Gute Digitalisierung ist... Neues Kursangebot startet im Winter 2021

21.06.2021 Wir sind alle umgeben von digitalen Technologien. Wie sehr, zeigen uns die Erfahrungen mit dem digitalen Semester in Pandemie-Zeiten. Doch auch für Unternehmen bietet die digitale Transformation ohne Zweifel viel Innovationspotential, stellt diese aber auch vor ethische Herausforderungen. An der Leuphana Universität Lüneburg startet deshalb ab dem Wintersemester 2021/22 ein neues berufsbegleitendes Zertifikatsangebot zum Thema Digitale Ethik in Unternehmen.

Trittin sagt: „Unternehmen profitieren von der Digitalisierung, aber sie müssen auch lernen, Verantwortung zu tragen.“ ©© Björn Schönfeld
Trittin sagt: „Unternehmen profitieren von der Digitalisierung, aber sie müssen auch lernen, Verantwortung zu tragen.“

Nicht nur während der Pandemie erlangen digitale Informations- und Kommunikationstechnologien eine besonders wichtige Bedeutung - durch sie werden neue Formen der Zusammenarbeit ermöglicht und die Effizienz von Arbeitsprozessen gesteigert. Datenbasierte Geschäftsmodelle versprechen höhere Umsätze und die Erschließung neuer Märkte. Unternehmen werden daher auch künftig verstärkt in neue Digitalisierungsstrategien investieren. Die digitale Transformation wirft neue gesellschaftliche Ansprüche in Bezug auf verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln sowie viele ethische Fragestellungen auf. Im Interview beantwortet die wissenschaftliche Leiterin, Prof. Dr. Hannah Trittin-Ulbrich, die wichtigsten Fragen zum neuen Kursangebot.

Professorin Trittin-Ulbrich, was verstehen Sie unter digitaler Ethik und worin unterscheidet sich diese von den ethischen Betrachtungen, die wir in anderen Forschungsbereichen und Disziplinen vornehmen?
Die digitale Ethik beschäftigt sich ganz generell damit, was eine „gute“ Digitalisierung bedeutet. Das heißt, sie versucht zu ergründen, inwiefern die Digitalisierung anhand ethischer Maßstäbe und Prinzipien umgesetzt und weiterentwickelt werden kann. Unter Berücksichtigung ethischer Kernfragen werden dabei Themenfelder wie Big Data, Künstliche Intelligenz, die digitale Transformation oder die Nachhaltigkeit digitaler Produkte genauer beleuchtet. Die digitale Ethik beschäftigt sich beispielsweise mit Fragen in Bezug auf kognitive und algorithmische Verzerrungen in der Analyse und Verarbeitung großer Datenmengen, oder mit den Chancen und Risiken der zunehmenden Automatisierung von Arbeitsprozessen.

