Participation Case Scout: Neues Webtool identifiziert Erfolgsfaktoren für öffentliche Entscheidungsprozesse

14.03.2022 Wie können Entscheidungsprozesse im Umweltbereich möglichst erfolgreich durchgeführt werden? Der „ParticipationCaseScout“ ist ein Web-Tool, das einen Einblick in 305 Fallstudien zu umweltbezogenen, häufig partizipativ gestalteten Entscheidungsprozessen bietet. Nutzer*innen können mithilfe des Tools ermitteln, welche Faktoren für die Planung eigener Entscheidungsverfahren erfolgsbringend sein könnten.

Das Webtool haben Prof. Dr. Jens Newig und Dr. Michael Rose vom Institut für Nachhaltigkeitssteuerung in einem transdisziplinären Prozess gemeinsam mit Studierenden entwickelt. Es erfüllt zwei Funktionen: Erstens können Nutzer*innen unterschiedliche Fallstudien durchsuchen und erkunden, etwa um Best- oder Worst-Practice-Beispiele zu finden, die dem eigenen Vorhaben ähnlich sind. Muss beispielsweise eine Stadtverwaltung über einen Antrag zum Bau einer Windkraftanlage in der Umgebung entscheiden, können Mitarbeiter*innen über den ParticipationCaseScout mittels einer Vielzahl an Filtern nach ähnlichen Fällen suchen und das Vorgehen vergleichen. „Die Nutzer können so beispielsweise einsehen, wie Andere in ähnlichen Situationen den Entscheidungsprozess durchgeführt haben und welche Ergebnisse unter diesen Umständen zustande kamen.“

Zweitens können maßgeschneiderte Erfolgsfaktoren für ein bestimmtes Verfahrensziel in einem konkreten Kontext berechnet werden. Je nachdem, welcher Erfolgsindikator für das Verfahren maßgebend sein soll – bei der Entscheidung über den Bauantrag der Windkraftanlage könnte dies beispielweise die Akzeptanz seitens der Anwohner sein – und unter welchen Kontextbedingungen das Verfahren abläuft, ermittelt das Tool Faktoren, die sich in der Vergangenheit bei ähnlichen Zielen und Bedingungen statistisch gesehen als besonders förderlich (oder hinderlich) erwiesen haben. Faktoren können beispielsweise die Präsenz einer qualifizierten Moderation, der Zeitaufwand für beteiligte Akteure oder der Zugang zu Expertenwissen sein.

Der ParticipationCaseScout schließt an das vom European Research Council geförderte Forschungsvorhaben „EDGE“ an. Darin untersuchten das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Newig mithilfe einer Meta-Analyse zahlreicher Fallstudien, wie partizipative Verfahren die Qualität von Entscheidungen beeinflussen. „Wir haben dabei festgestellt, dass die Ergebnisse auch für die Praxis interessant sein können“, sagt Newig. In zwei darauffolgenden Projektseminaren arbeiteten Studierende an der Frage, welche Rolle wissenschaftliche Evidenz bei Fragen der Gestaltung von öffentlichen Entscheidungsprozessen spielt und auf welche Weise derartige Daten bestmöglich bereitgestellt werden könnten. „Die Studierenden haben mit großem Engagement Personen aus der öffentlichen Umweltverwaltung und Beratungsunternehmen eingeladen und mit ihnen Interviews und Fokusgruppen durchgeführt“, berichtet Rose. Ein Ergebnis: Die Akteure nutzen für die Planung von Entscheidungsprozessen bisher kaum wissenschaftliche Literatur, da sie nicht unbedingt schnell und einfach zugänglich ist.  Der ParticipationCaseScout ist ein Angebot, diese Wissenslücke zu schließen. Die Initiatoren freut besonders, dass sich einige der eingeladenen Praxisakteure aktiv in die Entwicklung des Webtools eingebracht haben.

Die Anwendungsmöglichkeiten des Webtools seien in ihrer Form weltweit einmalig, betonen die beiden Wissenschaftler. Die Bedeutung wissenschaftlicher Evidenz für die Folgen politischer Maßnahmen habe nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie gezeigt. „In unserem Fall geht es um sozialwissenschaftliches Wissen, anhand dessen Akteure aus Verwaltung, Politik oder Agenturen sich orientieren können.“

Kontakt

  • Prof. Dr. Jens Newig
  • Dr. Michael Rose