Ricky Wichum

Ricky Wichum hat Soziologie und Politikwissenschaft in Jena und Freiburg studiert. Seit 2009 arbeitet er am Institut für Soziologie in Freiburg an einer Dissertation zum Thema Biometrie („Biometrische Netzwerke. Zur Soziologie der Übersetzung“) und als wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Projekten im Bereich der Sicherheitsforschung. Zu seinen Schwerpunkten in Lehre und Forschung gehören Soziologische Theorie, Kulturtheorien der Technik und Sicherheit. Jüngste Publikation: "Security as Dispositif: Michel Foucault in the Field of Security", in: Foucault Studies, No. 15, pp. 164-171, February 2013.

 

FORSCHUNGSPROJEKT

Securing the Network Society. (Computer-)Simulationen sozialer Vulnerabilität

Seit den 1990er Jahren haben die Verbreitung von elektronischen Viren oder Hackerangriffe auf Verteidigungs-, Verkehrs- und Energiesysteme eine fundamentale Verbindung zwischen Computernetzwerken und den lebensnotwendigen Infrastrukturen des Sozialen offenbart. Informations- und Kommunikationstechnologien sind einerseits die Quelle des gesellschaftlichen Lebens, andererseits aber eben auch Einfallstor zur Verwundbarkeit vitaler gesellschaftlicher Systeme. Die hiermit aufgerufenen Bedrohungslagen fokussieren entsprechend nicht mehr nur physikalische, sondern ebenso digitaltechnische Angriffsmöglichkeiten auf das Soziale und dessen „Lebensadern“. Dieser Diskurs um Kritische Infrastrukturen verweist auf tiefgreifende Veränderungen in den gesellschaftlichen Sicherheitsdispositiven. Zentral adressiert wird dabei die ubiquitäre Verwundbarkeit hochgradig vernetzter Gesellschaften, die mit den Konsequenzen ihrer eigenen wissenschaftlich-technischen Entwicklung konfrontiert sind. Weil in solchen Imaginationen der Verwundbarkeit des Sozialen weder der Eintritt des zukünftigen Ereignisses noch der Schaden, den dieses Ereignis nach sich zieht, vorhersehbar ist, werden Szenarientechniken als Computersimulation erforderlich, die etablierte Verfahren der Zukunftskalkulation übersteigen und gleichzeitig in der Lage sind, die Komplexität moderner Gesellschaftssprozesse und -dynamiken abzubilden. Neuartige institutionelle Arrangements wie u.a. das dem Department of Homeland Security unterstellte National Infrastructure Simulation and Analysis Center (NISAC) in den Vereinigten Staaten setzen in diesem Sinne auf Computersimulation, „to help prevent, prepare for, respond to, or recover from, a natural or human-caused disruption to critical infrastructure.“

Das Forschungsprojekt am MECS fragt nach den konkreten institutionellen Arrangements, Einsatzformen und Wissensformationen der Computersimulation in den biopolitischen Strategien des Schutzes Kritischer Infrastrukturen. Das Ziel des Projekts ist es, ein Verständnis der gesellschaftlichen Bedingungen und Effekte der Computersimulation in diesem Feld zu gewinnen. Denn das Aufkommen von Computersimulation konvergiert mit einem seit den 1970er Jahren zu beobachtenden Wandel moderner Gesellschaften, in dem die Entscheidungsabhängigkeit der Zukunft der Gesellschaft zugenommen hat und letztlich in einem Zwang resultiert, über ungewisse Zukünfte entscheiden zu müssen, auch wenn kein gesichertes Wissen mehr existiert, das diese Entscheidungen absichert. Nicht zuletzt ruft das mit hypothetischen Index erzeugte Wissen der Computersimulation auch Fragen nach theoretischen und grundbegrifflichen Konsequenzen für das soziologische Denken der Gegenwart auf, denen im Rahmen des Projekts nachgegangen werden soll.

Ricky Wichum hat Soziologie und Politikwissenschaft in Jena und Freiburg studiert, Promotion 2015 am Institut für Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg mit einer Arbeit zum Thema „Biometrie. Zur Soziologie der Identifikation“. Forschungsschwerpunkte sind Kultursoziologie, Governmentality Studies sowie Theorien der Sicherheit und Kontrolle.