Eröffnung der Utopie-Konferenz 2024: „Wir brauchen eine zweite Aufklärung“

30.08.2024 Unter der Überschrift „Wie utopisch ist das Vertrauen?“ diskutierten die Philosophin Eva von Redecker und der Publizist Michel Friedman mit den Gastgeberinnen Maja Göpel und Jagoda Marinić. Über drei Tage hinweg tauschen sich Bürger*innen und Studierende aus der ganzen Republik auf dem Campus der Leuphana Universität Lüneburg über den Begriff „Vertrauen“ aus.

©Ciara Burgess
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„Das Schlimmste für die Zukunft sind die Gleichgültigen“, mahnte der Philosoph, Jurist, Publizist und Moderator Michel Friedman im Zentralgebäude. Das Vertrauen darauf, dass Menschen in der Lage sind, sich zu engagieren und mit ihrem Engagement etwas verändern zu können, zählt zu seinen Grundüberzeugungen: „Ich vertraue darauf, dass Menschen, die es wollen, die Welt verändern können.“

Allerdings gehöre zum Vertrauen immer auch Misstrauen gegenüber den demokratisch gewählten Volksvertretern: „Das ist die Grundlage der demokratischen Idee. Wir wollen, dass die Macht verteilt wird. Wir wollen als Bürger – bei allem Vertrauen, das wir haben - kontrollieren, diskutieren und differenzieren“, argumentierte Michel Friedman.

Er sieht einen direkten Zusammenhang von Vertrauen und Wissen. Deshalb betonte er in seinen Statements die Bedeutung von Bildung: „Die größte soziale Ungerechtigkeit ist die Bildungsungerechtigkeit.“ Er sprach sich für eine „zweite Aufklärung“ aus und die Bereitschaft zu Engagement und Verzicht als Grundlage für die Lösung aktueller Probleme.

Die Philosophin Eva von Redecker forderte eine „bedingungslose Daseinsvorsorge, die jeder bekommt. Einfach, weil er Mensch ist“. Sie soll etwa bestehen aus einem Grundrahmen von medizinischer Versorgung, Energie und Wohnraum: „Wir sind eine reiche Gesellschaft. Die Ressourcen wären da. Wir sollten daran arbeiten, dass es nicht mehr Stärkere als Schwächere gibt. Aufklärung verstehe ich auch als Prozess, in dem alle Menschen zu Menschen werden, die frei leben und sich ihres Verstandes bedienen können“, argumentierte die Philosophin im Zentralgebäude. Vertrauen bezeichnete sie als den „Kern utopischen Denkens“.

Erstmals war die Schriftstellerin Jagoda Marinić eine der Gastgeberinnen der Utopie-Konferenz: „Wir leben in Zeiten, in denen viel Misstrauen herrscht – gegen die Politik, gegen Parteien. Dass wir hier zusammensitzen und gerade jetzt über Vertrauen nachdenken, ist reizvoll. Es braucht Vertrauen und Hoffnung. Für mich als Schriftstellerin ist das unglaublich wichtig. Ich erzähle meine Geschichten, im Vertrauen etwas zu bewegen.“

Weitere Gäste auf der Konferenzbühne sind die Schauspielerin und UNICEF-Botschafterin Katja Riemann, die Forschungsdirektorin der NATO-Militärakademie Florence Gaub sowie der Soziologe Heinz Bude.

Wer war dabei? Stimmen von der Utopie-Konferenz

©Dr. Marietta Hülsmann
An der Utopie-Konferenz begeistert Jana Schulte Hürmann insbesondere der generationsübergreifende Diskurs: „Hier kommen engagierte Menschen aus allen Altersgruppen zusammen.“

Die Alumna Jana Schulte Hürmann hat Umweltwissenschaften an der Leuphana studiert. Zur Utopie-Konferenz ist sie aus Österreich angereist. An der Wirtschaftsuniversität Wien studiert sie das Master-Programm Socio-Ecological Economics and Policy. „Viele Themen über die Eva von Redecker gesprochen hat, werden auch bei mir im Studium thematisiert wie etwa die bedingungslose Daseinsvorsorge“, berichtet die 25-Jährige. Die Impulse von der Utopie-Konferenz nimmt Jana Schulte Hürmann mit nach Wien: „Ich organisiere dort gemeinsam mit anderen Studierenden die ,Wirtschaftspolitische Akademie‘. Wir sind eine studentische Initiative, die plurale Ökonomik thematisiert und damit jenen Diskussionen Raum gibt, die im universitären Rahmen bisher oft zu kurz kommen.“ An der Utopie-Konferenz begeistert die Studentin insbesondere der generationsübergreifende Diskurs: „Hier kommen engagierte Menschen aus allen Altersgruppen zusammen.“

Der Journalist Carsten Axel Kintzinger aus Hamburg besucht die Utopie-Konferenz privat: „Ich habe gerade das neue Buch von Eva von Redecker gelesen. Michel Friedman kennt man als Fernsehzuschauer seit vielen Jahren. Auf der Utopie-Konferenz gibt es eine Vielzahl von Vortragenden, die ich sehr interessant finde.“

„Wir befinden uns in unsicheren Zeiten. Mit Leuten zusammenzukommen und gemeinsam zu sprechen, schafft bei mir Vertrauen. Es gibt mir das Gefühl, etwas bewegen zu können“, sagt der pensionierte Journalist Reiner Scholz.

Charlotte Decker hat an der Leuphana Management & Entrepreneurship studiert. Die Alumna ist aus Hannover angereist: „Ich profitiere von dem Austausch auf der Utopie-Konferenz und bekomme hier viele gute Denkanstöße. Nachhaltigkeit ist mir auch privat sehr wichtig.“

Leitung Utopie-Konferenz

  • Sven Prien-Ribcke, M.A.