PD Dr. Rupert Gaderer

Rupert Gaderer ist Akademischer Oberrat an der Ruhr-Universität Bochum. 2018 habilitierte er sich mit einer Arbeit über Kulturtechniken, Medien und Poetiken des Querulierens. Von 2016-2018 war er Vertretungsprofessor an der TU Dortmund, der Ruhr-Universität Bochum sowie Visiting Professor, Max Kade und Charlotte M. Craig Fellow an der Rutgers University (USA, NJ). Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum und Post-Doc am DFG-Graduiertenkolleg „Mediale Historiographien“ (Weimar/Erfurt/Jena). Seine Forschungsschwerpunkte sind: Kulturtechniken, Medienphilologie und Mediengeschichte.

Aktuelle Veröffentlichungen:

Shitstorm. Das eigentliche Übel der vernetzten Gesellschaft, in: ZMK Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung, H.2 (2018), S. 27-42; Statusmeldungen. Stefanie Sargnagels Gegenwart sozialer Medien, in: Sprachmedialität. Verflechtungen von Sprach- und Medienbegriffen. Hg. v. Hajnalka Halász und Csongor Lörincz. Bielefeld: transcript 2019, S. 385-403; Was ist eine medienphilologische Frage?, in: Medienphilologie. Konturen eines Paradigmas. Hg. v. Friedrich Balke und Rupert Gaderer. Göttingen: Wallstein 2017, S. 25-43; Querulieren. Streit, Wahnsinn und Lärm 1700-2000 (Druck in Vorbereitung, 2019).

Forschungsprojekt Sommersemester 2019

Agitation, Simulation und Kampf in digitalen Lebenswelten

Das Forschungsprojekt untersucht aus einer medienkulturwissenschaftlichen Perspektive die Simulation und Virtualität digitaler Agitation. Dabei stehen drei Problemfelder im Zentrum des Projekts: Erstens stellt sich die Frage nach den soziotechnischen Infrastrukturen der digitalen Simulation des Streits. Bei diesem Aspekt sind Netzwerk-Dispositive relevant, die ein soziotechnisches Gefüge entstehen lassen und virtuelle Foren der Differenzaustragung entwerfen. Der zweite Bereich betrifft die Computergeschichte digitaler Konflikte. Angesprochen sind damit jene schwer kontrollierbaren Störungen, die in den 1970er Jahren als ›Flamewars‹ bezeichnet wurden. Sie wurden in Mailing-Liste, News-Gruppen oder Diskussionsforen beobachtet und stellten bereits damals eine systemimmanente Störung der textbasierten Kommunikation dar. Das dritte Problemfeld berührt die Simulation der Simulation der Agitation. Seit den 2010er Jahren bieten mehrere Beratungs-Agenturen sogenannte »Shitstorm-Simulatoren« an, die es ermöglichen, Krisen-Szenarien der digitalen Empörung zu testen. Konzerne, politische Parteien und Personen in der ›Celebrity-Culture‹ setzen diese Simulationen ein, um gruppenpsychologische Effekte zu beobachten und eine Steigerung der präventiven Krisenarbeit des unternehmerischen Selbst zu erzielen. Unter diesen drei Aspekten untersucht das Projekt digitale Agitations- und Konflikt-Szenarien im Horizont aktueller Medien- und Kulturtheorien der Computersimulation.

»The Society if« Computer, Simulation, Zukunftswissen

Die Beschäftigung mit der Zukunft zieht ihren Reiz daraus, Bereiche des Ungewissen, des Unsicheren und des Unbekannten zu explorieren. Sie ist getragen von einem hypothetischen Index von (Nicht-)Wissen, der genuin mit den epistemologischen Bedingungen von Computersimulationen und ihren Zeitregimen verknüpft ist. Computersimulationen arrangieren virtuelle Lebenswelten, in denen Szenarien des Möglichen dargestellt und erprobt werden. Das Projekt geht von der Beobachtung aus, dass Computersimulationen, Orte entstehen lassen, an denen die Zukunft bereits angekommen ist. Unter dieser Prämisse thematisiert das Forschungsprojekt den Zusammenhang von Zukunftswissen und Simulation in dreifacher Weise:

Erstens beschäftigt es sich mit Computersimulationen als Medien der Schließung von Zukunft, etwa bei ›simulatorischen Taktiken‹ in Social-Media-Anwendungen. Hier wird die Verbindung von Technologischem und Sozialem in den letzten Jahren mehr und mehr für die Errechnung eines zukünftigen Verhaltens eingesetzt und für die Regulierung moderner Kontrollgesellschaften relevant.

Zweitens untersucht das Forschungsprojekt Computersimulationen als Medien der Öffnung von Zukunft: Ausgehend von der These, dass sich derzeit ein gesellschaftspolitischer Turn ›Zurück in die Zukunft‹ abzeichnet, ist der Stellenwert von Computersimulationen im Kontext des Bemühens um eine Rehabilitation utopischen Denkens in Form von ›Real Utopias‹ relevant.

Drittens befasst sich das Projekt mit Computersimulationen als Narrationen von Zukunft: Einerseits stellt sich die Frage, inwiefern Computersimulationen als zeitbasierte Medien Erzählstrukturen spezifizieren. Andererseits sind Medienkulturen der Computersimulation in der Science-Fiction angesprochen. Auffallend ist nämlich, dass gerade in Literatur, Film und Videospielen eine intensive Auseinandersetzung mit der Mimesis von digitalen Simulationen der Zukunft stattfindet – sowohl in Bezug auf eine Problematisierung und Antizipation möglicher Entwicklungen der algorithmischen Vorhersage als auch in Form eines (ganz wörtlichen) ›Durchspielens‹ alternativer Welten.

Projektverantwortliche: PD Dr. Rupert Gaderer und Prof. Dr. Sebastian Vehlken