Master Kick-off: „Es wäre fahrlässig, sich nicht aufs Morgen vorzubereiten“

01.10.2021 Der Studienbeginn an der Graduate School stand in diesem Jahr unter dem Motto „21st Century Skills of Graduate Students to shape the Future World“. Die Organisationspsychologin und Lernforscherin Dr. Deborah Schnabel war zum Master Kick-Off virtuell an der Leuphana zu Gast und sprach über Lernkompetenzen für die Zukunft.

Dr. Deborah Schnabel ©© Felix Schmitt
Deborah Schnabel promovierte im Bereich Psychologie zu Interkultureller Kompetenz und forschte dann zu 21st Century Skills. Heute ist sie Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank und leitet den von ihr gegründeten Creative Learning Space.
Frau Dr. Schnabel, welche Kompetenzen sollten Masterstudierende erwerben, um die Zukunft aktiv mitgestalten zu können?
Wir befinden uns in einer rasanten technologischen Entwicklung. Maschinen übernehmen immer mehr Aufgaben. Aber es gibt Fähigkeiten, die genuin menschlich sind. Die kreative Problemösungekompetenz ist Teil der 21st Century Skills, die Menschen auf die Arbeitswelt von heute und morgen vorbereiten sollen. Wir dürfen uns nicht in spezifischem Fachwissen verlieren. Ich kann in einer zukünftigen Gesellschaft nur mitentscheiden, wenn ich interdisziplinär aufgestellt bin.
Die 21th Century Skills stellen sich unter anderem der Herausforderung der Digitalisierung. Wie sieht gute Online-Lehre aus?
Zunächst müssen wir uns von einem Trugschluss verabschieden: Nur weil heutige Studierende als Digital Natives gelten und sich selbstverständlich im digitalen Raum bewegen, finden sie sich nicht automatisch in der digitalen Lehre zurecht. Die Studierenden erfahren immer noch eine recht analoge Schulbildung und bringen diese Erfahrungen mit an die Universität. Aktuell versuchen wir Präsenzlehre in den digitalen Raum zu übersetzen. Das ist aber der falsche Ansatz. Wir sollten die digitale Lehre neu denken: Im Digitalen nimmt beispielsweise die Eigenverantwortung zu. Diese Herausforderung bedarf neuer Kompetenzen. Wir können auch Lernorte anders definieren. Der Hörsaal mit frontal Lehrendem ist lange nicht der einzige universitäre Lernort. Wir müssen uns viel stärker mit informellen Lernorten beschäftigen, wie beispielsweise Lerngruppen, die sich in den sozialen Medien treffen. Moderne Lernorte sind für mich Orte, die sozialen Austausch ermöglichen.
Welche Rolle nimmt der Lehrende im Rahmen der 21st Century Skills ein?
Wir müssen dazu kommen, aktuelle Forschungsergebnisse noch stärker in die Lehre zu integrieren. Es braucht einen konstanten Rückfluss zwischen Forschung und Lehre, um zukunftsorientiert zu sein. Außerdem sollten wir die Rollen in der Lehre neu definieren und fragen: Was können auch die Studierenden in die Lehre einbringen? Welche Kompetenzen haben sie bereits? Auch die Rolle des Lehrenden verändert sich. Er entwickelt sich von der Wissensvermittlung zum Enabler.
Warum ist es wichtig, schon heute die (Arbeits-)welt von morgen zu denken?
Die Entwicklung ist rasant und komplex. Es wäre fahrlässig sich nicht aufs Morgen vorzubereiten. Die Corona-Pandemie zeigt: Wir müssen auf große Herausforderung vorbereitet sein.
Vielen Dank für das Gespräch!

Veranstaltungshinweis

Die Eröffnungsdiskussion des diesjährigen Master Kick-off zum Thema „21st Century Skills of Graduate Students to shape the Future World“, an der Dr. Deborah Schnabel teilnahm, fand am Montag, 4. Oktober, ab 10 Uhr direkt im Anschluss an die Begrüßung der neuen Masterstudierenden durch Universitätspräsident Prof. (HSG) Dr. Sascha Spoun statt.

Vizepräsidentin Prof. Dr. Simone Abels und die Leiterin der Graduate School, Dr. Anja Soltau, begrüßten zu dieser Veranstaltung aus der Reihe „The Future of Graduate Education“ Dr. Deborah Schnabel und Prof. Dr. Boukje Cnossen, Professorin für Cultural Entrepreneurship.

Zum 21st Century Skills-Modell

Das 21st Century Skills-Modell reagiert auf die zunehmende Digitalisierung und stellt weniger das Fachwissen als die sozialen und persönlichen Kompetenzen in den Mittelpunkt. Dazu gehören etwa der Umgang mit Medien, Technologien und Daten; die virtuelle und persönliche Kommunikation vor dem Hintergrund von Diversität sowie die Fähigkeit etwa zur kreativen Problemlösung, Eigenmotivation und zum selbstständigen Arbeiten.

Zur Person

Nach dem Studium der Wirtschaftspsychologie an der University of Applied Science Fresenius Cologne und der LMU München promovierte Deborah Schnabel an der Universität Tübingen im Bereich Psychologie zu Interkultureller Kompetenz und forschte dann zu 21st Century Skills. Danach war die Organisationspsychologin unter anderem in der internationalen Personalentwicklung sowie als Innovationsmanagerin im Bereich des Digitalen Lernens tätig. 2014 folgte Deborah Schnabel dem Ruf der Hochschule Fresenius University of Applied Sciences in Frankfurt. Dort lehrte und forschte sie bis 2020 als Professorin. Im gleichen Jahr übernahm Deborah Schnabel das Amt der stellvertretenden Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank, deren Direktorin sie heute ist. Zudem leitet sie den 2015 von ihr gegründeten Creative Learning Space. Dort werden Future Work Skills entwickelt.