Als angewandte Ethik beschäftigt sich die digitale Ethik mit konkreten bereichsspezifischen Problemfällen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung und Verbreitung digitaler Technologien entstehen. Ich denke, der größte Unterschied zu anderen Formen der Ethik (bspw. der Medizinethik) liegt in der Unmittelbarkeit der Digitalisierung: Wir sind umgeben von digitalen Technologien, im Privaten und im Beruflichen. Selbst wenn wir digitale Technologien nicht nutzen, bspw. kein Smartphone haben, beeinflusst die Digitalisierung trotzdem indirekt unser Leben. Wir müssen uns also überlegen: Wie sieht ein „guter“ Umgang mit der Digitalisierung aus? Welche Werte bestimmen unsere Entscheidungen in der digitalen Transformation? Zu welchem Zweck setzen wir neue Technologien ein, und welche Folgen hat unser Handeln? Wie sehen verantwortungsvolle digitale Innovationen aus? Die digitale Ethik versucht hier abstrakte, aber auch konkrete Instrumente an die Hand zu geben, über diese und andere Fragen zu reflektieren.
Wenn wir über ethische Entscheidungen sprechen, gibt es ja häufig kein Schwarz-Weiß-Denken, sondern eine Mittelposition muss gemeinsam ausgehandelt werden. Wer ist denn alles in die Diskussion rund um die digitale Ethik einzubinden?
Die Digitalisierung und somit auch die digitale Ethik sind allgegenwärtige Themen, deren Relevanz in vielen Fachgebieten sowie natürlich auch in fast allen Unternehmen stark zugenommen hat. Daher sind aus meiner Sicht alle an den Diskussionen rund um digitale Ethik zu beteiligen, die aktiv oder passiv von der Digitalisierung betroffen sind. Unternehmen und ihre Mitarbeitenden sind dabei Kernakteure. Denn sie sind es, die digitale Technologien entwickeln und großflächig einsetzen. Ich erkenne ein enormes Potential darin, dass die Welt immer stärker digitalisiert wird und auch Ethik in diesem Bereich mitgedacht wird. Es wäre klasse, wenn wir mehr Menschen einladen könnten, sich mit ethischen Fragestellungen der digitalen Transformation zu beschäftigen und reflexiv dazu einen eigenen Standpunkt zu entwickeln. Ich glaube auch, dass ein großes marktwirtschaftliches Potential in der Entwicklung von verantwortungsvollen und ethischen digitalen Produkten liegt. Auch hier kann die digitale Ethik helfen, diese zu entwickeln.
Ab dem Wintersemester 2021/2022 werden Sie ein Zertifikatsangebot an der Leuphana Professional School, dem Weiterbildungsbereich der Leuphana Universität Lüneburg, anbieten. Was sollen Teilnehmer*innen darin lernen und in ihren Berufsalltag mitnehmen?
Den Teilnehmer*innen wird eine passgenaue und flexible Weiterbildung angeboten, dessen Anwendung auf ihre individuelle Arbeitssituation zugeschnitten ist. Sie erhalten Wissen vermittelt zu drei Kernbereichen der digitalen Ethik: Datenethik, Ethik der digitalen Transformation und Innovation, sowie Corporate Digital Responsibility. Außerdem werden ihnen konzeptionelle Methoden und praktische Anwendungen vorgestellt, die sie unterstützen können, ethische Fragen in Bezug auf die Digitalisierung zu beantworten. Der Kerngedanke dabei liegt im Transferpotential des Weiterbildungsangebotes: die Teilnehmer*innen sollen das erworbene Wissen transformativ in ihrer Unternehmenspraxis anwenden können.

Ich sehe das Zertifikatsangebot „Digitale Ethik“ als eine großartige Möglichkeit den Fortschritt der Digitalisierung anwendungsorientiert zu betrachten und zu reflektieren. Die Datenmengen, die von der heutigen Gesellschaft produziert, verarbeitet oder ausgewertet werden, sind enorm hoch. Universitäten und Unternehmen haben die Verantwortung sich mit digital-ethischen Fragestellungen auseinander zu setzen. Genau hierfür hat die Professional School ein Angebot geschaffen. Der Wandel zur Digitalisierung in der Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten hat dazu geführt, dass die Nachfrage nach genau diesem Angebot immer mehr gewachsen ist. Der Fortschritt der Digitalisierung findet immer mehr Anklang und muss somit in seiner Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis bearbeitet werden.

Das Interview führte: Maria Schloßstein

Prof. Dr. Hannah Trittin-Ulbrich ist seit Anfang 2018 an der Leuphana Universität Lüneburg am Institut für Management & Organisation als Juniorprofessorin für BWL, insbesondere Wirtschaftsethik, tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt zielt darauf ab, Prozesse und Praktiken zu identifizieren mithilfe derer Unternehmen verantwortlich mit dem digitalen Transformationsprozess umgehen können und aufzuzeigen, welche Kompetenzen sie entwickeln müssen, um ethische Fragen, die im Prozess der Digitalisierung entstehen, beantworten zu können.

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  • Prof. Dr. Hannah Trittin-Ulbrich