Dr. Markus Rautzenberg

Dr. Markus Rautzenberg ist Medientheoretiker und promovierte 2007 nach einem Studium der Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften als Stipendiat des Graduiertenkollegs »Körper-Inszenierungen« im Fach Philosophie mit einer medientheoretischen Arbeit zum Thema „Zeichen - Störung – Materialität“. Dem schloss sich ein Postdoc-Stipendium am Graduiertenkolleg „InterArt“ an, worauf eine Anstellung als wiss. Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin folgte. Von 2011 bis 2014 leitet er dort das DFG-Projekt »Evokation. Zur non-visuellen Macht der Bilder«. Forschungsschwerpunkte: Medientheorie, Bildtheorie, philosophische Ästhetik, Game Studies. Publikationen (Auswahl): (zus. mit Andreas Wolfsteiner): 2014 Paderborn; Hide and Seek. Das Spiel von Transparenz und Opazität, 2010, München; (mit Kristiane Hasselmann und Erika Fischer-Lichte), Ausweitung der Kunstzone. Interart Studies – Neue Perspektiven in den Kunstwissenschaften, 2010 Bielefeld; Die Gegenwendigkeit der Störung. Aspekte einer postmetaphysischen Präsenztheorie, 2009.

 

FORSCHUNGSPROJEKT

I. „Ekstase der Bildneuheit“. Epistemologie als Bildkritik bei Gaston Bachelard und Friedrich Nietzsche

(Vorbereitung und Konzeption des gleichnamigen Kapitels innerhalb einer bildtheoretischen Monographie)

Gaston Bachelards Werk wird üblicherweise in zwei Themenfelder unterteilt, die oft (Hans-Jörg Rheinberger, Friedrich Balke) relativ unabhängig voneinander beurteilt und rezipiert wurden. Während die wissenschaftstheoretischen Texte (unter ihnen die Hauptwerke Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes und Philosophie des Nein) zu den Klassikern des Fachs gehören, gelten Bachelards parallel entstandene poetologische Arbeiten wie die Psychoanalyse des Feuers oder die Poetik des Raums trotz ihrer Bedeutung für die französische Literaturwissenschaft und trotz ihres Erfolgs in kulturwissenschaftlichen Zusammenhängen gegenüber dem ›Hauptwerk‹ als sekundär. Demgegenüber soll die These geprüft werden, dass beide Ebenen über den Begriff des Bildes in Beziehung gesetzt werden können. Ziel ist es dabei, die Frage zu stellen, inwieweit Bachelards Bildkritik – im vollen Sinne verstanden als Kritik an der trügerischen Kraft überkommener Bild-»Komplexe« im Sinne »epistemologischer Hindernisse« einerseits und als Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Bildlichkeit andererseits – für heutige Diskussionen im Spannungsfeld von Bildwissenschaften, historischer Epistemologie und Medientheorie fruchtbar gemacht werden kann. Obwohl Bildlichkeit bei Bachelard eine der wichtigsten Kategorien seiner sowohl wissenschaftstheoretischen wie poetologischen Überlegungen ist, gibt es in der Forschung kaum größere Auseinandersetzungen mit Bachelard unter bildtheoretischen Vorzeichen (für Ausnahmen vgl. Pravica 2011 und die dort enthaltenen Literaturhinweise). Das ist insofern erstaunlich, als hier über das Problem der Bildlichkeit sowohl wissenschaftliche als auch poetologische Fragestellungen auf äußerst originelle Weise korreliert werden; ein Thema, das im Zuge der historischen Epistemologie stark an Bedeutung gewonnen hat (vgl. insbesondere Daston/Galison 2007). Während Bilder in Bachelards wissenschaftstheoretischen Schriften wissenschaftlicher Erkenntnis im Weg stehen, sind sie im literarisch-ästhetischen Zusammenhang Quelle künstlerischer Inspiration. Entscheidend ist jedoch, dass Bachelard diese diametrale Gegenüberstellung – man sollte meinen geradezu entgegen seiner eigenen Ethik wissenschaftlicher Forschung – nicht aufrechterhält. Die Frage ist demnach: Wie ist diese ›Demontage‹ des eigenen Argumentationsweges zu verstehen? Handelt es sich hier überhaupt um eine Demontage oder nicht vielleicht um eine entscheidende Erweiterung, die in der deutschen Übersetzung des Titels eines der Hauptwerke (Die Bildung (franz. formation) des wissenschaftlichenGeistes) bereits angedeutet ist?

Ein wichtiger Vorläufer dieses Ansatzes ist Friedrich Nietzsche, in dessen frühen Schriften (vor allem in der »Geburt der Tragödie« und »Ueber Wahrheit und Luege im außermoralischen Sinne«) immer wieder die ästhetische Erkenntniskraft des Bildes beschworen wird, um diese gegen eine von Nietzsche konstatierte propositional-begriffliche (»sokratische«) Verengung der Sprache ins Feld zu führen. Was aus heutiger Perspektive wie eine Vorwegnahme des Streits zwischen iconic- und linguistic turn anmutet, zielt jedoch nicht so sehr auf die Differenzen, sondern auf die Gemeinsamkeiten von Sprache und Bild. Bachelard – ein Kenner Nietzsches – spricht in diesem Zusammenhang von der »Ekstase der Bildneuheit« als entscheidendes Moment sowohl der Genese wissenschaftlicher Erkenntnis als auch kreativer Inspiration. Was für ein Bildkonzept liegt solchen Formulierungen und Theoremen zugrunde?

Projekt II. auf der englischen Personenseite