Erfahrungsberichte

Warum haben sich die Studierenden der interkulturellen Kommunikation der Hōsei Universität Tokio für ein Auslandssemester an der Leuphana entscheiden? Welche Aspekte der deutschen Kultur, Kunst oder Geschichte fanden sie besonders interessant? Welche Orte und Begegnungen werden besonders in Erinnerung bleiben? Und welche Unterschiede zwischen Japan und Deutschland wurden deutlich? In den folgenden Erfahrungsberichten erzählen die Teilnehmenden der letzten drei Jahre von ihren Erlebnissen.

Wintersemester 2024_25

Kulturelle Begegnungen und neue Freundschaften

Für eine Gruppe japanischer Studierender der Hōsei-Universität Tokio wurde Lüneburg in den vergangenen Monaten zu einem zweiten Zuhause. Zwischen Seminaren, Ausflügen und neuen Freundschaften erlebten sie ein Semester voller Entdeckungen, Herausforderungen und persönlichem Wachstum an der Leuphana. Hinako Saito und Erika Kawasaki erzählen von ihren Eindrücken.

©Hana van Loock
Exkursion zum Schweriner Schloss im Oktober 2024

Schon früh zeigte sich, dass das Studium in Deutschland einige Unterschiede zu dem in Japan aufwies. Besonders beeindruckt waren die Studentinnen von der aktiven Seminarteilnahme ihrer deutschen Kommiliton*innen und den lebhaften, interaktiven, und auch kritischen Diskussionen. Das internationale Umfeld an der Leuphana, geprägt von Studierenden aus aller Welt, machte das Miteinander besonders spannend und vielseitig. Besonders in Erinnerung blieben Veranstaltungen wie Kultur und Gesellschaft in Deutschland, die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR sowie Besuche der Gedenkstätte Bergen-Belsen und der Volkswagen Autostadt. Den Deutschunterricht empfanden sie zwar als eine Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse intensiv zu verbessern.  

Doch nicht nur das Lernen stand im Mittelpunkt. Viele nutzten die Gelegenheit, sich in extracurriculären Aktivitäten einzubringen oder zu reisen. Hinako fand im Orchester schnell Anschluss und erlebte, wie Musik als universelle Sprache Menschen verbindet. Erika probierte beim Hochschulsport Pilates und Badminton aus und schätzte sowohl die körperliche als auch mentale Ausgeglichenheit, die diese Aktivitäten ihr boten. Beide Studentinnen berichteten begeistert, über gemeinsame Interessen Freundschaften geknüpft zu haben. Besondere Momente erlebten die Studierenden auch auf ihren Reisen durch Deutschland. Ob die Berliner Philharmonie, die Leipziger Thomaskirche, die historische Altstadt von Köln oder unzählige Museumsbesuche in vielen weiteren Städten – die Vielfalt an Architektur, Geschichte und Kultur beeindruckte nachhaltig.Ein bedeutendes Erlebnis war das Wohnen in einer WG – für die Studentinnen eine völlig neue Erfahrung. Anfangs stellte die sprachliche Barriere eine Herausforderung dar, doch bald wurde das Zusammenleben als bereichernd empfunden. Durch spontane Gespräche in der Küche und gemeinsame Unternehmungen entstanden schnell Freundschaften, von denen einige auch über den Aufenthalt hinaus Bestand haben werden. Auch bei universitären Veranstaltungen und Begegnungsorten wie im Buddy-Programm, in den Trafos oder dem Klippo knüpften sie viele neue Bekanntschaften.

Die Studierenden lernten während ihres Aufenthalts viel über Deutschland und seine Kultur. Sie waren beeindruckt von der Hilfsbereitschaft und Offenheit, die sie im Alltag erlebten, sei es in den Wohnheimen oder im Austausch mit Kommiliton*innen. Besonders auffällig war die Bedeutung von Kommunikation auch zwischen Fremden – das Grüßen und der ungezwungene Austausch, sogar in öffentlichen Verkehrsmitteln, waren zunächst ungewohnt, wurden aber bald geschätzt. Auch das Umweltbewusstsein der Deutschen, insbesondere das Recycling und die Wiederverwertung, hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Die Zeit in Deutschland führte auch zu einer neuen Wahrnehmung der eigenen Kultur. Während die japanische Gastfreundschaft (Omotenashi) und die Pünktlichkeit der öffentlichen Verkehrsmittel nun umso mehr geschätzt wird, wurde deutlich, dass soziale Normen in Japan oft restriktiver sind und weniger Raum für Individualität lassen. Die beiden Studentinnen nahmen sich vor, nach ihrer Rückkehr bewusster auf interkulturellen Austausch zu achten und ihre Sprachkenntnisse weiterzuentwickeln.

