Feierliche Eröffnung der Opening Week 2023
Freiheit zur Tiefe
06.10.2023 Mit einem großen Rucksack. Mit einem Block, einem Stift und sonst nichts. Zu Fuß. Mit dem Zug, dem Auto, dem Fahrrad. Schon seit einem Monat in Lüneburg. Seit einer Stunde in Lüneburg. Mit beantragtem Bafög, mit einer Idee, mit einer Frage. Über 1000 Erstsemester kamen zur feierlichen Eröffnung der Opening Week 2023 zum Thema „Collecting“ ins Zentralgebäude. Durch das Event mit vielen Impulsen und Begrüßungen führte der Hauptamtliche Vizepräsident Christian Brei.
„Wir leben in Zeiten multipler Krisen“, begann Christian Brei, „aber auch in Zeiten von Hoffnung.“ Es liegt an uns, was wir daraus machen. „Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?“ Der Vizepräsident betonte, dass die neuen Studierenden an keiner Orientierungswoche teilnehmen. Orientierung bot bereits die Schule sowie das vor- und außeruniversitäre Leben. Die kommenden Tage sind eher eine Einladung, mitgebrachte Orientierungen aufzulösen und sich Neuem zu öffnen – eben eine opening week. Die Leuphana bietet dabei den notwenigen Raum, den man braucht um sich, seine Themen und Fragen, zu entdecken und ist gleichzeitig ein safe-space.
„Ich nehme an, Sie sind voller Erwartungen angesichts Ihres Studiums, das heute beginnt“, wendete sich Präsident Sascha Spoun an die neuen Studierenden, „Sie haben die Frage im Kopf: Was werde ich hier an der Universität bekommen, was darf ich erwarten?“ Er versprach: „Vor allem werden Sie hier Freiheit bekommen, Freiheit zur Tiefe [depth].“ Er lud dazu ein, das Studium zu nutzen, um in die Tiefe zu gehen, sich wirklich mit einem Thema auseinander zu setzen, sich ihm widmen. Was die Studierenden hier erwartet hängt eng damit zusammen, was sie bereit sind zu tun. Das festgelegte Curriculum ist nur ein Teil des Studiums: „Der größte Teil ist Selbststudium, Lesen, Schreiben, Reflektieren, Diskutieren mit Kommilitonen.“ Eine Universität kann Rat und Feedback geben, aber den Studierenden den wichtigsten Part nicht abnehmen: In die Tiefe zu gehen und sich dabei weder ablenken lassen noch den Mut zu verlieren.
Besonderer Gast der Opening Week-Eröffnung war Barbara Plankensteiner. Als wissenschaftliche Leiterin des Museums am Rothenbaum (MARKK) in Hamburg und Sprecherin der Benin Dialogue Group initiierte und verantwortete sie Rückgabe der Benin-Bronzen, westafrikanischer Kunstwerke aus dem 16. Jahrhundert, aus europäischen Museen an ihre rechtmäßigen Besitzer*innen. Die Bronzen stellen Könige des Königreiches Benin dar und waren wichtiger Bestandteil von Ritualen und Erinnerungspraxis. Plankensteiner rückte die Tatsache in den Vordergrund, dass die Bronzen aufgrund eines Diebstahls in Museen landeten. Englische Soldaten begangen 1897 den vielleicht größten Kunstraub der Geschichte und die Werke sind Beute [loot]. In dem jetzigen Prozess der Rückgabe hat Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen und damit andere Länder dazu ermutigt nachzuziehen. Deutsche Museen haben mittlerweile schon 1000 Kunstobjekte zurückgegeben. „Das ganze Museumssystem wird sich dadurch ändern“, ist die Ethnologin optimistisch, „von einer Objektzentrierung zu einer Menschenzentrierung.“
