Seline Hippe

(Zweit-)Studium der Medienwissenschaft, Klinischen Psychologie und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Basel und St. Gallen; 2009 Lizentiat an der Universität Basel; Oktober 2010-Oktober 2011: Einstiegsstipendium der Universität Siegen (Medienwissenschaft); Januar 2012-lfd.: Doktorandin am Lehrstuhl für Kulturtheorie und -analyse der Zeppelin Universität Friedrichshafen; Mai-Sept. 2013: Junior Fellow am MECS.

 

FORSCHUNGSPROJEKT

Im Zentrum meiner Forschungsarbeit (Diss.-Projekt) steht die systemtheoretische Aufarbeitung ,des (Digital-)Computers‘ als eines eigenständigen Systemtyps innerhalb der Luhmann’schen Systemtheorie. Von besonderem Interesse sind hierbei (1) die Frage nach der Art oder Qualität dieses Systemtyps (maschinell, transklassisch, technisch-medial etc.) sowie (2) die Frage nach den strukturellen Kopplungen, die dieser besondere Systemtyp qua Signalströme, formaler Sprache (-> Programmcodes; Software) bzw. Wahrnehmungsgegenstände (-> wahrnehmbar gemachte Softwareapplikationen) zu lebenden, sozialen bzw. psychischen Systemen unterhält. Die Leistung oder Funktion dieses von mir vermuteten Systemtyps besteht, so die These in expliziter Anlehnung an Turing (1950), Ashby (1957), Luhmann (2009b; 1997) u.a.m., darin, (Teil-)Leistungen oder Funktionen anderer Systemtypen (soziale, psychische, lebende?) zu emulieren.

Einen kleinen Schritt über die Simulation hinausgehend interessiert mich daher die Frage, welche (Teil-)Leistungen sozialer und psychischer Systeme Digitalcomputer, verstanden als transklassisch-maschinelle Systeme, zu emulieren vermögen und welche Implikationen damit verbunden sind. Anders gefragt: Welche sozialen und psychischen Funktionen emuliert das transklassisch-maschinelle System ,Digitalcomputer‘ – in all seinen Erscheinungsformen (vor allem also als eingebettetes und oft auch vernetztes System)? Wie kommen diese Emulationen zustande und welche Konsequenzen zeitigen sie?

Da im Fokus meiner Forschungsarbeit ,der (Digital-)Computer‘ steht, gehe ich diese Frage auch aus dieser Perspektive an. Eine zentrale Bedeutung in diesem Gefüge kommt m.E. der formalen Sprache in ihren unterschiedlichen Ausprägungen als Medium und Form zugleich zu: als Maschinen- oder (höhere) Programmiersprache ebenso wie als konkreter, spezifischer Maschinen- bzw. Programmcode. Vor diesem Hintergrund untersuche ich die Frage, was es bedeutet, formale Sprache als ,Verbindungsglied‘ bzw. als Medium und Technik (Form!) struktureller Kopplung von ,(Digital-)Computern‘ (als Systemtyp) und sozialen Systemen zu begreifen – Technik hier verstanden als Sach- oder Real-, Intellektual- und Sozialtechnik.

Wann immer Digitalcomputer irgendetwas simulieren oder emulieren, so ist daran wesentlich Software, und das heißt in bestimmte Formen gebrachte formale Sprache, beteiligt. Diese Formen oder Programmcodes sind aber nicht allein abhängig von spezifischen Sach- oder Realtechniken, sondern immer auch Ausdruck bestimmter Intellektual- und Sozialtechniken. Sobald ,Computer‘ (vgl. Computersimulationen, Roboter in der Fertigung, im Gesundheitssystem etc.) Gegenstand von Forschung sind, ist es m.E. daher unerlässlich, sich auch der formalen Sprache als Medium und Technik (Form) zuzuwenden: Nur so können die Möglichkeiten, Grenzen und Bedingungen von Computersimulationen bzw. -emulationen hinreichend ausgelotet werden.