Die Erwartungen an den Aufenthalt wurden in vielerlei Hinsicht übertroffen. Zwar stellte sich heraus, dass im Alltag häufiger Englisch als Deutsch gesprochen wurde, doch insgesamt verbesserten viele ihre Sprachkenntnisse – besonders das Hörverständnis – deutlich. Am meisten vermissen werden die Studierenden das WG-Leben und die enge Gemeinschaft, die sich darin entwickelte. Viele hätten sich nicht vorstellen können, wie sehr sie dieses Zusammenleben prägen würde. Die Vorstellung, nach der Rückkehr in Japan wieder ins Elternhaus zu ziehen, fiel einigen schwer.

Insgesamt berichten Hinako und Erika, wie sich auch ihre persönliche Einstellung über die Zeit des Aufenthalts hinweg veränderte. Sie wurden offener, toleranter und merkten, wie wichtig es ist, täglich mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Was bleibt, ist die Erinnerung an eine unvergessliche Zeit voller Begegnungen, Entdeckungen und persönlicher Entwicklung. Deutschland wurde nicht nur zu einem Ort des Lernens, sondern ein Zuhause auf Zeit – mit Erfahrungen, die weit über die Studienzeit hinaus nachwirken werden.

Das Interview führte Hana van Loock
 

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Wintersemester 2023_24

Von der Millionenmetropole Tokio nach Lüneburg

Kasumi und Reina sind zwei der insgesamt 14 Studierenden der Hosei-Universität Tokio, die im Wintersemester 2023_24 ihr Auslandssemester hier an der Leuphana Universität Lüneburg verbracht haben. Zum Ende ihres Aufenthalts sprechen wir mit ihnen über ihre Erfahrungen.

©Hendrik Janssen
Die Studierenden aus Tokio an ihrem ersten Tag an der Leuphana vor dem Zentralgebäude im September 2023

Welchen Studiengang studiert Ihr an Eurer Heimatuniversität?

An unserer Heimatuniversität, der Hosei Universität in Tokio, studieren wir Interkulturelle Kommunikation. Innerhalb unseres Studiengangs können wir unter verschiedenen Sprachen wählen, darunter Chinesisch, Koreanisch, Spanisch, Französisch und auch Deutsch als dritte Fremdsprache. Zusätzlich zu den Sprachoptionen können wir unseren Schwerpunkt entweder auf Kunst, Kulturwissenschaften oder Literaturwissenschaften setzen. Im vierten Semester absolvieren dann alle Studierenden ein Auslandssemester in einem Land, in dem die von ihnen gewählte Sprache gesprochen wird.

Warum habt Ihr Euch für ein Auslandsstudium in Deutschland entschieden?

Reina: Ich war bereits in Kanada und wollte nun ein Land erleben, in dem Englisch nicht die Amtssprache ist, um noch eine weitere Fremdsprache zu lernen.

Kasumi: Mich faszinieren osteuropäische Kulturen und die Geschichte der DDR. Mein Interesse dafür wurde geweckt, nachdem ich das Buch „Vorabend der Revolution“ von Suga Shinobu gelesen hatte. Dieses Buch handelt von einem Japaner, der in der DDR studiert. 

Ich konnte während meines Auslandssemesters Berlin und Dresden besuchen.

Gibt es Aspekte der Deutschen Kultur, Kunst oder Geschichte, welche Du während Deines Auslandssemesters besonders interessant fandest?

Kasumi: Ich habe im vergangenen Semester viele Museen besucht, wobei ich besonders Bilder interessant fand, die das Christentum darstellen, da diese in Japan nicht weit verbreitet sind.

