Diversity Tag 2025: Gefährliche Krisen

26.05.2025 Antifeminismus hat viele Gesichter und kann beispielsweise religiös, nationalistisch oder wirtschaftlich motiviert sein. Die Politikwissenschaftlerin Dr. Gefjon Off forscht zu diskriminierenden Einstellungen gegenüber Frauen und queeren Menschen.

©Leuphana/Tengo Tabatadze
"Vor allem Themen, die mit Heteronormativität brechen und große mediale Sichtbarkeit erhalten wie Queerness, rufen Widerstand hervor", erklärt Dr. Gefjon Off.

Was ist die größte Gefahr für den Feminismus?

Dr. Gefjon Off: Simone de Beauvoir sagte einmal: Es reicht eine politische, wirtschaftliche oder religiöse Krise, um die Rechte der Frau wieder in Frage zu stellen. Der Wettbewerb im Beruf steigt in schwierigen Zeiten. Traditionell dominieren immer noch Männer viele Branchen, vor allem in Führungspositionen. Frauen und alle anderen Personen, die nicht cis-Männer sind, leiden am häufigsten unter wirtschaftliche Krisen. Zu den vulnerabelsten Gruppen gehören nicht-binäre-Menschen und trans-Personen. 

Umgekehrt heißt es also, dass eine starke Wirtschaft auch benachteiligte Personen schützt?

Gelder und Ressourcen stehen für vermeintliche ,Randthemen‘ immer dann zur Verfügung, wenn es der Wirtschaft gut geht. Dieser Punkt gilt nicht nur für den Feminismus, sondern auch etwa für den Umweltschutz. In wirtschaftlichen Krisen wird am ehesten an ihnen gespart.

In ihrer Forschung sehen Sie sich insbesondere Anti-Feminismus unter rechtsradikalen Wähler*innen an. Welche Muster erkennen Sie?

2021 habe ich Interviewdaten in Ostdeutschland erhoben. Damals stimmten viele Wähler*innen rechtsradikaler Parteien noch manchen, grundlegenden feministischen Themen zu, sie waren zum Beispiel für gleiche Bezahlung und faire Chancen im Job. Diese Ergebnisse erklären sich auch durch die Geschichte: Einerseits ist die antifeministische AfD in Ostdeutschland sehr stark, andererseits gibt es dort eine lange Tradition relativer Gleichberechtigung von Mann und Frau im Arbeitsmarkt. Vor allem Themen, die mit Heteronormativität brechen und große mediale Sichtbarkeit erhalten wie Queerness, rufen Widerstand hervor: Einige Menschen empfinden die Aufmerksamkeit als zu übertrieben und glauben, von ,wahren‘ Problemen solle abgelenkt werden. 

Sie haben sich auch Daten in Schweden angesehen. Stellen Sie einen Unterschied zu Ostdeutschland fest?

Gleichberechtigung ist in Schweden eine starke gesellschaftliche Norm. Während der Me-too-Debatte wurden feministische Themen allerdings stärker politisiert, was dazu geführt hat, dass konservativere Einstellungen zum Feminismus stärker mit rechtsradikalem Wahlverhalten zusammenhängen als vorher. Je größer das Thema in einer Gesellschaft wird, desto mehr Gegenwehr gibt es, desto eher wird diese Gegenwehr politisch vertreten, und desto eher beeinflussen diese Themen das Wahlverhalten der Wähler*innen. Sehr deutlich sehen wir dieses Phänomen in Spanien. Dort beobachten wir in den letzten zehn Jahren eine außergewöhnlich starke Frauenbewegung mit Millionen von Menschen auf den Straßen. Politisch ist dort sehr viel für Frauen und queere Menschen passiert, aber auch die Rechtsradikalen mobilisierten besonders stark dagegen.

Spanien ist eine sehr katholische Gesellschaft. Wie beeinflusst Religion den Feminismus?

Im katholisch motivierten Anti-Feminismus geht es oft um die traditionelle, vermeintlich gottgegebene Rolle von Mann und Frau, Abtreibung und Homosexualität. Diesen sehr traditionellen, religiös motivierten Anti-Feminismus beobachten wir zum Beispiel auch in den USA. Daneben steht der nationalistisch motivierte Anti-Feminismus: Eine weiße und bei uns ,deutsche‘ Bevölkerung soll reproduziert werden. Die Motivationen sind unterschiedliche, die Einstellungen im Ergebnis ähnlich. 

In Ihrer aktuellen Forschung konzentrieren Sie sich auf die Einstellungen von jungen Männern. Was beobachten Sie?

In deren Einstellungen sehen wir auch antifeministische Tendenzen, aber anders motiviert. Die Vorurteile nähren sich eher aus dem Gefühl, dass die Emanzipation der Frau zu weit geht und Frauenförderung unfair wird. Sie glauben, dass junge Frauen einen Vorteil haben, zum Beispiel in Schulen und an Unis. Tatsächlich haben junge Frauen in westlichen Gesellschaften häufiger einen Uni-Abschluss als gleichaltrige Männer.

Provokant gefragt: Haben die jungen Männer dann nicht einen Punkt?

Gute Noten kann jeder schreiben, da gibt es keinen direkten Konkurrenzkampf. Nur weil Mädchen gute Noten schreiben, heißt das nicht, dass Jungen nicht auch gute Noten schreiben können. Das ist in der Schule anders als auf dem Arbeitsmarkt, wo es begrenzte Stellen gibt. Die Frage ist vielmehr, warum bekommen Mädchen bessere Noten als Jungen. Das scheint mir zumindest teilweise eher eine Frage der Sozialisierung zu sein. Mädchen wird eher gesagt: ,Sitze still.‘ Jungen gelten oft als Rabauken. Das aktuelle Schulsystem belohnt eher das Verhalten stereotyper Mädchen. Um dem entgegenzuwirken, könnten wir stattdessen stärker individualisierten Unterricht anbieten. 

Karriere machen am Ende also doch die Männer?

Ja, so ist es. Aber die jungen Männer bekommen das noch nicht mit. Sie konkurrieren an Schulen, in Unis und auf dem Arbeitsmarkt in den Einstiegspositionen. Beruflich sind Frauen auf dem Einstiegslevel – zumindest, wenn man nach dem Bildungsabschluss als Auswahlkriterium geht - stärker. Wenn sie sich dann auf Führungspositionen bewerben oder Kinder kriegen, werden sie aber wieder häufiger diskriminiert. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Gefjon Off promovierte 2023 an der Universität Göteborg zum Thema des Antifeminismus unter Wähler*innen, mit einem Fokus auf Wähler*innen rechtsradikaler Parteien. Aktuell forscht sie im Bereich der vergleichenden politischen Verhaltensforschung mit einer Gender-Perspektive.

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  • Dr. Gefjon Off