 

Präsentationen/Vorträge (Auswahl)

„Computer aus Sicht der Systemtheorie – einmal anders“, Vortrag anlässlich des 4. Research Day 2013 der Zeppelin Universität, 25. Jan. 2013, ZU Friedrichshafen
„Software als Medium und Technik struktureller Kopplung“, Vortrag im Rahmen des Doppelpanels „Techné/Mechané“ der AG Medienphilosophie anlässlich der GfM-Jahrestagung, 3.-6. Oktober 2012, Goethe-Universität Frankfurt a. M.
„CPS – Oszillation zwischen Autonomie und Kontrolle“, Präsentation Trendprofil im Rahmen des vom BMBF Foresight Prozesses geförderten Dok-Panels, 27./28. September 2012, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) Karlsruhe
„Transklassische Maschinen – ein Systemtyp sui generis?“, Referat anlässlich des interdisziplinären Workshops „Computer und Weltgesellschaft“, 2. März 2012, Universität Luzern
„Digitale Codierung und Programmierung aus Sicht der Systemtheorie“, Vortrag gehalten am 14. Oktober 2011 im Rahmen des 13. Internationalen Semiotik-Kongresses 2011 „Repräsentation, Virtualität, Praxis“, 12.-16. Oktober 2011, Universität Potsdam
„Unsichtbare Maschinen. Systemtheoretische Analysen zu einem technisch-medialen System sui generis und seiner Implikationen“, Vortrag gehalten am 29. September 2011 im Rahmen der Summer School „Kulturraum Technik“, 26.-30. September 2011, Rommerz bei Fulda
„Strukturelle Kopplungen technisch-medialer Systeme“, Vortrag gehalten im Rahmen der Nachwuchstagung der Fakultät I der Universität Siegen, 09. Juli 2011, Artur-Woll-Haus, Universität Siegen.

 

Mitgliedschaften

  • Gesellschaft für Medienwissenschaft (AG Medienphilosophie)
  • Deutsche Gesellschaft für Semiotik (Sektion Soziale Systeme)
  • Deutsche Gesellschaft für Soziologie

 

Abstract Diss.-Projekt (Zu Friedrichshafen)

Das von mir projektierte Dissertationsvorhaben unternimmt den Versuch einer spezifischen Fortschreibung der soziologischen Systemtheorie. Dabei besteht der anvisierte Beitrag in einer fortgeführten Aufarbeitung ,des Computers‘ als eines eigenständigen Systemtyps innerhalb der Luhmann’schen Theoriearchitektur. Dieser Ansatz, so die These, wurde im Kern bereits von Luhmann vertreten, von ihm jedoch erst angedacht und noch nicht hinreichend ausformuliert.

Im Rahmen dieser Arbeit wird jedoch nicht allein dieser spezifische, vermutete transklassisch-maschinelle Systemtyp ,(Digital-)Computer‘, sondern werden insbesondere auch seine Umwelt-Interdependenzen, in systemtheoretischer Terminologie: seine strukturellen Kopplungen, fokussiert. Hierbei, so die These, kommt ,der Software‘ als Medium und Technik struktureller Kopplung eine, wenn nicht gar die entscheidende Rolle zu.

Drei Momente motivieren dieses Forschungsprojekt: (1) die beständig weiter fortschreitende Informatisierung oder „Computerisierung des Alltagslebens“ (Luhmann), mit Mark Weiser das Phänomen des „Ubiquitous Computing“, (2) die Überzeugung, dass es sich dabei um ein unsere Erfahrungswelt nachhaltig prägendes Phänomen handelt, dessen individuelle und/oder gesellschaftliche Auswirkungen heute aber bestenfalls erahnt werden können, was eine entsprechende Anpassung in der Fragestellung erfordert, und (3) schließlich, hieran anschließend, die Vermutung, dass die Luhmann’sche Systemtheorie ihrer Anlage nach ein in höchstem Maße geeignetes Instrumentarium bereithält, um sich dem Phänomen ,Computer‘ – in seiner funktionalen Vielgestaltigkeit und sozialen Verwobenheit – adäquat annähern zu können. Es soll folglich ein deskriptiver Theorieansatz weiterentwickelt werden, dessen Potential, so die Hypothese, noch nicht ausgeschöpft ist. In diesem Sinne versteht sich dieses Projekt als Beitrag im Rahmen der systemtheoretischen Grundlagenforschung.