Complicit Collectors | Studentische Provenienzforschung im Ethnologischen Museum des Humboldt Forums
22.12.2023 Kaum ein anderer Ausstellungs- und Museumsort hat die Debatte um Raubkunst aus kolonialen Kontexten in Deutschland mehr bestimmt als das sogenannte Humboldt Forum in Berlin. Im Wintersemester 2022/23 besuchten Studierende der Leuphana Universität in einem kooperierenden Seminar mit Studierenden des Masterstudiengangs Kunstwissenschaft der TU Berlin in mehreren Exkursionen das vielfach öffentlich kritisierte Humboldt Forum in Berlin.
Im Fokus stand eine kritische Auseinandersetzung mit den Ausstellungsformaten der Sammlungen aus Afrika und Ozeanien: Welche Eindrücke und Bilder werden bei den Besucher*innen der Schaudepots des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum etabliert, welches Wissen wird vermittelt und was wird ausgelassen? Inwiefern schreibt die fehlende Auseinandersetzung mit Dimensionen kolonialer Gewalt die imperiale Geschichte fort?
Die Schaudepots des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum in Berlin stellen zwar hunderte Gegenstände aus ehemaligen Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien aus. Ganze Schaukästen sind jedoch nur mit einem Datum, einem Herkunftsgebiet und dem Namen derjenigen Person versehen, die die Objekte ins Museum brachte. Sie geben keine Auskunft darüber, wer diese Personen waren und wie sie in den Besitz der Gegenstände kamen. In welcher Beziehung standen die „sammelnden“ Protagonisten, die Museen und die koloniale Politik dieser Zeit?
Die forschende Auseinandersetzung mit den ausgestellten Objekten und den dazugehörigen „Sammlern“ mündete in dem kollektiven Beschluss, die Recherche auf einer in Eigenregie erstellten Webseite Complicit Collectors der Öffentlichkeit zugängig zu machen. Auf dieser wurden Informationen zu einigen der in den Ausstellungsräumen des Ethnologischen Museums vermerkten Personen zusammengetragen. Die Webseite gibt einen Überblick über ihre Biografie, Ausschnitte aus ihren Publikationen werden gezeigt und das Denken sowie Wirken der selbsterklärten „Afrikaforscher“ und „Sammler“ sichtbar gemacht.
Im Sommer fand außerdem ein Gespräch zwischen Studierenden sowie einigen an der Ausstellungskonzeption beteiligten Forscher*innen und Kurator*innen statt. Das bot die Möglichkeit noch einmal weiterreichende Fragen wie der nach der Rolle von Provenienzforschung im Prozess der Ausstellungskonzeption und dem Stand der Zusammenarbeit mit Forscher*innen aus Herkunftsgesellschaften gemeinsam zu diskutieren.
Text: Thekla Molnar, Student*in im Master Kritik der Gegenwart