenth Floor" von einer Etage, die bis heute in vielen Hochhäusern aus abergläubischen Gründen namentlich diskret 'übersprungen' wird und die sich im Film als eine Art 'Holodeck' entpuppt. Während man im ersten Beispiel über einen mysteriösen Mechanismus (mechanischen Luftdruck) etwas erfährt, was im englischen Original mit 'simulation' (im Deutschen: 'das Gefühl geben') bezeichnet wird, geht es weiter oben, im 13. Stock, schon technisch ausgefeilter zu. Dort versetzt eine Computersimulation die Menschen bzw. Avatare in ein Szenarium aus dem Jahr 1937. Beide Male eröffnen sich an diesen Nicht-Orten Möglichkeiten des Erlebens einer 'gegenständlichen' und zumindest latent interaktiven Situation. Mehr noch, es wird in mancher Hinsicht etwas täuschend Echtes bzw. echt Täuschendes geboten.

Wenden wir uns nun ausgehend von den SciFi-Genres Simulationstheorien zu, lässt sich fragen, inwiefern auch dort die Sinne adressiert werden. Insbesondere französische Medientheoretiker und Philosophen (u.a. Hippolyte Taine, Pierre Klossowski, Jean Baudrillard, Gilles Deleuze/Félix Guattari, Paul Virilio) erörtern die Simulation bzw. das Simulakrum und verbinden sie mit Konzepten wie jene der 'Kopie ohne Original', der 'Halluzination' oder der in den 1990er Jahren prominenten 'Virtualität'. Lassen sich bei ihnen dezidiert Hinweise auf eine Verbindung zum Sinnlichen bzw. spezifischer auch zum Visuellen finden und wie wird dies jeweils vorgestellt? Daran knüpft sich die generellere Frage nach der Möglichkeit und Produktivität die Simulation als ästhetische Kategorie zu denken.

Dieser diskursanalytische Zugriff wird durch einen weiteren Zugang komplementiert, der näher an konkreten Fallbeispielen zu entwickeln ist. Von Computersimulationen ausgehend, müsste nämlich eine Dimension der Zeitlichkeit, d.h. Dynamik, im Vordergrund 2stehen. Wenn man annimmt, dass es sich bei der den Simulationen unterliegenden Systemperspektive um ein vergleichbares Paradigma handelt, wie es die Zentralperspektive darstellt – nur dass Letztere den Raum auf eine spezifische Weise organisiert, während Erstere mit der Zeit befasst ist, so liegt auch nahe, in Analogie zu den vielfach nachgewiesenen räumlichen Brüchen in den Renaissancegemälden, auch in Simulationsanwendungen nach Uneinheitlichkeiten in der Behandlung der temporalen Momente zu suchen. Dies ist vor allem bei Echtzeitanwendungen virulent, wo die Komplexität dadurch noch gesteigert ist, dass die Simulationsdynamik instantan in den wahrnehmbaren Bereich gebracht, d.h. in aller Regel verbildlicht, werden muss.

Um diesen Punkt nochmals anders zu kontextualisieren: Heute überzeugt kaum noch, lediglich aufgrund eines simplen Verweises auf 'den Code' und den damit in Verbindung gebrachten konstruktivistischen Prinzip, eine epistemologische oder ontologische Charakterisierung oder Neubestimmung fußen zu wollen. Die Softwarekritik (vgl. z.B. Matthew Fuller, Lev Manovich, Noah Wardrip-Fruin) tritt an, derart verkürzende Verweise – nun als 'Blackboxen' oder 'Platzhalter' markiert – detaillierter zu analysieren. Der Code wird durch viele Menschen und Programme modelliert und interpretiert. Durch genauere Studien wird beispielsweise ersichtlich, wie groß der Spielraum zwischen den errechneten Simulationsergebnissen und deren Ikonisierung ist und damit auch: wie wenig selbstverständlich sich deren Zusammenspiel gestaltet. Die Fragen der Zeitlichkeitscollagen lassen sich am besten an Exempeln aus dem Bereich der so genannten "mixed" oder "augmented reality"-Anwendungen diskutieren, die Abläufe darstellen und dafür beispielsweise ikonisierte Simulationen, Animationen und Videoaufzeichnungen kombinieren.

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