Dr. Suzana Alpsancar

Suzana Alpsancar ist Technik- und Wissenschaftsphilosophin. Sie war Gastprofessorin für Technikphilosophie an der BTU Cottbus-Senftenberg und forschte als Post-Doc an der TU Darmstadt, der TU Braunschweig sowie der Yale University. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Theoriegeschichte des Technikdeterminismus und der Entwurf einer phänomenologisch und pragmatisch orientierten Technikphilosophie, die es erlaubt, Fragen nach der Normativität technischer Praxen politisch zu verhandeln. Darüber hinaus untersuchte sie in mehreren Fallstudien Smart Environments und die Computerisierung von Pflanzensammlungen.

Zu ihren jüngeren Publikationen gehören: “Wer handelt mit unsichtbaren Schnittstellen? Hubig und Latour zu Autonomie und Agency”, in: Unterwachen und Schlafen: Anthropophile Medien nach dem Interface, hg. von. M. Andreas, D. Kasprowicz, S. Rieger, Lüneburg: Meson, S. 105-132; ”Plants as digital things: The global circulation of future breeding options and their storage in gene banks”, in: Tecnoscienza. Italian Journal of Science & Technology Studies, 7(1): Special Issue "Digital Circulation: The Digital Life of Things and Media Technologies“, hg. von G. Balbi, A. Delfanti, P. Magaudda, S. 45-66.

 

Forschungsprojekt

Vom Fahr-Zeug zum Fahr-Ding?

Was es heißt, etwas autonom zu tun, wird am Paradigma des Werkzeuggebrauchs sinnfällig. Beim Schreiben mit einem Stift auf Papier, mit Kreide auf einer Tafel, beim Hämmern und Sägen, zeichnet sich der Gebrauch des jeweiligen Werkzeugs dadurch aus, dass wir dieses unter der Maßgabe des jeweils verfolgten Zwecks unseres Tuns — Ideen notieren, Stämme in Feuerholz verwandeln — unmittelbar Steuern können. Im Schreib- oder Sägefluss passen wir die Haltung des Werkzeugs an. Erzielt man nicht den gewünschten Effekt, verstärkt man den Druck oder löst ihn usw. Diesem Tun kommt idealtypisch Autonomie im dreifachen Sinne zu (Hubig): der Anerkennung der gesetzten Zwecke, einer Entscheidung über Strategien der Zweckverfolgung sowie eine freie Wahl der Mittel. Anders sieht es beim Gebrauch von Maschinen oder beim Agieren in Systemen aus.

Die Frage nach Autonomie, und den dazugehörigen Ideen wie Kontrolle, Fremdherrschaft u.Ä., stellt sich in ausgewiesenen Situationen. Kommt es zu einem Verkehrsunfall, muss die Schuldfrage geklärt werden. Entwickelt man Self-driving-cars (SDC), wird das Autonome der Technikvision fragwürdig, ebenso was dieses mit der bisherigen Subjektposition der Fahrerin macht. Diese Fragen stellen sich gerade nicht aus einer habituellen Praxis heraus, denn, so eine der wichtigsten phänomenologischen Einsichten, jene ist darin charakterisiert, selbstverständlich und nicht fragwürdig zu sein. Hierzu gehört, im Tun leiblich versunken zu sein, weder auf Stift noch auf Blatt, sondern auf das ‚Um-zu’ einer Bewandtnisganzheit sinnhaft bezogen zu sein (Heidegger). Dies gilt auch für das herkömmliche Autofahren. Man parkt ein oder passiert einen engen Tunnel ohne vorab Abstände messen zu müssen (Merleau-Ponty), lauscht nebenbei den Klängen des Radios, führt eine Konversation und bleibt unterschwellig aufmerksam gegenüber dem Verkehr.

Heidegger kritisiert mit seiner Phänomenologie des alltäglichen Zeug-Gebrauchs geläufige Konzepte davon, was es heißt zu denken, zu handeln und ein Ding zu sein. Das Verständnis vom Handeln als intendiertes Verfolgen gesetzter Zwecke mit passenden Mitteln übersehe genauso wie das Verständnis von Dingen als Träger von Eigenschaften, dass diese Vorstellungen vom Handeln und vom Dingsein in Erfahrungen fundiert seien, deren Auslegung missverstanden werde, fange man nicht bei den Praxen (Relationen), sondern bei den Subjektivierungen und Objektivierung (Relata) an, die eigentlich erst durch einen theoretisierenden Blick auf Erfahrung zustande kommen.

Diskutiert man das Herausfordernde der SDC nach dem Muster einer Substitution von der Autonomie des Fahrers zur Autonomie des Automobils, übergeht man die Frage nach den Relationen der jeweiligen Fortbewegungs-Praxis. In meiner Untersuchung möchte ich stattdessen Heideggers Unterscheidung von Zeugen, Zeugdingen und Dingen mit Hubigs Differenzierung von Autonomie in verschiedenen Mensch-Technik-Relationen (schematisch: Werkzeuggebrauch, Maschinengebrauch, Nutzen von Systemen) ins Gespräch bringen, um besser verstehen zu können, was es heißt, SDC zu nutzen. Hierbei orientiere ich meine Überlegungen an der Frage, ob man SDC überhaupt im Sinne eines Fahr-Zeugs fahren kann oder ob Nutzer*innen darauf festgelegt sind, diese einzig in einer theoretischen Einstellung als Dinge bzw. Zeugdinge zu erfahren. Besteht hierbei überhaupt eine ‚embodiment-relation’ des Fahrens oder bilden SDC allein eine ‚background’ oder eine ‚hermeneutic-relation’ (Ihde) mit ihren Nutzer*innen? Lässt sich die SDC-Relation mit bekannten Praxen des Fortbewegens (Gondeln, Taxis, Straßenbahn) hinsichtlich der Autonomiefrage vergleichen?