„Am Ende siegt die Gerechtigkeit!“ ETHIK IM GESPRÄCH zu Gast im Kloster Lüne

10.05.2024 Die Leuphana Universität Lüneburg war mit ihrer Reihe ETHIK IM GESPRÄCH zu Gast im Kloster Lüne. Im voll besetzten Kapitelsaal des Klosters moderierte PD Dr. Thomas Kück vom Institut für Ethik und Theologie am 26. April das öffentliche Podiumsgespräch über ethische Fragen in Literatur und Film mit Margarete von Schwarzkopf (Literaturkritkerin und Autorin) und Susanne Ottersbach-Flimm (Produzentin).

©Thomas Kück
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Welcher Ort könnte gerechter, harmloser, friedlicher sein als ein Kloster? Und welches Medien-Genre fokussiert stärker auf Ungerechtigkeit als Krimis? Kein Wunder, dass von Krimis, die in Klöstern spielen, ein besonderer Reiz ausgeht. So stellte Äbssin Amélie Gräfin zu Dohna schon während der Begrüßung die besondere Spannung zwischen Ort und Thema dieser Veranstaltung heraus: Der Einbruch des Bösen durch den Kriminalroman in das Reine und Gute, wie es das Narrativ des Klosters verspricht. Das Narrative, in Text und Bewegtbild Erzählende und Schildernde, stand im Zentrum der Podiumsdiskussion: Wie wird Ungerechgkeit dargestellt?

Margarete von Schwarzkopf ist als NDR-Literaturkritikerin, Journalistin und Autorin bekannt. „Ich finde es toll, wenn Menschen lesen“, deshalb empfiehlt und bespricht sie Bücher lieber als sie selbst zu verfassen. „Ich bin keine Schriftstellerin – ich schreibe Bücher“, stellt sie fest. Das Schreiben von etlichen Krimis im Emons Verlag komme erst nach dem Besprechen interessanter Literatur in Radio und Fernsehen.

Ethische Themen seien ihr wichtig, allen voran die Gerechtigkeit. Eines ihrer jüngsten Werke, „Das Geheimnis des dunklen Hauses“, widmete sie ihren Eltern. Sie mussten Deutschland 1933 aus politischen Gründen verlassen, gingen ins Exil und kamen über Umwege schließlich nach Hollywood. Doch auch nach ihrer Rückkehr erfuhren sie keine Gerechgkeit - im Gegenteil. Die nachkriegsdeutsche Stimmung war zumindest ambivalent, jedenfalls nicht nur freundlich gegenüber den ehemals politisch Verfolgten. Dieses Unrecht findet sich auch in der Geschichte des nach London emigrierten Mordopfers in Schwarzkopfs Kriminalroman, wird aber anders gelöst: „Ich liebe Kriminalromane, weil ich Dinge aufarbeiten kann, die Unrecht sind“, resümiert Schwarzkopf in Erinnerung an eine Unterhaltung mit der brischen Autorin P. D. James. „Am Ende siegt die Gerechgkeit!“

Ob die Gerechtigkeit am Ende auch im Kriminalfilm siegt, beantwortet Produzentin Susanne Ottersbach-Flimm. Psycho-Thriller aus ihrer Hand wie „Der Mörder und sein Kind“ oder „Angst hat eine kalte Hand“ bilden die inneren Kämpfe der Menschen ab - im Unterschied zu Krimis, die lediglich die äußeren Kämpfe von Täter*innen behandeln, seien es Armut, Gier oder Sozialdruck. Diese auch in ethischer Hinsicht komplexen Zusammenhänge seien in Krimis jedoch gegenwärtig nicht gefragt. „Warum?“, fragt Moderator Thomas Kück, denn das müsse nicht so sein. Gerade die skandinavischen Krimis von Håkan Nesser, Henning Mankell und Stieg Larsson zeigen, dass Krimis zumindest grundsätzlich auch komplexe ethische Fragen behandeln und trotzdem mainstreamfähig sein können. Doch weil es um das Abbilden einer bundesrepublikanischen Wirklichkeit gehe – und dazu seien die öffentlich-rechtlichen Sender wegen der Rundfunkbeitragsfinanzierung verpflichtet – würden ethische Aspekte hier eher ausgeblendet, so die Produzentin.

Dass die Fernseh-Krimis unaufhörlich neue Absonderlichkeiten thematisieren, gehe mit dem Ausbleiben von ethisch relevanten Handlungen einher. Im Fernsehen sticht Sichtbarkeit durch Auffallen. In der außernarrativen Welt sind absonderliche Verbrechen eher die Ausnahme. Ethische Fragen, welche die Täter*innen umtreiben, motivieren und beschäftigen sind schwer darstellbar – sie sind nicht „catchy“. Der Sender müsse sich absetzen. Ottersbach-Flimm: „Die Quote ist die allein selig machende Währung.“

„Bleibt die Herstellung von Gerechtigkeit also eine Fiktion?“, fragte Äbssin zu Dohna und wurde in ihrer Antwort dann sehr konkret: Sie lud die Anwesenden anschließend zur ökumenischen Gebetsvesper auf dem Nonnenchor der Klosterkirche ein. Damit erinnerte sie damit an das einleitende Klosternarrativ als Ort der Sehnsucht nach dem ethisch Guten. Dass Leser*innen und Zuschauer*innen möchten, dass die Bösen geschnappt, das Verbrechen aufgeklärt und die Tat gesühnt wird, zeigt, dass es diese Sehnsucht nach dem Guten wirklich gibt – und zwar sehr breit.