Reina: Ich habe eine Leidenschaft für Oper und Ballett. Im Januar haben wir als Teil unseres Study Abroad Programms gemeinsam eine Vorstellung von „Schwanensee“ in der Hamburger Staatsoper erlebt. Ich war überrascht von der Vielfalt der Aufführungsstile und davon, dass in Deutschland auch viele junge Menschen die Oper besuchen.

Was hat Dich während Deines Auslandssemesters am meisten überrascht?

Kasumi: Ich erinnere mich noch, dass ich zu Beginn sehr erstaunt darüber war, dass am Sonntag die meisten Geschäfte in Deutschland geschlossen haben. In Japan ist das ganz anders, da ist der Sonntag der geschäftigste Tag der Woche.

Reina: Bekanntlich fahren die Züge in Japan sehr pünktlich. Das hatten wir auch von Deutschland erwartet, denn die Deutschen sind im Ausland eigentlich für Ihre Pünktlichkeit bekannt. In der Realität mussten wir dann am Lüneburger Bahnhof ständig die Anzeigetafel überprüfen, da die Abfahrt der Züge sich laufend veränderte. Es gab leider viele Zugausfälle und -verspätungen, auch wegen des GDL-Streiks. Wir haben für unsere Ausflüge daher oft den Flixbus gebucht.

Gab es vielleicht einmal ein lustiges Mißverständis?

Kasumi: Ja, ich bin einmal versehentlich auf der falschen Seite des Autos eingestiegen. In Japan herrscht nämlich Linksverkehr!

Reina: Ich habe manchmal gerätselt, welche Bedeutung ein Emoji haben könnte, weil diese in Japan und Deutschland manchmal ganz anders aussehen und unterschiedliche Bedeutungen haben können.

Ihr seid von der Millionenmetropole Tokio in das damit verglichen kleine Lüneburg gekommen. Wie war das für Euch?

Kasumi: Wir haben uns schnell hier eingelebt. Ursprünglich kommen wir beide aus eher kleineren Städten und sind erst zum Studieren nach Tokio gezogen. Die kleinen Häuser in der mittelalterlichen Innenstadt haben mir sehr gefallen, besonders in der Weihnachtszeit.

Reina: Ich finde es sehr schön, dass in Lüneburg viele Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sind. Im September haben wir einen Fahrradworkshop mit dem Hochschulsport gemacht, um selbst das Lüneburger Stadtrad zu nutzen. Das ist nämlich für Studierende der Leuphana 60 Minuten pro Fahrt kostenlos!

Habt Ihr eine Empfehlung für künftige Studierende von der Hosei Universität, was sie an der Leuphana in ihrer Freizeit unternehmen können?

Kasumi: Mir hat das Sprachtandem Programm sehr gefallen. Darüber konnte ich Kontakt zu einem Deutsch-Muttersprachler knüpfen und in unseren Treffen meine mündlichen Deutschkenntnisse ausprobieren.

Reina: Ich würde die Teilnahme an einem Hochschulsportkurs empfehlen! Es gibt ein vielseitiges Angebot – daraus habe mich für einen Tanzkurs entschieden. Die Kursleiterin ist sehr nett gewesen und hat neben Deutsch auch auf Englisch erklärt. So habe ich mich einbezogen gefühlt und hatte eine sehr schöne Erfahrung.

Liebe Kasumi, liebe Reina, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Hendrik Janssen

 

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Wintersemester 2022_23

Ryo Azuma und Hiroto Fukishima erzählen von ihren Eindrücken

22.03.2023 Von September bis Februar waren 13 Studierende der Hōsei-Universität in Tokio für ein Auslandssemester an der Leuphana. Ryo Azuma und Hiroto Fukushima erzählen von ihren Eindrücken.

