Philipp Hauß

Sehen Sie sich im Rahmen
unserer Video-Serie MECS
Profiles das Fellow Profile und die Forschungsarbeit von Philipp Hauß an.

Fellow Profile

Philipp Hauß, geboren am 22. Februar 1980 in Münster, lebt und arbeitet in Berlin und Wien. Schauspielausbildung von 1998 bis 2002 am Max Reinhardt-Seminar Wien, während der Ausbildung Regieassistenzen bei Christoph Schlingensief. Seit 2002 ist Philipp Hauß festes Ensemblemitglied am Burgtheater Wien. Studium der Philosophie an der Universität Wien und schreibt an seiner Dissertation bei Claus Pias.

 

FORSCHUNGSPROJEKT

Die Datensammler von Mill Valley

Wer an Wellness denkt, hat entweder die luxuriösen Wellness-Resorts mit ihren modernen Spas, Alltagsqual lindernden Anwendungen und einer reizarmen Küche im Kopf. Oder man denkt an Yogabegeisterte, die auf einer grünen Wiese nach dem Sonnengrußund dem Pilates-Training ihr Mantra vor sich hin summen.

Wenn man die Ursprünge und die Frühzeit der Wellness-Bewegung betrachtet, erblickt man aber zunächst etwas ganz Anderes: Statistik.

Halbert L. Dunn, der im Jahr 1959 insgesamt 29 Vorträge zum Thema ›High-Level Wellness‹ in der Unitarian Church in Arlington, Virginia, USA, hielt, (vgl. Dunn 1961) war ein Pionier der Vital Statistics in den USA. Die Talks verbreiteten per Radio High-Level Wellness als Methode, um die Folgen des statistischen Bedrohungsszenarios –Bevölkerungswachstum, Landflucht, Beschleunigung –aufzufangen. Dass dieses Szenario überhaupt erfasst werden konnte, dafür hatte Dunn als Chief Statistician des National Office of Vital Statistics bzw. des National Center of Health selber gesorgt.

Aber auch als Wellness die Karteikästen und Mikrofilmarchive Washingtons verlassen hatte, nach Kalifornien gezogen war und in der San Francisco Bay Area 1975 das weltweit erste Wellness-Zentrum eröffnet wurde, das Mill Valley Resource Center, blieb das grundlegende Prinzip gleich: vitale Vorgänge in Zahlen zu übersetzen, mit Statistik zu verknüpfen und so einen Lebensstil zu definieren, der das Wellness-Level fortlaufend anhebt.

Während es bei Dunn vor allem um eine akkurate Zustandsbeschreibung der Volksgesundheit geht, steht ab 1975 eine Verschaltung von individuellen Daten mit gesellschaftlichen Mittelwerten im Vordergrund, nicht zuletzt um vorraussagend zu agieren, "as a predictive, rather than merely explanatory indicator" (Jackson 2013:193). Die in Zahlen übersetzten vitalen Prozesse lassen einen simulierten Körper der Datenverarbeitung im Computer entstehen. Für diesen Körper lassen sich verschiedene Zukunftsszenarien durchspielen, denen eine heuristische Funktion zukommt. Bis in die heutige "Quantified Self"-Szene ist diese Neufassung des Menschen als Mixed-Media-Kunstwerk wirksam.

Besonderes Augenmerk gilt der Rolle der Computerisierung. Dunn hatte schon in den 1920ern an der Mayo Clinic vereinheitlichte "Punchcard"-Formulare und deren elektronische Auswertung durchgesetzt. Travis hatte in den 1970ern für die Abteilung des Health Services Research des U.S. Public Health Sevice eines der ersten computerisierten Verfahren zur Gesundheitsrisikobewertung entwickelt. Es ist eines der Kernthemen von Wellness, zwischen Wissenschaft "als Synonym kalter Berechnung, anti-normalen Verhaltens....und einer universaleren Botschaft, die toleranter und respektvoller ist gegenüber anderen Beziehungen zwischen Mensch und Natur" (Rheinberger/Bayertz/Springer 1986:186), zu moderieren. Oder wie Don Ardell sagt: "It invites recall of F. Scott Fitzgerald's line that 'the test of a first-rate intelligence is the ability to hold two opposed ideas in mind at the same time, and still retain the ability to function" (Ardell 1985:2).