Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Dr. Vânia Zuin Zeidler

Erneuerbarkeit, Regenerierbarkeit und Zirkularität zur Herstellung grünerer und nachhaltigerer Biopestizide aus Obstresten

18.07.2023 Die Chemikerin wurde zur Professorin für Nachhaltige Chemie und erneuerbare organische Ressourcen ernannt. Sie entwickelt umweltfreundlichere und nachhaltigere Analysemethoden für die Bestimmung von erneuerbaren, hochwertigen Substanzen, die z.B. aus agroindustriellen Abfällen gewonnen werden, mit einem Schwerpunkt auf nachhaltige Trennwissenschaft.

PROF. DR. DR. VÂNIA ZUIN ZEIDLER ©Leuphana
„Ich arbeite nicht nur wissenschaftlich, um zu publizieren und einen hohen Impact Factor zu erreichen. Ich möchte etwas für alle Menschen tun", sagt Vânia G. Zuin Zeidler.

Industriell verarbeitete Orangen werden nur zur Hälfte genutzt. Bei der Herstellung von Orangensaft zum Beispiel bleiben rund 50 Prozent Abfall übrig, der aus Schalen und Fruchtfasern besteht. Oder wie Vânia G. Zuin Zeidler sagt: „Abfall ist ein Material, das zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Die Chemikerin nutzt Pflanzenreste, um neue Rohstoffe zu gewinnen. In Brasilien werden die Schalen oft als Viehfutter verwendet: „Aber es gibt mehr Material, als das Vieh fressen kann, und es kostet viel Geld, es haltbar zu machen“, erklärt die Forscherin.

Außerdem enthalten Fruchtreste wertvolle Inhaltsstoffe, die die Chemikerin zum Beispiel mit mikrowellen- und ultraschallgestützten Extraktionsverfahren herauszieht. Pflanzen nutzen bestimmte Flavonoide, um sich gegen Blattfraß zu schützen. Vânia G. Zuin Zeidler extrahiert das natürliche Abwehrmittel aus Orangen-, Apfel- oder Passionsfruchtresten. „Damit können wir den Insektenbefall von Nutzpflanzen bekämpfen, ohne die Fraßtiere selbst zu töten“, erklärt die Chemikerin.

Für sie ist ein kritisches Verständnis der Kreislaufwirtschaft entscheidend. „Herkömmliche Lebensmittelabfälle können giftig sein. Wir müssen von Anfang an Materialien verwenden, die keine künstlichen Pestizide enthalten, um Probleme in der Zukunft zu vermeiden“, sagt Vânia G. Zuin Zeidler. Die Chemikerin und ihr Team verwenden nur ungiftige Lösungsmittel sowie energiesparende Methoden und geringe Mengen an Reaktanten: „Wir verschwenden weder Energie noch Zeit, damit wir Produkte erhalten, die sich alle Landwirte leisten können.“

Vânia Zuin Zeidler arbeitet mit Ökolog*innen und anderen Partner*innen aus verschiedenen Bereichen zusammen, um Landschaften zu regenerieren: „Wenn man den Boden schützt, kann man gesündere Lebensmittel produzieren“, sagt die Chemikerin. Auf der Grundlage ihrer Studien unterstützt sie zum Beispiel die Agroforstwirtschaft in Brasilien. Agroforstwirtschaft kombiniert Landwirtschaft mit Tierhaltung und Forstwirtschaft. Verschiedene Arten leben und wachsen Seite an Seite und sollen sich gegenseitig ergänzen. „Wir liefern aber nicht nur Materialien, sondern informieren die Bauern auch über nachhaltige Anbaumethoden", erklärt sie.

Darüber hinaus konzentriert sich ihre Forschung auf die Entwicklung und Verbreitung von Lehrmaterial und Kursen über grüne und nachhaltige Chemie für die Hochschulbildung.

Sie ist promovierte Natur- und Erziehungswissenschaftlerin und hat zum Beispiel gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Kümmerer, Professor für Nachhaltige Chemie und Stoffliche Ressourcen, eine Arbeit zur universitären Chemieausbildung veröffentlicht: „Wenn die Chemie einen wirksamen Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigeren Welt leisten soll, ist es unerlässlich, dass sie in einem breiteren sozioökonomischen und ökologischen Kontext gelehrt wird.“

Im Rahmen des Komplementärstudiums lehrt die Chemikerin zum Beispiel zu nachhaltigen Lebensmitteln in Kunst und Medien: „Die sozialen Medien vermitteln uns oft ein falsches Bild von Lebensmitteln. Gegen einen ehrlichen Teller mit Bohnen als Eiweißquelle ist nichts einzuwenden, im Gegensatz zu einem stark verarbeiteten Produkt, das kein Lebensmittel mehr ist, sondern nur noch eine Formel, die Gesundheit und Nachhaltigkeit im weiteren Sinne nicht fördert.“ Die Forscherin hat auch Fleischersatzprodukte wie Hamburger Patties im Visier. „Intensive Verarbeitung, um den Geschmack, die Textur und das Aussehen von Fleisch zu erreichen, wie z. B. der Zusatz von künstlicher Methylcellulose, kann zusammen mit anderen Zutaten den ökologischen Fußabdruck vegetarischer Ernährung vergrößern. Obwohl die Fleischproduktion erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hat, zeigen pflanzliche Pattys, dass auch weniger belastende Fleischersatzprodukte ökologische, soziale und gesundheitliche Risiken haben können", erklärt Vânia G. Zuin Zeidler.

Seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Laufbahn befasst sie sich auch mit Toxikologie und Risikobewertung. Mit der Studie „Plasticized Childhood“ machen Forscher*innen in Brasilien auf die Gesundheitsrisiken und die Umweltverschmutzung durch Plastikspielzeug aus Fastfood-Kindermenüs oder Schokoladenüberraschungen aufmerksam: „In Südamerika sind die Spielzeuge oft mit Lösungsmitteln verunreinigt. Außerdem enthalten sie häufig Materialien, die sich nur schwer trennen lassen und daher kaum zu recyceln sind. Das ist überall ein Problem, denn ein großer Teil dieser Spielzeuge landet schon nach kurzer Zeit im Müll.“

Vânia G. Zuin Zeidler denkt systemisch und möchte mit ihren Forschungsergebnissen die Gesellschaft erreichen: „Ich arbeite nicht nur wissenschaftlich, um zu publizieren und einen hohen Impact Factor zu erreichen. Ich möchte etwas für alle Menschen tun.“

Prof. Dr. Dr. Vânia G. Zuin Zeidler ist Professorin am Institut für Nachhaltige Chemie der Leuphana Universität, war Gastprofessorin am Green Chemistry Centre of Excellence der University of York (UK) und Professorin am Fachbereich Chemie der Federal University of São Carlos (Brasilien), wo sie die Forschungsgruppe Green Chemistry, Sustainability and Education koordinierte. Sie arbeitete fast zehn Jahre lang an der Universität York mit Professor James Clark zusammen, einem der Väter der Grünen Chemie und Gründer der renommierten Zeitschrift Green Chemistry (RSC). Vânia G. Zuin Zeidler ist außerdem Gründungsdirektorin des Field & Food Tech Hub (UFSCar), einer sektorübergreifenden Plattform, die ein gesundes und ethisches Leben durch grüne und nachhaltige Produkte und Prozesse fördert. Sie hat einen Hintergrund in analytischer grüner und nachhaltiger Chemie und in der Chemieausbildung. Vânia G. Zuin Zeidler ist seit vielen Jahren mit dem Institut für Nachhaltige Chemie der Leuphana verbunden, unter anderem als Forschungsstipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung.

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