Auf der Bühne fragte Brei zwei Studierende, die gerade in der Mitte ihres Studiums sind, nach ihren Erfahrungen. „Es ist wichtig“, empfahl Psychologiestudent Paul Sieber, „Spaß an den Themen zu haben, die man studiert. Wenn man begeistert und mit Leidenschaft an etwas dran ist, stellt sich konzentrierte Ernsthaftigkeit von alleine ein, sozusagen als willkommener Nebeneffekt.“ „Das Studium kann ein bisschen überwältigend sein“, ergänzte Madelaine Stenger, die Nachhaltigkeitswissenschaft studiert, „daher ist es wichtig, dass Ihr Euch vertraut. Euch selbst. Beteiligt Euch aktiv am Unileben und vertraut auch den Menschen, die Euch umgeben.“
Mit Bezug zu dem diesjährigen Opening Week-Thema ‚Collecting‘ schlug die Oberbürgermeisterin der Hansestadt Lüneburg Claudia Kalisch vor, zwei Dinge während des Studiums zu sammeln: „Wissen und Erinnerungen. Doch nicht immer ist Sammeln richtig. Ich würde gerne mein Handy verlieren. Es muss auch nicht lange sein. So ein, zwei Tage ohne Handy würden mir schon reichen. Es gibt aber Dinge, die sollten wir nicht – und zwar nie – verlieren: Hoffnung. Zusammenhalt. Demokratie. Solidarität. Sie sind die Grundlage unserer Gesellschaft und wir brauchen sie, um nachhaltige Lösungen für den Klimawandel zu finden.“ Die Stadt ist stolz, die Uni zu haben, betonte die Oberbürgermeisterin.
„Wir sehen uns in der Gegenteilrolle zu all denen“, unterstrichen AStA-Sprecher*innen Josephine Kiecol und Marius Michel, „die Euch sagen, wie toll es doch sei, Student*in zu sein.“ Die soziale Situation von Studierenden sei schlecht, auch aufgrund steigender Lebenserhaltungskosten, und der Druck, das Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen, hoch. Damit ist man aber nicht allein. Der AStA bietet Hilfe, von Studierenden für Studierende. „Wir stehen hinter Euch [we’ve got you]. Habt Spaß. Es ist Eure Opening Week – niemandes sonst.“
Einen sehr wahren Hinweis gab Jelena Bäumler, Vizepräsidentin für das College: „Man bleibt das ganze Studium mit den Leuten befreundet, die man bei der Opening Week kennengelernt hat.“
Ganz zum Schluss verließ Brei die Bühne, trat auf die Erstsemesterstudierenden zu und fragte sie, welche Erwartungen sie an ihr Studium haben, welche Träume und welche Fragen. „Neue Menschen treffen, deren Leben und Ideen kennenlernen“, antwortete Annika. Eine andere Erstsemesterstudierende, Silian, sagte: „Ich glaube, alle die, die gerade hier sind, wollen das gleiche – nämlich eine bessere Version von sich selbst werden.“ Sie gab das Mikro an Aziz weiter, der bemerkte: „Ich freue mich, mit dem Studium anzufangen. In erster Linie will ich Erkenntnisse [knowledge] sammeln.“ Und, ganz zum Schluss, meldete sich noch eine Studierende: „Mein Name ist Annabell. Ich komme aus Berlin. Ich wollte in einer Unistadt ziehen, weil man hier wirklich neue Menschen treffen und echte Verbindungen aufbauen kann. An der Leuphana war mir der Nachhaltigkeitsaspekt, der irgendwie die ganze Uni durchzieht, wichtig. Wenn ich älter bin, will ich die Welt wirklich verändern. Ich will meine eigenen Ideen umsetzen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das klingt jetzt wie ein Cliché, aber ich meine das so. Das geht auch nicht ohne Mitgefühl [compassion], also in Gemeinschaft und mit Rücksicht auf Menschen, die mit psychischen Problemen kämpfen, glaube ich. Ich will nicht austauschbar sein.“
Kontakt - Akademische Veranstaltungen
- Sven Prien-Ribcke, M.A.