„Hier in Deutschland funktioniert alles ein bisschen anders in Japan“, finden Ryo Azuma und Hiroto Fukushima. Sie sitzen im „Klippo“ im Zentralgebäude, inmitten vieler weiterer Studierende, die sich hier treffen um zu quatschen, zu lernen oder in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Die beiden 21-Jährigen erzählen von ihren Erlebnissen und Eindrücken als japanische Programmstudenten, die vom pulsierenden Tokio für ein halbes Jahr ins beschauliche Lüneburg gereist sind. Wie kam es dazu? Für Ryo und Hiroto ist es ein Auslandssemester, das sie im Rahmen ihres Studiums absolvieren. Beide studieren Interkulturelle Kommunikation an der japanischen Hōsei-Universität. Über deren Kooperation mit der Leuphana kamen sie und elf weitere japanische Studierende in diesem Herbst für ein Semester nach Lüneburg. Seit 2019 gibt es das Study Abroad Programm für Hōsei Studierende an der Leuphana, nach pandemiebedingter Pause konnten in diesem Jahr endlich wieder Studierende aus Tokio nach Lüneburg kommen. Ein Vorteil: „In Norddeutschland wird hochdeutsch gesprochen, das macht es für uns einfacher die Sprache zu lernen“, erklären Ryo und Hiroto. Beide besuchen gerade den B1-Deutschkurs an der Leuphana.

Für Hiroto Fukushima ist es das erste Mal in Deutschland, Ryo Azuma war während seiner Schulzeit schon einmal hier. Er besuchte Deutschland damals im Rahmen eines Programmes, in dem Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit hatten, weltweit über die Nuklearkatastrophe von Fukushima aufzuklären. Der Austausch ist vier Jahre her. „Ich bin in der Präfaktur Fukushima geboren und habe damals mit anderen Schülern über meine Erfahrungen gesprochen“, erzählt der heute 21-Jährige. Ryo ist im dritten Studienjahr und damit ein „junior“ an seiner Universität, während Hiroto im zweiten Jahr ist und damit als „sophomore“ gilt. „Das System an japanischen Universitäten ähnelt eher dem der USA“, erklären beide. Neben dem Kurs zum Spracherwerb standen für die japanischen Studierenden im aktuellen Semester Seminare zu Deutscher Kultur und Gesellschaft sowie über die Rezeption japanischer Kunst und Kultur in Deutschland auf dem Programm. Darüber hinaus hatten die Studierenden die Möglichkeit, im Komplementärstudium weitere Module frei zu wählen.

Im vergangenen halben Jahr haben Ryo und Hiroto viel unternommen – zusammen mit apl. Prof. Dr. Werner Preuß hat sich die Gruppe auf die Spuren der Lüneburger Geschichte begeben. In einem Seminar des Komplementärstudiums, geleitet von Dr. Annett Röper-Steinhauer, gingen sie gemeinsam mit Leuphana Studierenden der Frage nach, wie japanische Kunst in deutschen Museen gesammelt und ausgestellt wird. Eine Exkursion führte die Seminargruppe in das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, um dort eine gemeinsame Teezeremonie abzuhalten, eine weitere ins Museum für ostasiatische Kunst im Humboldt Forum Berlin. Im Rahmen des Sprach- und Orientierungsprogrammes haben die japanischen Studierenden ein gesamtes Wochenende in der Hauptstadt verbracht und dort zum Beispiel den Bundestag und das jüdische Museum besichtigt. Mit Hendrik Janssen, der an der Leuphana studiert und als studentische Hilfskraft im International Office tätig ist, hat die Gruppe einen Ausflug nach Bremen in die Kunsthalle sowie auf den mittelalterlichen Weihnachtsmarkt unternommen. Er stand den Programmstudierenden während des gesamten Aufenthaltes unterstützend zur Seite.

In Lüneburg haben Hiroto und Ryo einiges gelernt, vor allem über sich selbst: „Ich liebe das Reisen und möchte auch in Zukunft noch viel von der Welt sehen“, erzählt Ryo. Er habe dennoch festgestellt, dass er langfristig in Japan leben und arbeiten möchte. Bei Hiroto ist es etwas anders: Er möchte nach dem Bachelor gerne noch einen Master machen – und zwar im Ausland. „Es ist nicht mein erstes Auslandssemester, während der Schulzeit war ich schon einmal für ein halbes Jahr in Norwegen“, sagt er. „In Japan fangen die meisten nach dem Bachelor direkt an zu arbeiten, aber ich würde gerne noch ein weiteres Studium machen und finde das Reisen den Blickwinkel erweitert. Deshalb hoffe ich, dass ich die Möglichkeit bekomme, das Masterstudium im Ausland zu absolvieren.“

Das Interview führten Paula Muche und Hendrik Janssen

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