Prof. Dr. Mathias Fuchs

Mathias Fuchs ist Künstler und Medienwissenschaftler. Er studierte Informatik und Komposition in Erlangen, Wien und Stockholm. 2010 promovierte er mit einer Arbeit zu „Sinn und Sound“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er lehrte und forschte an der Universität für angewandte Kunst und an der Musikhochschule in Wien, der Sibelius-Akademie in Helsinki und der University of Salford in Manchester, wo er drei MA Programme entwickelte und leitete. Pionierarbeit auf dem Gebiet der künstlerischen Nutzung von Spielen sowie Arbeiten zu Game Art und Games Studies. 2011 und 2012 Vertretungsprofessur an der Universität Potsdam für "Visuelles Denken und Wahrnehmen". 2012 bis 2015 Leitung des Forschungsprojekts "Art & Civic Media" und Gründung des Gamification Lab am Innovations-Inkubator an der Leuphana Universität Lüneburg. Letzte Publikationen: Diversity of Play (Hrsg.), Lüneburg 2015 (meson press); “Predigital Precursors of Gamification”. In: M. Fuchs, S. Fizek, P. Ruffino, N. Schrape (Hrsg.): Rethinking Gamification. Lüneburg 2014 (meson press).

 

FORSCHUNGSPROJEKT

Inszenierung von Computersimulationen

Mit dem leicht missverständlichen aber dafür umso eindringlicheren Titel „Computers as Theatre“ gelang Brenda Laurel in den 90er Jahren ein medienwissenschaftlicher Publikationserfolg, der auf der Behauptung fußte, dass man gewisse Formen von Software (also nicht die Computer selbst) als Drama (also nicht als Theater) verstehen könne. Laurel ging dabei von einem aristotelischen Konzept von dramatischer Kunst aus. Obwohl zur Zeit der Publikation episches Theater, absurdes Theater und andere dramatische Konzepte, neue Inszenierungsformen und Inszenierungsstile wie die von Peter Brook, Heiner Müller oder Ariane Mnouchkine wohlbekannt waren, vermengte Laurel all jene unter dem Begriff „theatre“. Interessant an Laurels Ansatz erscheint mir jedoch, dass die Inszenierung von Software als ebenso bedeutend betrachtet wurde wie der Werkzeug- und Funktionscharakter der Software.

Es soll hier der Vorschlag unterbreitet werden, Computersimulationen (CS) auf den Aspekt ihrer jeweiligen Inszenierung zu untersuchen. Als Inszenierung wird ein Ensemble aus Bildern und Tönen, Zeichen, Kontexten und Praxen verstanden, die der Vermittlung der Simulation aufgesetzt werden. Vermittels dieser ästhetischen Maske legitimieren Simulationen sich als gangbar und gültig. Die Frage, ob simulierte Systeme mit realen Sachverhalten übereinstimmen, wird dabei ausgeklammert und auf ein lebenspragmatisch greifbares Feld verschoben. Anstelle der Verifikation oder Falsifikation der Simulation tritt Validierung (Maturana 1982) und Viabilität (von Glasersfeld 1997). In einem ästhetischen Diskurs spielt es eben eine Rolle, ob – um ein Beispiel zu wählen – im Wetterbericht Niederschlagsmengen als runde, weiße und zweidimensionale Wolken dargestellt werden, oder als farbige Säulen eines Histogrammes. Zusätzlich zur Visualisierung der gerechneten Werte spielen auch kontextuelle Faktoren eine Rolle: die Sendezeit, die Person des Sprechers/ der Sprecherin, das Wiedergabemedium usw. An einem anderen Beispiel, der Inszenierungsgeschichte der Lunar Lander Computerprogramme, sieht man wie technische Bedingungen, verfügbare Hardware, Interface Devices, Programmierstile und Designtrends auf die Rezeption einer Simulation einwirken können.

Ausgangspunkt meiner Recherche werden eigene künstlerische Arbeiten zur Inszenierung städtischer Räume in Computerspielen sein (Manchester, Bradford und Lüneburg) und Simulationen stadtplanerischer Projekte. Eine Bestandsaufnahme von Stadtsimulationen und deren Inszenierungsstilen soll ein Spektrum von Inszenierungsmodellen entwickeln, analysieren und kritisch einschätzen. Dabei werden der historische Kontext und die ästhetische Konstruktion jenseits von Referentialität eine Rolle spielen, denn es ist kaum anzunehmen, dass Brenda Laurel Recht damit hat, zu behaupten: “the representation is all there is” (Laurel 2013: 116).