Wie KI den Journalismus verändert
05.11.2025 Bei der 3. Hamburger Woche der Pressefreiheit diskutierten Medienexpert*innen im Zentralgebäude der Leuphana über die Macht künstlicher Intelligenz – und ihre Risiken für Glaubwürdigkeit, Sprache und Ethik.
Die doppelte Begrüßung sorgte für Aufsehen: Die ARD-Tech-Journalistin Svea Eckert erschien gleich zweimal – einmal als sie selbst und einmal als täuschend echter KI-Avatar auf dem Bildschirm. „So einfach ist es heute, eine Eins-zu-eins-Abbildung zu erstellen“, kommentierte sie. Der Einstieg zeigte eindrucksvoll, worüber an diesem Abend im Zentralgebäude diskutiert werden sollte: Die 3. Hamburger Woche der Pressefreiheit beleuchtete auch die Frage, wie KI Glaubwürdigkeit und Arbeitsweisen verändert – und welche ethischen Konflikte entstehen.
„Amüsant und potenziell gefährlich“ – so bezeichnete Christian Radler, KI-Beauftragter der Tagesschau, die neuen Möglichkeiten der Animation. Besonders kritisch sieht er die Nutzung solcher Werkzeuge in der politischen Kommunikation: „Oft ist es schwer zu erkennen, ob ein Beitrag echt oder künstlich ist.“ KI könne damit nicht nur informieren, sondern auch manipulieren.
In der großen Menge von KI-generierten Videos im Netz, sieht vor allem Prof. Dr. Astrid Séville, Professorin für Politische Theorie an der Leuphana, eine große Gefahr und nannte sie eine „Vermüllung der Öffentlichkeit“. Gleichzeitig lenkte sie den Blick auf die Sprache: „Es gibt die Vermutung, dass KI sie glättet“, erklärte die Forscherin. Ebenso bereitet ihr Sorge, dass „moralische Urteile, nicht mehr von einem Menschen gefällt werden“. Der Einfluss auf die politische Kommunikation sei bedenklich – gerade im Hinblick auf das, was wir „als idealdemokratische Öffentlichkeit im Blick behalten sollten“.
Dass KI den Journalismus fundamental verändern wird, darin war sich die Expertenrunde einig. Cordula Schmitz, Chefredakteurin Digital beim Hamburger Abendblatt, sieht aber auch Chancen – gerade für den Lokaljournalismus: Die Technologie könne Redaktionen von Routineaufgaben entlasten – zum Beispiel beim Formatieren von Videos oder der automatisierten Verschlagwortung von Inhalten. Ein Plus für sie: „Mehr Zeit für bessere Texte – und mehr Zeit, rauszugehen und zu erleben, was dort passiert.“ In den alltäglichen Begegnungen zwischen Reportern und Menschen auf Marktplätzen und in den Stadtteilen erkennt Cordula Schmitz eine Art Schutzzone des Lokaljournalismus – „noch“, wie sie einschränkend ergänzt.
Kritisch blickte vor allem Prof. Dr. Johannes Caspar, Rechtswissenschaftler der Universität Hamburg, auf die Künstliche Intelligenz: „Die digitale Moderne versucht die Realität einzufangen in digitale Sphären. Für den Journalismus bedeutet es einen Kreativitätstransfer. Eine maschinelle Vernunft ersetzt eine menschliche Vernunft. Hier lagern wir Autonomiebereiche aus“, warnte er.
Ein weiterer Diskussionspunkt war der Umgang mit sogenannten „Nutzungsvorbehalten“: Sie verhindern, dass KI-Systeme wie ChatGPT oder Gemini auf Inhalte öffentlicher Medien zugreifen. „Damit blockieren wir zwar die Fütterung der Maschinen“, erklärte Cordula Schmitz, „aber unsere Inhalte tauchen dann auch weniger in den Ergebnissen auf.“
Das sei ein klassisches Dilemma, betonte Prof. Dr. Astrid Séville: Medienhäuser müssten abwägen zwischen Schutz und Sichtbarkeit.
Zum Abschluss forderte Prof. Dr. Johannes Caspar, der auch Vorsitzender des Beirats Transparency International ist, ein neues Grundrecht – „das Recht auf menschengemachte Information“. Es brauche eine Medienlandschaft, „die selbstbewusst mit KI umgeht und die Kontrolle über ihre Inhalte behält“.
Hier finden Sie den NDR-Beitrag „Bringt Künstliche Intelligenz Pressefreiheit in Gefahr?" zu dem Talk.
Aufzeichnung des Livestreams
Kontakt
- Dr. Markus Lemmens



